Volltext: Kleinstaaten in Europa

Die Stadt als alternatives Modell zu adeliger Herrschaft übte eine grosse Faszination auf ihr Hinterland aus. Zürich, Bern, Luzern oder Strassburg wurden zu Stadtstaaten nicht zuletzt dadurch, dass Zehntau- sende von Bauern ins Bürgerrecht der Stadt traten, ohne in die Stadt zu ziehen – Pfalbürger ist der dafür gebräuchliche terminus technicus der kaiserlichen Kanzlei. Von Italien bis in die Niederlande ist belegt, dass 
es Stadtstaatenohne das Pfalbürgerwesen nicht oder nicht in dem Umfang gegeben hätte.44 Der Stadtstaat war in Europa nicht durchgängig ein Erfolgsmodell. Nur wo er in grössere Bündnissysteme eingebunden wurde, wie in der Eidgenossenschaft und den Niederlanden, hat er sich behaupten können, in Italien ist er einer Aristokratisierung, im Reich oft einer vom Kaiser geförderten Oligarchisierung zum Opfer gefallen. Wichtig ist festzuhalten, dass republikanisch im Alten Europa nicht auf städtisch verkürzt werden darf. Republikanisch gab es auch auf ländlich. In beiden Fällen setzt das Gemeinden voraus. Dafür wäre wohl der Begriff «praktischer Republikanismus» angemessen, weil eine zeit- genössische theoretische Durcharbeitung im Gegensatz zum klassischen Republikanismus nicht erfolgt ist. Die Theorie des praktischen Republi- kanismus steckt allenfalls ansatzweise in der europäischen Korporati- onstheorie. Erst Jean-Jacques Rousseau hat den praktischen Republika- nismus in der Theorie des «Contrat social» verarbeitet. Der Gesell- schaftsvertrag selbst ist in seinen Bauelementen eine 
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Alternativen zur frühmodernen Staatsbildung im Kleinterritorium 44Guy P. Marchal, Pfahlburger, bourgeois forains, buitenpoorters, bourgeois du roi. Aspekte einer zweideutigen Rechtsstellung, in: Rainer C. Schwinges (Hrsg.), Neu- bürger im späten Mittelalter. Migration und Austausch in der Städtelandschaft des alten Reiches 1250–1550 (Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 30), Berlin 2002, S. 333–367. – Peter Blickle, Pfalbürger schwäbischer Reichsstädte. Ein Beitrag zur Konstruktion der Leibeigenschaft, in: Johannes Burkhardt/Thomas Max Safley/Sabine Ullmann (Hrsg.), Geschichte in Räumen. Festschrift für Rolf Kiess- ling zum 65. Geburtstag, Konstanz 2006, S. 51–71. 45Die Argumente für die Zuschreibungen entfaltet bei Peter Blickle, Rousseaus «Con- trat social» als Theorie der mittelalterlichen Gemeinde, in: Stadt und Land. Bilder, Inszenierungen und Visionen in Geschichte und Gegenwart. Wolfgang von Hippel zum 65. Geburtstag, Stuttgart 2001, S. 391–407.
	        

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