Volltext: Liechtensteinisches Verfassungsprozessrecht

Im Zentrum des Verfassungsprozesses steht bekanntlich die Ausle- gung der Verfassung, d.h. die Beurteilung von Verfassungsrechtsfragen. Dies hat der Staatsgerichtshof auch immer wieder betont, indem er da- rauf hinwies, dass er keineswegs eine vierte Sach- und Rechtsinstanz sei.732Er hat freilich bei jeder Willkürbeschwerde die vorgebrachten Ar- gumente des Beschwerdeführers grundsätzlich nicht anders als eine vierte Rechts- oder allenfalls sogar Sachinstanz genau zu prüfen, auch wenn die von ihm aus diesem Vorgang zu ziehenden rechtlichen Folge- rungen andere sind als bei einer ordentlichen Gerichtsinstanz.733Der Staatsgerichtshof ist wie das deutsche Bundesverfassungsgericht kein Revisionsgericht.734Der Hinweis, dass er keine vierte Tatsachen- und Rechtsinstanz ist, bezweckt, das Verhältnis zwischen ihm und der Fach- gerichtsbarkeit klarzustellen. Er will eben gerade nicht eine dem ordent- lichen Straf-, Zivil-, oder Verwaltungsverfahren nachgeordnete Sach- und Rechtsinstanz sein, die auf die Nachprüfung von Rechtsfragen be- schränkt ist. Das Verfahren vor dem Staatsgerichtshof ist ein eigenstän- diges, von den ordentlichen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren losge- löstes Verfahren.735Der Staatsgerichtshof entscheidet nicht über einen durch bindende Feststellungen einer Vorinstanz umrissenen Sachverhalt. Er ist demnach immer auch ein Tatsachengericht, aber eben ein vom or- dentlichen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren unabhängiges Gericht und keine vierte Sach- und Rechtsinstanz. Daraus erklärt sich, dass er die Willkürbeschwerden umfassend prüft. 401 
§ 25 Öffentlichkeits- und Mündlichkeits prinzip Stellungnahme ausreichend gewährt werden kann. Für den deutschen Verfassungs- prozess plädiert Redeker, S. 2113 dafür, dass zumindest ein Erörterungstermin vor dem Berichterstatter zur Klärung des streitigen Sachvortrags möglich sein soll, wenn schon aus Zeitgründen die mündliche Verhandlung ausbleibt. 732Ständige Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes: StGH 1993/1, Urteil vom 23. März 1993, LES 3/1993, S. 89 (90); StGH 1993/25, Urteil vom 23. Juni 1994, LES 1/1995, S. 1 (2), wonach es insbesondere nicht angehen kann, mit revisionsarti- ger Beschwerde in der Sache eine weitere instanzenmässige Überprüfung der ge- richtlichen Entscheidung zu erwirken. Vgl. auch StGH 1995/28, Urteil vom 24. Ok- tober 1996, LES 1/1998, S. 6 (11), wo der Staatsgerichtshof betont, «dass es tatsäch- lich nicht Aufgabe des StGH ist, als vierte Sach- und Rechtsinstanz zu fungieren». 733StGH 1995/28, Urteil vom 24. Oktober, 1996, LES 1/1998, S. 6 (11); vgl. zum Span- nungsverhältnis zwischen Fachgerichtsbarkeit und Verfassungsgerichtsbarkeit auch Höfling, Verfassungsbeschwerde, S. 171 f. 734Vgl. für Deutschland Benda/Klein, S. 111, Rz. 253 und Redeker, S. 2113. 735Siehe hinten S. 424 f.
	        

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