Volltext: Liechtensteinisches Verfassungsprozessrecht

vor der Sitzung abgelehnt werden».241Den Begriff «Kollegium» im Sinne von Art. 12 LVG versteht der Staatsgerichtshof in seiner Entschei- dung vom 6. November 1931242«in seiner Gesamtheit», denn im Kolle- gium sei der Vorsitzende mitinbegriffen. Dieser allgemeine Rechtsge- danke entspreche auch der liechtensteinischen Praxis. Es sei dem betref- fenden Vorsitzenden nicht benommen, sich der Stimmabgabe zu enthal- ten. Ebenso judizierte er in StGH 1998/25243, dass der Grundsatz, wonach «niemand über den gegen ihn gerichteten Ablehnungsantrag sel- ber entscheiden» soll, nicht «ausnahmslos» gelte. Dies bezog er in die- sem Fall auf die Verwaltungsbeschwerdeinstanz (neu: Verwaltungs - gerichtshof), die das Ablehnungsverfahren mit ihren ordentlich gewähl- ten Mitgliedern unter Ausschluss der abgelehnten nicht hätte durchfüh- ren können und auch kein übergeordnetes Gericht bestand, welches das Ablehnungsverfahren hätte entscheiden können. In dieser «Ausnahme- situation»244konnten mit anderen Worten die Richter der Verwaltungs- beschwerdeinstanz Richter in eigener Sache sein und über die gegen sie gerichteten Ablehnungsanträge entscheiden, ohne dabei gegen Verfas- sungsrecht zu verstossen. Wenn ein Ablehnungsantrag noch vor der Sitzung eingereicht wird, sollte es möglich sein, dass er von einem Richter, gegen den er sich nicht richtet, behandelt und erledigt wird, ansonsten die Richter des Ge- richtshofes, bevor sie materiell den Fall entscheiden, sich zuerst mit den Ablehnungsanträgen, die gegen sie gerichtet sind, zu befassen haben.245 Den Grundsatz, dass niemand Richter in eigener Sache sein kann, setzt § 19 Abs. 1 BVerfGG um. Er besagt: «Wird ein Richter des Bun- desverfassungsgerichts wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, so entscheidet das Gericht unter Ausschluss des Abgelehnten …». Werden alle Mitglieder eines Senats abgelehnt, geht das deutsche Bundesverfas- 297 
§ 19 Recht auf den ordentlichen Richter 241StGH 1983/1/V, Urteil vom 15. Dezember 1983, LES 1984, S. 65 (66). 242Entscheidung vom 6. November 1931, in: ELG 1931, S. 34. 243StGH 1998/25, Urteil vom 24. November 1998, LES 1/2001, S. 5 (8). 244In StGH 2003/38, Urteil vom 3. Mai 2004, nicht veröffentlicht, S. 15 bringt der Staatsgerichtshof prozessökonomische Argumente ins Spiel, wenn er ausführt: «Es trifft zwar zu, dass abermals ein besonderer ad-hoc-Vorsitzender für die Verwal- tungsbeschwerdeinstanz hätte bestellt werden können, der dem Kollegium für die Entscheidung über die Befangenheit des erstbestellten ad-hoc-Vorsitzenden vorge- sessen hätte. Dies hätte aber zu einer Verfahrensverzögerung geführt». 245Vgl. auch Stotter, Verfassung, S. 180 f.
	        

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