Volltext: Kleinstaaten in Europa

sowie der Deutsche Jochen Frowein (ehem. Mitglied der Europäischen Menschenrechtskommission und Professor).21Die als die sog. «drei Wei- sen» bezeichneten Persönlichkeiten besuchten Österreich und führten mit politischen Exponenten Gespräche. Am 8. September wurde der Be- richt beim damaligen Präsidenten des Europäischen Rates, Jacques Chi- rac, in Paris abgeliefert.22In Bezug auf die Rechte von Minderheiten und Flüchtlingen in Österreich stellten die drei Weisen fest, dass die österrei- chische Regierung für die gemeinsamen europäischen Werte eintritt. Die Beachtung der Rechte von Minderheiten, Flüchtlingen und Einwandern sei auf EU-Niveau. Bei den Rechten nationaler Minderheiten könnten die österreichischen Standards jenen der EU-Mitgliedstaaten gar als überlegen angesehen werden (Ziff. 108). Die drei Weisen empfahlen – für die EU–14 wenig schmeichelhaft – die Aufhebung der «bilateralen» Sanktionen gegen Österreich, da diese einen kontraproduktiven Effekt hätten (Ziff. 116). Am 12. September 2000 beschlossen die EU–14 denn auch die Aufhebung der bilateralen Sanktionen gegen Österreich.23 Der Vorgang dieser «Österreich-Quarantäne» ist in der Geschichte der europäischen Einigung nach dem Zweiten Weltkrieg einmalig. Ein kleiner Mitgliedstaat der EU wird wegen der Beteiligung einer rechtspo- pulistischen Partei an der Regierung von den 14 andern Mitgliedern – allerdings auch zum Teil Kleinstaaten – sanktioniert. Die Massnahme muss als einmaliger Fehlschlag bewertet werden; sie wurde denn später auch förmlich totgeschwiegen. Der Bericht der drei Weisen hat als Aus- stieg aus den Sanktionen gedient. Die Sanktionen selbst haben ihr Ziel verfehlt, die Regierung wurde gleichwohl gebildet und der österrei- chische Staatspräsident hatte von sich aus Kautelen im Koalitionsvertrag für die Einhaltung der Grundrechte verlangt (vgl. Ziff. 52). Die Sanktio- nen haben im Gegenteil in Österreich eine starke Verärgerung gegen die EU ausgelöst, die bis heute andauert. Die rasche Identifikation einer rechtspopulistischen Partei mit durchaus zwiespältigen politischen Ex- 199 
Der Kleinstaat in suprastaatlichen Einigungen 21Vgl. NZZ vom 13.7.2000, S. 1; ferner die Portraits der drei Persönlichkeiten: NZZ vom 15.7.2000, S. 5 (Frowein), vom 19.7.2000, S. 5 (Ahtisaari) und 20.7.2000, S. 5 (Oreja). 22Vgl. den Wortlaut des Berichts: Martti Ahtisaari, Jochen Frowein, Marcellino Oreja, Österreich-Bericht für 14 Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 8.9.2000, EuGRZ 2000, S. 404 ff. (im Folgenden wird nach Ziffern aus diesem Bericht zitiert). 23Vgl. das Communiqué vom 12.9.2000 der französischen Präsidentschaft, EuGRZ 2000, S. 416.
	        

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