KAPITEL 2 LIECHTENSTEIN UNTER DEN BEDINGUNGEN DER EUROPÄISCHEN
INTEGRATION 1.Die europäische Integration Der Begriff «europäische Integration» kam nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Gebrauch, um den Prozess wie auch das Ziel einer enge- ren Verbindung zwischen den westeuropäischen Staaten zu beschreiben. Der Begriff war offen und vage genug, um verschiedene Wege und For- men von Integration abzudecken. Das Vorhaben «europäische Integra- tion» ist massgeblich verknüpft mit dem Europarat sowie der Europäi- schen Union (EU) als der Zusammenfassung der Europäischen Gemein- schaften. Es sind die beiden am weitesten ausgebildeten europäischen Organisationen (parlamentarische Einrichtungen, exekutivische Organe, Gerichtshöfe) mit eigenen Kompetenzen und weit angelegten Zielen.11 Der 1949 gegründete Europarat war ursprünglich als die zentrale Organisation gedacht, mit der
«Aufgabe, eine engere Verbindung zwi- schen seinen Mitgliedern [...] herzustellen und ihren wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt zu fördern.»(Art. 1 lit. a des Statuts) Von den Zuständigkeiten ausgenommen waren Fragen der nationalen Verteidi- gung (Art. 1 lit. d des Statuts). Das eigenständig verfolgte politische Projekt einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft scheiterte 1954 am Widerstand Frankreichs. Daraufhin wurde auch das geplante ambitiöse Vorhaben der Europäi- schen Politischen Gemeinschaft (EPG) abgebrochen. In den Vorder- grund trat wieder das funktionalistische Modell einer Integration nach Sachbereichen.12Bereits 1951 war von Deutschland, Frankreich, Italien und den BENELUX-Staaten die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) gegründet worden. 1957 wurden von den gleichen sechs Ländern in Rom die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und die Europäische Atomgemeinschaft EURATOM (EAG) ins Leben 20Gerard
Batliner 11Vgl. Jaenicke, Günther, European Integration, in: Encyclopedia of Public Interna- tional Law, Bd. II, S. 240 ff. 12Dazu schon früh Riklin, Alois, Die Europäische Gemeinschaft im System der Staa- tenverbindungen, Bern 1972.
