Volltext: Kleinstaaten in Europa

schen Staaten ausscheidet, sondern auch ein so «spannendes» Fallbeispiel wie das Herzogtum Kurland. Dieses Exemplum, ein Kleinstaat also, der definitiv seit 1561 von der Krone Polen zu Lehen ging, böte ein beson- ders schönes Anschauungsmaterial, weil sich auf seinem Boden gewisser- massen die Interessen von gleich vier grösseren Nachbarmächten über- schnitten: die Polens, die Russlands, die Schwedens und die Dänemarks – Staaten, die im übrigen auch über das Konnubium mit der beileibe nicht strahlenden Kettler-Dynastie versuchten, ihren Einfluss zu sichern oder zu steigern. Nach dem Ende der Kettler-Dynastie (1737) und unter einer neuen Dynastie, den Biron, die aber gegenüber einem selbstbewussten Adel und vor dem Hintergrund der komplizierten Mächtekonstellation in der Region erhebliche Schwierigkeiten hatte, sich zu etablieren, sollte es mit der relativen Selbständigkeit des Herzogtums Kurland dann zu seinem Ende kommen. Sein formales Ende fand es erst in der 3. Teilung Polens (1795). Kurland wäre auch insofern ein unter der Fragestellung «internationales System» reizvolles Untersuchungsobjekt, weil es mit seinen Eckdaten mit denen der Frühen Neuzeit fast identisch ist.10 Wenn jetzt vor dem Hintergrund der beiden angelegten «harten» Kriterien eine Zwischenbilanz gezogen wird, dann bleibt nicht sehr viel übrig: die Schweiz vielleicht, Lothringen vielleicht, auch wenn immer noch letzte Reste von Lehensbindungen im Spiel geblieben waren, Sa- voyen möglicherweise, obwohl der Alpenstaat spätestens seit der Mitte des 17. Jahrhunderts seines unverkennbaren Ehrgeizes und seines die «Conjuncturen» geschickt ausnützenden mächtepolitischen Aufstiegs die Kriterien eines Kleinstaats schnell hinter sich liess,11die mittelitalie- nischen Fürstentümer allemal; die halbsouveränen Donaufürstentümer mit ihrem mehr oder weniger ausgeprägten Nahverhältnis zur Pforte sollen hier ebenfalls ausgeklammert bleiben. Grossmächte oder jeden- 83 
Kleinstaaten zwischen den Grossreichen 10Die Forschungslandschaft zu Kurland ist seit den 1990er Jahren wieder dichter ge- worden. Dafür stehen z. B. die von Erwin Oberländer herausgegebenen Bände Das Herzogtum Kurland 1561–1795. Verfassung, Wirtschaft, Gesellschaft, Lüneburg seit 1993; in Bd. 2 (2001) findet sich eine Bibliographie des kurlandbezogenen Schrifttums aus den 1990er Jahren, das diesen Aufschwung schön spiegelt. Ein- schlägig für das hier zur Diskussion stehende Thema ist u. a. die Saarbrücker Dis- sertation von Klauspeter Strohm, Die Kurländische Frage (1700–1763). Eine Studie zur Mächtepolitik im Ancien Régime (1997, erschienen 1999). 11Vgl. mit weiteren Literaturhinweisen Heinz Duchhardt, Balance of Power und Pen- tarchie. Internationale Beziehungen 1700–1785, Paderborn [usw.] 1997, S. 194–197.
	        

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