Volltext: Liechtensteinisches Verfassungsprozessrecht

das Misstrauen auch in objektiver Weise zu rechtfertigen ist. Die innere Einstellung einer Richterperson, d.h. was sie in ihrem Innersten denkt oder fühlt, kann genauso wenig nachgewiesen werden, wie die Gedan- ken eines Straftäters bei der Begehung der Straftat.167Aus diesem Grund muss diese innere Haltung objektiviert werden, damit sie für alle in glei- cher Weise fassbar wird. Dazu bedient man sich der nach aussen hin wahrnehmbaren Umstände.168Massgebend ist, ob die subjektiven Ein- schätzungen und Befürchtungen der Verfahrensparteien oder der Rich- terperson sich auf Umstände stützen, die nach aussen hin für alle ein- leuchtend und nachvollziehbar sind.169Wenn also im Sinne dieser «sub- jektiv-objektiven Betrachtungsweise»170die von den Parteien oder von der Richterperson vorgebrachten Umstände den objektiv begründeten Verdacht einer Befangenheit hervorruft, ist schon die blosse Möglichkeit einer Befangenheit ausreichend.171Der Verdacht hat nicht erheblich oder gar offenkundig zu sein. Ebenso kann es auch keine Rolle mehr spielen, wenn die tatsächlichen Verhältnisse allenfalls anders liegen, weil dann wiederum der Beweis der Befangenheit erbracht werden müsste, was aber bei inneren Vorgängen unmöglich ist. Die tatsächliche Befangenheit kann und muss daher nicht nachgewiesen werden.172Es liegt nun einmal ganz in der Natur des Instituts der objektiven Befangenheit, die Ableh- nung von Richtern in Kauf zu nehmen, die tatsächlich überhaupt nicht befangen sind. Daher ist es auch für eine Richterperson nicht ehrenrüh- rig, wenn sie wegen Besorgnis der Befangenheit ausgeschlossen wird.173 281 
§ 19 Recht auf den ordentlichen Richter 167Kiener, Unabhängigkeit, S. 68 f. 168Kiener, Unabhängigkeit, S. 70 f. 169Kiener, Unabhängigkeit, S. 70 f. 170Kiener, Unabhängigkeit, S. 71; vgl. auch Wassermann, Richterablehnung, S. 478 f. Nach seiner Meinung dominiert jedoch tatsächlich das objektive Element. 171In diesem Sinne auch StGH 2001/38, Entscheidung vom 23. April 2002, nicht ver- öffentlicht, S. 10, wonach bei der Frage der Befangenheit eines Richters an sich schon ein begründeter Anschein der Befangenheit genügt. Diese Ansicht relativiert der Staatsgerichtshof aber gleichzeitig wieder auf derselben Seite der Entscheidung. Vgl. auch die in FN 177 angegebene Rechtsprechung. 172Siehe Grabenwarter, Verfahrensgarantien, S. 351. Auch der Staatsgerichtshof ver- langt keinen Beweis, sondern nur die Glaubhaftmachung. Siehe etwa StGH 2003/24, Urteil vom 15. September 2003, nicht veröffentlicht, S. 30 und 33; StGH 2003/92 und 2003/96, Urteil vom 28. September 2004, nicht veröffentlicht, S. 12; StGH 2004/36, Urteil vom 30. November 2004, nicht veröffentlicht, S. 20. 173So Roth, S. 918.
	        

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