(6. August 1806) war vom dualistischen Hoheitsverständnis der alten feudalen Reichstradition nichts mehr übrig geblieben. Der Umsturz war total. Keine Verfassung. Der alte Landesbrauch wurde aufgehoben. An seine Stelle traten die in Wien verfassten Dienstinstruktionen, eine Art fürstliche Gebrauchsanweisungen an obrigkeitliche Beamte, wie sie den absoluten Machtanspruch durchzusetzen hatten.16 Gemäss den Bundesakten waren die Herrscher, nach aussen, also im Verkehr mit anderen Staaten, dem Buchstaben nach völlig unabhän- gig. Napoleon aber verlangte von den Rheinbundstaaten militärische Unterstützung. Liechtenstein musste für ein Truppenkontingent von 40 Mann aufkommen. Nassau übernahm gegen Bezahlung die Stellung der Truppe. Die aussenpolitische Entwicklung Liechtensteins erreichte im Fünften Koalitionskrieg 1809 einen geradezu surrealistischen Höhe- punkt: Als souveräner Regierer im Rheinbundstaat (wenn auch nur in Vertretung seines minderjährigen Sohnes Karl) kämpft Johann I. als österreichischer General an vorderster Spitze in den Schlachten von As- pern und Wagram. Theoretisch auch gegen das von ihm bezahlte nas- sauische Kontingent im Dienste Napoleons. Nach der Demission von Erzherzog Karl übernahm der österreichische Feldmarschall und Rhein- bundsouverän Fürst Liechtenstein erneut die Führung der Friedensver- handlungen mit Napoleon, die zum Frieden von Wien führten. Und just in diesem Zeitpunkt versuchte Bayern zum zweiten Mal, das Fürstentum zu annektieren. Offensichtlich verhinderte dies Napoleon. Am 7. De- zember 1813 erklärte der Fürst den Austritt aus dem Rheinbund gegen- über dem österreichischen Kaiser bei Zusicherung des Fortbestandes der Souveränität des Fürstentums. Preussen und Russland gaben ähnliche vertragliche Zusicherungen.17233
200 Jahre souveränes Fürstentum Liechtenstein 16Malin 1955, S. 55–58; Wortlaut der Dienstinstruktionen vom 7. Oktober 1808: Os- pelt 1981, S. 247–258. Den in Wien tätigen Bürokraten mussten Volksrechte und De- mokratie als ein bösartiges Phantom erschienen sein. Noch um 1803 meinte der Rechtsphilosoph Jakob Fries: «Demokratische Verfassungen findet man nur bey sehr kleinen Staaten, besonders bey geringen Haufen roher Bergbewohner ...», zi- tiert nach: Wildhaber 1982, S. 136–137. 17Bayern lief schon im Vertrag von Ried vom 8. Oktober 1813 zu den Alliierten über. Liechtenstein wartete bis zum 7. Dezember, und erst als der Fürst die Souveränität garantiert sah, trat er am 7. Dezember 1813 der Koalition bei. Press 1984, S. 63.
