Volltext: Liechtensteinisches Verfassungsprozessrecht

bb) Rechtsvergleiche Dem österreichischen Gesetzgeber stehen im Gesetzesprüfungsverfah- ren keine Rechte zu.229Es ist neben dem Antragsteller zur Vertretung eines angefochtenen Bundesgesetzes die Bundesregierung und zur Ver- tretung eines angefochtenen Landesgesetzes die Landesregierung zur Verhandlung zu laden (§ 63 Abs. 1 VfGG) und die berufene Regierung ist zu einer rechtzeitigen schriftlichen Gegenäusserung aufgefordert (§ 63 Abs. 2 VfGG). Stellt man das Gesetzes- und das Verordnungsprüfungsverfahren einander gegenüber, wird ersichtlich, dass einerseits im Verordnungs- prüfungsverfahren neben der obersten Verwaltungsbehörde auch der - jenigen Behörde, die die Verordnung erlassen hat, Beteiligtenstellung eingeräumt wird und andererseits im Gesetzesprüfungsverfahren, dem Gesetzgeber, der die Gesetze erlassen hat, keine Beteiligtenstellung zu- kommt, er m.a.W. durch die jeweils zuständige Regierung vertreten wird. Im österreichischen Recht sind die Normenkontrollverfahren und ebenso die Individualantragsverfahren kontradiktorisch konzipiert. Man müsste demzufolge annehmen, dass es wie im Bescheidbeschwerdever- fahren auch im Individualantragsverfahren eine belangte Behörde gibt, die beim Individualantrag auf Überprüfung der Verfassungsmässigkeit eines Gesetzes oder einzelner Bestimmungen des Gesetzes das staatliche Organ sein müsste, welches das angefochtene Gesetz erlassen hat. Das ist – wie dargestellt – nicht der Fall. Die Gründe dürften im parlamentari- schen Regierungssystem zu suchen sein, wonach die Gesetzesinitiative zur Hauptsache nicht mehr vom Gesetzgeber, sondern faktisch von der Exekutive in Form der Regierungsvorlagen ausgeht.230 Das Staatsgerichtshofgesetz erkennt in Übereinstimmung mit dem österreichischen Recht der Regierung im Gesetzesprüfungsverfahren ein Äusserungs- und Beitrittsrecht zu (Art. 20 Abs. 3 StGHG). Eine gleiche 154Verfassungsgerichtliche 
Verfahren 229Siehe Art. 140 B-VG i.V.m. § 63 VfGG. 230Vgl. dazu auch Wollweber, S. 414 f., der darauf hinweist, dass sich die Gesetzgebung heute meist unter Einbezug der Ministerialbürokratie vollzieht, wodurch die Regie- rung zum informellen Gesetzgeber avanciert, dessen Einflussnahme auf das Norm- setzungsverfahren von einer rechtstechnisch-redaktionellen Assistenz bis zur domi- nierenden inhaltlichen Gestaltung reichen kann. Zu einem ähnlichen Ergebnis für das liechtensteinische Gesetzgebungsverfahren kommt Wille, Normenkontrolle, S. 150, wenn er schreibt: «Aus heutiger Sicht hat sich die Gesetzgebungsarbeit zu ei- nem grossen Teil vom Landtag auf die exekutive Seite verschoben».
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.