Volltext: Liechtensteinisches Verfassungsprozessrecht

richt292im Sinne dieser Gesetzesbestimmung zu qualifizieren ist. Der Verwaltungsgerichtshof ist schon begrifflich293ein Gericht und ent- spricht auch aus organisatorischer Sicht den Voraussetzungen eines Ge- richts, denn die Organwalter (Richter) dieser Behörde sind im Unter- schied zu einer Verwaltungsbehörde unabhängig, weisungsfrei und sind gegen ihren Willen nur auf Grund eines genau normierten Verfahrens und förmlichen Urteils294ab- und versetzbar. Der Staatsgerichtshof kann selbstverständlich nicht an sich selbst vorlegen. Er ist jedoch unter bestimmten Voraussetzungen von Gesetzes wegen befugt, eine amtswegige inzidente Verfassungsmässigkeitsprü- fung eines Gesetzes vorzunehmen. Der Rechtspfleger ist grundsätzlich mangels voller sachlicher Un- abhängigkeit keine «Gerichtsbehörde» und kann daher ebenso wenig wie Gerichtsorgane oder Richter in einem Justizverwaltungsverfahren einen Prüfungsantrag stellen.295Er kann aber ausnahmsweise dann die Stellung eines «Gerichts» einnehmen, wenn er «Geschäfte der Gerichts- barkeit erster Instanz» besorgt, die ihm mit Gesetz übertragen werden, das die Arten solcher Geschäfte genau zu bezeichnen hat. Er tritt in die- sem Fall an die Stelle des erstinstanzlichen Gerichts (Landgericht), so dass die Frage der Weisungsgebundenheit nicht massgebend sein kann, zumal das Staatsgerichtshofgesetz nicht auf die Art der Geschäfte ab- stellt, die ein Gericht zu erledigen hat. Würde man allerdings auf die 169 
§ 10 Normenkontrollverfahren 292Siehe zur früheren Rechtslage Wille, Normenkontrolle, S. 179 ff. Er stellt fest, dass die Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes die Verwaltungsbeschwerdeinstanz den ordentlichen Gerichten gleichsetzt. In StGH 2002/72, Entscheidung vom 30. Juni 2003, nicht veröffentlicht, S. 5, wiederholt der Staatsgerichtshof erneut seine stän- dige Rechtsprechung unter Bezugnahme auf die bisherige Praxis und Lehre, wonach die Verwaltungsbeschwerdeinstanz ein Gericht im Sinne des Art. 28 Abs. 2 StGHG und daher antragslegitimiert ist. Siehe auch Kley, Grundriss, S. 195. Nach Sprenger, S. 338 f. handelt es sich bei der Verwaltungsbeschwerdeinstanz ganz eindeutig um ein Verwaltungsgericht. 293Vgl. zur alten Rechtslage StGH 1980/7, Urteil vom 10. November 1980, LES 1982, S. 1 (2), wo der Staatsgerichtshof festhält: «Die Verwaltungsbeschwerdeinstanz ist auf Grund von Art. 98 der Verfassung ein Gericht, auch wenn sie nicht ausdrück- lich als solches bezeichnet ist». 294Öhlinger, Verfassungsrecht, S. 252 f., Rz. 605 und Pestalozza, Verfassungsprozess- recht, S. 203, Rz. 3; vgl. zu den Anforderungen, die etwa Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK an ein Gericht stellt, Meyer-Ladewig, Hk – EMRK, Art. 6 Rz. 29. 295Vgl. Benda/Klein, S. 332, Rz. 778.
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.