Volltext: Kleinstaaten in Europa

staaten die Rolle von Barometern. In einem Haus von Nicht-Meteoro- logen dürfte der Einrichtungsgegenstand des Barometers eine geringe, um nicht zu sagen, eine nichtige Bedeutung haben. Das ist die realisti- sche Interpretation des Barometer-Bildes. Der politische Realismus ist einigermassen Kleinstaaten-unfreundlich. Er sieht sie wegen ihrer gerin- gen militärischen Macht als fortlaufend bedroht an: Abhilfe gibt es nur, wenn sie sich einem Grossstaat unterwerfen oder anschliessen. Nun freilich können sich interessante Verbindungen zwischen den Theorien ergeben. In Europa ist in einem bescheidenen Rahmen – aber immerhin – eine gemeineuropäische Öffentlichkeit mit internationaler Presse entstanden, was notwendigerweise aus der erfolgreichen wirt- schaftlichen Integration folgt. Die politischen Ideen des internationalen Liberalismus spielen in dieser europäischen Öffentlichkeit eine grosse Rolle, da in Europa während Jahrhunderten bis 1945 Krieg geführt wor- den ist.29Nicht zuletzt gründete sich der Widerstand Frankreichs und Deutschlands gegen den Irak-Krieg von 2003 darauf. Die entsprechen- den Werte hebt der Vertrag über die Europäische Union30prominent in Art. 6 Abs. 1 hervor: «Die Union beruht auf den Grundsätzen der Frei- heit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grund - freiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit; diese Grundsätze sind allen Mitgliedstaaten gemeinsam.» Diese politischen Ideen sind, wie erwähnt, machtvolle Ideen, die im öffentlichen Diskurs angerufen werden können. Hier kann nun, wie das Beispiel der Österreich-Quarantäne zeigt, die machtvolle politische Idee in der entsprechend sensiblen Öffentlich- keit zu einer machtpolitischen Schachfigur im Sinne des Realismus wer- den. Die «guten», liberalen Ideen von Freiheit und Frieden werden auf diesem Spielfeld zu machtpolitischen, realistischen Instrumenten, um ei- nen Staat öffentlichem Druck auszusetzen. Und wenn das nicht genügt, können die idealistischen guten Ideen sogar dazu eingesetzt werden, um den realistischen Einsatz von Macht vor den Augen der Öffentlichkeiten zu verhüllen. Das ist im Falle von Österreich geschehen, als unter Anru- 202Andreas 
Kley 29Karl Schmid (vgl. Anm. 8, S. 55) zieht daraus den durchaus richtigen Schluss, dass bis in die jüngste Geschichte hinein Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Humanität in Grossbritannien und Nordamerika besser aufgehoben waren als in Europa. 30Amtsblatt Nr. C 325 vom 24. Dezember 2002.
	        

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