Volltext: Liechtensteinisches Verfassungsprozessrecht

gegeben hätte, dass er nicht bereit wäre, seine damals vertretene Rechts- position erneut selbstkritisch zu überprüfen und gegebenenfalls seine Meinung zu ändern (öOGH-E vom 21.05.1990 EvBl. 1990/145, 743; mit zahlreichen Hinweisen auf die österreichische und deutsche Lehre und Rechtsprechung). Auch das schweizerische Bundesgericht hat in seiner Leitentscheidung zur Frage der Vorbefassung festgehalten, dass es zuläs- sig oder jedenfalls wenig problematisch ist, dass ein Gerichtspräsident oder ein Richter schon vor dem Sachentscheid prozessuale Anordnun- gen trifft oder Gesuche um vorsorgliche Massnahmen oder unentgelt - liche Rechtspflege behandelt (BGE 114a Ia 50 (57 Erw. 3d)».148 Ebenso begründet nach der Rechtsprechung des Europäischen Ge- richtshofes für Menschenrechte (EGMR) der Umstand, dass ein Richter vor dem Prozess Entscheidungen in demselben Verfahren getroffen hat, für sich genommen keine «objektiv berechtige Zweifel an der Unpartei- lichkeit des Richters». Vielmehr kommt es darauf an, «ob die vorher ge- troffene Entscheidung eine ähnliche Tragweite hatte wie die später im Rechtsstreit zu treffende».149 cc) Praktische Relevanz im Verfahren vor dem Staatsgerichtshof aaa) Rechtsprechung Nach dieser Rechtsprechung hätte ein Befangenheitsantrag wegen Vor- befassung gegen den Präsidenten oder stellvertretenden Präsidenten bzw. Vorsitzenden, die im verfassungsgerichtlichen Verfahren Be- schlüsse über Anträge auf vorsorgliche Massnahmen, auf Gewährung der aufschiebenden Wirkung oder Gewährung der Verfahrenshilfe ge- fasst haben, nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn sie nicht zu erkennen geben, dass sie bereit wären, ihre bei der Beschlussfassung vertretene Rechtsauffassung im Rahmen der Entscheidung in der Hauptsache selbst zu überprüfen und gegebenenfalls ihre Meinung zu ändern.150277 
§ 19 Recht auf den ordentlichen Richter 148StGH 2004/43, Urteil vom 29. November 2004, nicht veröffentlicht, S. 18 f.; vgl. dazu etwa auch die ausführliche Begründung des schweizerischen Bundesgerichts in 1P.115/2005, Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 3. Mai 2005, in: EuGRZ 2005, S. 618 ff.; für Deutschland siehe Klenke, S. 156. In der Lehre ist die Frage umstritten, ob eine Vorbefassung einen Befangenheitsgrund bildet. Vgl. Kie- ner, Unabhängigkeit, S. 166 f. und Roth, S. 916 ff. 149Meyer-Ladewig, S. 104, Rz. 30 mit Rechtsprechungshinweisen. 150StGH 2004/43, Urteil vom 29. November 2004, nicht veröffentlicht, S. 19.
	        

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