Volltext: Liechtensteinisches Verfassungsprozessrecht

Regelung treffen auch die besonderen Verfahrensvorschriften zum Ge- setzes- und Staatsvertragsprüfungsrecht. Im Verordnungsprüfungsver- fahren liegt der Hauptanwendungsfall in der Prüfung einer Verordnung, welche die Regierung erlassen hat. Äusserungs- und Beitrittsberechtigte (Art. 18 Abs. 3 StGHG) bedeuten gleichviel wie belangte Behörde nach der Individualbeschwerde (Art. 15 StGHG). Man könnte vor diesem Hintergrund für das liechtensteinische Individualantragsverfahren auf Überprüfung von Gesetzen wie auch von Staatsverträgen argumentie- ren, dass es auch in diesen Verfahren eine belangte Behörde gibt und nicht nur im Individualantragsverfahren auf Verordnungsprüfung in Form der verordnungserlassenden Behörde. Dies könnte mit der gesetz- lichen Konzeption des Individualbeschwerdeverfahrens begründet wer- den. In diesem Verfahren ist belangte Behörde diejenige, die den ange- fochtenen Hoheitsakt gesetzt hat, und zwar unabhängig davon, ob er individuell-konkret oder generell-abstrakt wirkt. Würde der Gesetz - geber auf Grund dieser Überlegung tatsächlich die Stellung einer be- langten Behörde im Individualantragsverfahren einnehmen,231erhielte er nach Art. 38 StGHG die gleichen Rechte im Verfahren wie die Parteien. Der Gesetzgeber würde mit anderen Worten zum Verfahrensbeteiligten im engeren Sinne. Das deutsche Recht entspricht dieser These. Es versteht den Ge- setzgeber im Individualantragsverfahren einer Gesetzesprüfung als be- langte Behörde, weil er den angefochtenen Hoheitsakt (Gesetz) erlassen hat. Das deutsche Verfassungsprozessrecht normiert nämlich für das Rechtssatzverfassungsbeschwerdeverfahren232sowohl ein Äusserungs- als auch ein Beitrittsrecht derjenigen Verfassungsorgane, deren Hand- lungen oder Unterlassungen vom Beschwerdeführer beanstandet wer- den. Diesen Bestimmungen und auch jenen, die die Äusserungs- und Beitrittsrechte für die Normenkontrollverfahren regeln, liegt der Ge- danke zu Grunde, dass über eine Rechtsnorm nicht endgültig entschie- den werden soll, ohne dass vorher die am Rechtssetzungsakt hauptsäch- lich beteiligten Organe Stellung nehmen konnten.233Neben dem Bun- 155 
§ 9 Individualantragsverfahren 231Art. 15 Abs. 3 i.V.m. Art. 17 Abs. 2 und 20 ff. StGHG. 232Dies ist die deutsche Terminologie für den Individualantrag. Siehe § 94 Abs. 4 i.V.m. Abs. 5 und § 77 BVerfGG. 233Vgl. allgemein zur prozessualen Stellung der Äusserungsberechtigten in den Nor- menkontrollverfahren nach deutschem Recht Frehland, S. 20 ff.
	        

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