II.Individualantragsverfahren A.Beschwerdeführer 1.Begriffsumschreibung und Charakterisierung des Individualantrags Der Antragsberechtigte im Individualantragsverfahren wird in Art. 15 Abs. 3 StGHG Beschwerdeführer genannt. Es handelt sich um den Be- schwerdeführer, der behauptet, durch ein Gesetz, eine Verordnung oder einen Staatsvertrag in einem seiner verfassungsmässig gewährleisteten Rechte oder in einem seiner durch internationale Übereinkommen ga- rantierten Rechte, für die der Gesetzgeber ein Individualbeschwerde- recht ausdrücklich anerkannt hat, unmittelbar verletzt zu sein und die jeweilige Rechtsvorschrift ohne Fällung einer Entscheidung oder Verfü- gung der öffentlichen Gewalt für ihn wirksam geworden ist. Art. 17 Abs. 2 StGHG, der das Individualantragsverfahren regelt und zu den besonderen Verfahrensvorschriften des Staatsgerichtshofge- setzes zählt, schreibt vor, dass der Staatsgerichtshof im Individualan- tragsverfahren nach Art. 18 bis 23 StGHG vorzugehen hat. Sie enthalten die besonderen Vorschriften für das Gesetzes-, Verordnungs- und Staatsvertragsprüfungsverfahren. Der Gesetzgeber konnte hier zum Mittel der Gesetzesverweisung greifen. Daraus ergibt sich, dass die ge- nerell-abstrakte Rechtsvorschrift, die vom Beschwerdeführer beanstan- det wird, auch die anzuwendenden Verfahrensvorschriften bestimmt. Beim Individualantrag handelt es sich nämlich um eine «Art von Nor- menkontrolle». Er passt zwar nicht ganz in das Schema der Normen- kontrolle, wird aber gleichwohl zur Normenkontrolle, da an die Stelle der Präjudizialität die unmittelbare Betroffenheit tritt.202Der gesetzes- technische Vorgang der Verweisung innerhalb des Staatsgerichtshofge- setzes macht jedenfalls deutlich, dass der Individualantrag nach liechten- steinischem Recht auf Grund der materiell-rechtlichen und verfahrens- rechtlichen Bestimmungen ein gemischtes Rechtsinstitut aus Individual- 146Verfassungsgerichtliche
Verfahren 202Öhlinger, Verfassungsrecht, S. 419, Rz. 1003; für Deutschland Benda/Klein, S. 203, Rz. 479, die festhalten, dass die Rechtssatzverfassungsbeschwerde in Verfahren und Wirkung der konkreten Normenkontrolle sehr ähnlich ist.