Volltext: Liechtensteinisches Verfassungsprozessrecht

von seiner «grundsätzlich strikte(n) Antragsbindung». Dieser Grund- satz wird jedoch zum Teil durch das Gesetz selbst und zum Teil durch die Rechtsprechung relativiert.45So bestimmen etwa Art. 19 Abs. 1 StGHG (Gesetzesprüfungsverfahren) und Art. 21 Abs. 1 StGHG (Ver- ordnungsprüfungsverfahren), dass der Staatsgerichtshof auch ohne An- trag von Amtes wegen weitere unmittelbar mit dem gestellten Normen- kontrollantrag zusammenhängende Bestimmungen des Gesetzes oder der Verordnung aufheben kann, wenn sie aus denselben Gründen mit der Verfassung, mit einem Gesetz oder mit einem Staatsvertrag unver- einbar sind.46 Der Staatsgerichtshof hält sich auch in seiner Praxis nicht konse- quent an diesen Grundsatz. Er erstreckt bei den Individualbeschwerde- verfahren zum einen seine Prüfung über die ausdrücklich als verletzt ge- rügten Grundrechte hinaus auch auf andere Verfassungsbestimmun- gen.47Zum anderen verfährt der Staatsgerichtshof bei der Begründet- heitsprüfung sehr oft so, dass er die Verletzung des nächstliegenden Grundrechts feststellt und anmerkt, dass es wegen der festgestellten Ver- letzung und der Konsequenz der Aufhebung des Hoheitsaktes keiner weiteren Prüfung mehr bedürfe, ob die Individualbeschwerde auch un- ter einem oder mehreren anderen Gesichtspunkten begründet sei.48Auf diese Weise geht auch das deutsche Bundesverfassungsgericht in der Mehrzahl der Fälle vor, obwohl sich die Aufhebung des Hoheitsaktes nicht nur aus dem ersten (nächstliegenden), sondern auch aus einem oder sogar mehreren anderen Gründen nach der von ihm anerkannten objek- tiven Funktion der Verfassungsbeschwerde aufdrängen würde.49Es 428Einleitung 
des Verfahrens 45Siehe etwa für das Individualbeschwerdeverfahren Höfling, Verfassungsbe- schwerde, S. 51 f. 46Eine ähnliche Formulierung wählt § 78 Satz 2 BVerfGG für die abstrakten Nor- menkontrollen: «Sind weitere Bestimmungen des gleichen Gesetzes aus denselben Gründen mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar, so kann sie das Bundesverfassungsgericht gleichfalls für nichtig erklären». 47Siehe Höfling, Verfassungsbeschwerde, S. 52; vgl. aus der jüngeren Rechtsprechung beispielsweise StGH 2005/46, Urteil vom 6. Februar 2006, nicht veröffentlicht, S. 7 ff. 48Vgl. etwa StGH 2001/19, Entscheidung vom 17. September 2001, LES 5/2004, S. 148 (151). 49Vgl. für Deutschland Benda/Klein, S. 273, Rz. 649 f., die diese Vorgehensweise des deutschen Bundesverfassungsgerichts im Allgemeinen rechtfertigen, jedoch auch auf mögliche Ausnahmekonstellationen im Zusammenhang mit persönlichkeitsbe- zogenen Grundrechten aufmerksam machen.
	        

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