Volltext: Kleinstaaten in Europa

den einfachen Schluss ziehen, dass sie – wie dies ursprünglich beabsich- tigt worden ist12– in der EU nicht nur nichts zu fürchten haben, sondern sogar besonders gut aufgehoben sind.13Dieser Schluss wird in der öf- fentlichen Diskussion vielfach gezogen, insbesondere von all jenen, die den Noch-nicht-Mitgliedern den Beitritt zur EU schmackhaft machen wollen. So hatte der damalige Bundesrat Ogi am 12. Mai 1992 (vor der NEAT-Abstimmung vom 27. September und der EWR-Abstimmung vom 6. Dezember 1992) in einer Rede vor dem schweizerischen Institut für Auslandforschung die bekannten Argumente vorgetragen. Danach ist die Schweiz ein Europa im Kleinen, und Europa könne viel von der Schweiz und ihren Erfahrungen profitieren. Nach innen beruhigte er das Volk mit der Feststellung, die EG strebe nicht die Auflösung der Mit- gliedstaaten an, vielmehr sei die Zukunft offen. Bei wichtigen Beschlüs- sen sei eine Einstimmigkeit nötig und die kleinen Staaten seien sowieso überproportional vertreten.14 Dieses Argument ist wenig überzeugend, wenn es nicht mit einem weiteren verfahrensrechtlichen Aspekt verbunden wird. Die Mitglied- schaft in der EU gibt jedem Staat – sei er nun klein oder gross – das Recht, in den Entscheidungsprozessen Argumente vorzutragen, Mass- nahmen mitzugestalten und vor allem Vorschläge einzubringen.15Das bedeutet in der Sache zwar nicht, dass die Kleinstaaten dank ihrer über- proportionalen Vertretung ihre Anliegen nun gegen die grossen Staaten durchsetzen könnten. Denn den Gegensatz zwischen kleinen und gros- sen Staaten gibt es bei den sachpolitischen Fragen nicht. Es ist vielmehr entscheidend, dass die Kleinstaaten durch ihre Mitgliedschaft im Prozess mitbeteiligt sind. Sie setzen dabei ihre jeweils problemspezifischen Inte- 196Andreas 
Kley 12Vgl. Michael Kreile/Helga Michalsky, Kleinstaaten im Prozess der europäischen In- tegration, in: Festgabe für Gerard Batliner zum 65. Geburtstag, hrsg. von Alois Riklin, Luzius Wildhaber und Herbert Wille, Basel/Frankfurt a.M. 1993, S. 229 ff. (S. 231); Heinrich Neisser, Die Rolle der Kleinstaaten in der Europäischen Union, in: Zeitschrift für Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht und Europarecht 36/1995, S. 244 ff. (S. 246). 13Vgl. z.B. an Stelle vieler Markus Haefliger, Die Rechte der Kleinstaaten sind in der EU gut aufgehoben, NZZ am Sonntag vom 5.10.2003, Nr. 40, S. 23. 14Vgl. Adolf Ogi, Die Rolle der kleinen Länder in der EG, Referat vom 12.5.1992 in Zürich, Documenta 2/1992, S. 14 ff. 15So auch Emmert/Bossaert (Anm. 9), S. 135 f.; Jaag (Anm. 11), S. 404 f.
	        

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