Volltext: Kleinstaaten in Europa

Habsburgers24bei der nächsten Vakanz im Kaisertum die Siegespalme davontragen würde, ging es aus Pariser Sicht nun um das Wohl und Wehe der Monarchie schlechthin: mit einem möglichen Kaiser direkt an der Ostflanke des Königreichs, also eines Kleinstaatfürsten, dem nun auf einmal ganz andere Ressourcen zur Verfügung gestanden hätten. Paris nutzte militärisch und diplomatisch konsequent die erste sich bietende Gelegenheit, einen Konflikt um eine im fernen Polen vor sich gehende Doppelwahl,25um eine Lösung zu erzielen, die mit seinen Interessen kompatibel war. Im Wiener Frieden von 1735/38 wurde der Gemahl Ma- ria Theresias mit dem toskanischen Grossherzogtum abgefunden, dessen Medici-Dynastie gerade vor dem Aussterben stand, während Lothrin- gen, um den Schein zu wahren, zunächst in den Besitz des Schwiegerva- ters Ludwigs XV., des entthronten und glücklosen polnischen Ex-Kö- nigs Stanislaw Leszczynski, überging, nach dessen Ableben es dann an die Krone Frankreich direkt fallen sollte – was in den 1760er Jahren dann auch tatsächlich geschah und im übrigen eine rasche Französisierung des Raums nach sich zog. Das Entscheidende bei diesem Tauschgeschäft war, dass ganz Europa es goutierte, weil alle Beteiligten einsahen, dass ein Kaiser als möglicher direkter Nachbar des Bourbonenstaates schlecht anging, den Bourbonen zu viel zumutete. Selbstredend ist der Umkehrschluss erlaubt, dass eine direkte Nachbarschaft zweier Staaten oder Fürsten mit Grossmachtanspruch zumindest als problematisch empfunden wurde und die politische Philosophie es nicht für verwerf- lich hielt, zur Vermeidung eines Dauerkonflikts hier Entflechtungen und Entzerrungen zuzustimmen. Die stets prekäre Lage zwischen zwei Grossmächten hat die loth- ringischen Herzöge früh darüber reflektieren lassen, ihr Land sicherer zu stellen. Es gibt aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nicht nur eine ganze Reihe von Bemühungen, den Kleinstaat in einem anstehenden Konflikt, also fallweise, für neutral zu erklären, sondern sogar, für ihn das Institut der immerwährenden Neutralität zu reklamieren. Das war völkerrechtlich etwas Neues, weshalb es den lothringischen Herzögen 88Heinz 
Duchhardt 24Über Franz Stephan von Lothringen vgl. jetzt zusammenfassend den Essay von Alois Schmid in: Die Kaiser der Neuzeit 1519–1918, hrsg. von Anton Schindling und Walter Ziegler, München 1990. 25John L. Sutton, The King’s Honor and the King’s Cardinal. The War of the Polish Succession, Lexington 1980.
	        

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