Volltext: Liechtensteinisches Verfassungsprozessrecht

Strafprozessordnung entsprechend anzuwenden (Art. 30 Abs. 1 StGHG). Die Strafprozessordnung verleiht dem Ministeranklageverfah- ren einen strafprozessualen Charakter.491Darauf deuten auch die Be- zeichnung der Verfahrensbeteiligten als Ankläger und Angeklagter hin. Die Rechte und Mitwirkungspflichten der Verfahrensbeteiligten ergeben sich demnach aus dem Staatsgerichtshofgesetz und der Strafprozessord- nung. Weder das Staatsgerichtshofgesetz noch die Strafprozessordnung sprechen beim Ankläger und Angeklagten explizit von Prozessparteien. Dennoch sind sie die Parteien des Strafprozesses – hier des Ministeran- klageverfahrens – wie der Kläger und der Beklagte die notwendigen Pro- zessparteien eines streitigen Zivilprozesses sind. Sowohl Ankläger und Angeklagter als auch Kläger und Beklagter bedingen einander gegensei- tig. Der moderne Strafprozess ist denn auch im Gegensatz zum Inquisi- tionsprozess, bei dem der Beschuldigte (Angeklagte)492als Objekt vor Gericht stand, bis zu einem gewissen Grad als Parteienprozess kon - zipiert.493Dieser Grundsatz ist in Österreich verfassungsrechtlich in Art. 90 Abs. 2 B-VG verankert, der in «programmatischer Form» den Anklageprozess für das österreichische Strafverfahren festlegt. Die liech- tensteinische Verfassung ordnet in Art. 100 Abs. 1 ebenfalls das Ankla- geprinzip in Strafsachen an. Die rechtliche Konsequenz für die Stellung des Beschuldigten bzw. Angeklagten im Strafverfahren daraus ist, dass er nicht bloss als Beweisobjekt, sondern als Prozesssubjekt zu betrachten ist, das in der Eigenschaft einer Verfahrenspartei auftritt.494 Der Strafprozess unterscheidet sich vom Zivilprozess dadurch, dass den Parteien in bestimmten Verfahrensstadien nicht die gleichen 225 
§ 13 Ministeranklageverfahren 491Nach Stotter, Kompetenzkatalog, S. 169 fungiert der Staatsgerichtshof im Minister- anklageverfahren als Strafgericht. Ossenbühl, Tatsachenfeststellungen, S. 474 spricht im Zusammenhang mit dem Präsidenten- und Richteranklageverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht von «quasi-strafrechtlichen» Verfahren. 492Bertel/Venier, S. 62, Rz. 267 weisen darauf hin, dass Beschuldigter im weiteren Sinne die Person ist, gegen die ein Strafverfahren durchgeführt wird. § 38 öst. StPO bezeichnet diese Person je nach Verfahrensart und Verfahrensstadium als Beschul- digten, Angeklagten oder Verdächtigen. 493Vgl. Seiler, Strafprozessrecht, S. 44, Rz. 169. 494So Seiler, Strafprozessrecht, S. 55, Rz. 206 unter Hinweis auf VfSlg 5235, 10.291 und 11.923; siehe auch Öhlinger, Verfassungsrecht, S. 406, Rz. 971, der diese Ableitung des Verfassungsgerichtshofes unter dogmatischen Gesichtspunkten zumindest als fragwürdig erachtet.
	        

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