Volltext: Kleinstaaten in Europa

Gegen Ende des Jahrhunderts sollte noch das Internationale Eisenbahn- amt hinzukommen. Heute sind diese internationalen Organisationen mit Ausnahme des Weltpostvereins und des Eisenbahnamtes nach Genf umgezogen. Am Ende seiner Rede erläuterte Welti die aussenpolitische Maxime aller Kleinstaaten: Sie müssen «wünschen, dass in dem Spiel der mannigfachen Kräfte, welche das Leben der Staaten bewegen, das Recht zu seiner ganzen Geltung komme. ...Je fester sie (scil. die Staaten) die Herrschaft des Rechts begründen, um so besser ist auch unser Haus ge- schirmt, in welchem wir sie daher von Herzen nicht nur als Gäste, son- dern als Freunde nochmals willkommen heissen». Eine andere Möglichkeit skizzierte der damalige Berner Stadtpräsi- dent und spätere Bundesrat Eduard Müller in seiner Rede zur 700-Jahr- feier der Stadt Bern am 15. August 1891: Müller blickte in seiner Rede – nach der Betrachtung der ruhmreichen Vergangenheit – in die Zukunft: «Überall rüstet man sich zu gewaltigem Streite. ...Wie wird der Kampf enden, der auf handels- und zollpolitischem Gebiet entbrannt ist? Wel- ches wird dabei das Schicksal des Schwachen und Kleinen sein gegen- über den Gewaltigen, die ihn rings umgeben? – Und wie wird der Kampf enden, der zwischen Kapital und Arbeit entbrannt ist? Wird es gelingen auf dem Wege ruhiger Entwicklung den Ausgleich unter den feindlichen Brüdern herbeizuführen oder treiben wir – einem morschen Wracke gleich – steuerlos in Alles verschlingenden Strudel? – Und wann sollen die gewaltigen Rüstungen der Kriegsheere ihr Ende finden? Wird sich das alte Wort ‹willst du den Frieden, so bereite dich zum Kriege› be- währen, oder wird der Bogen des Friedens am Ende so straff gespannt, dass er bricht?»3Die Antwort der Geschichte ist bekannt: Der Strudel verschlang im Ersten Weltkrieg tatsächlich alles und insbesondere viele der europäischen Kleinstaaten. Die dunkle Ahnung Eduard Müllers sollte sich realisieren; glücklicherweise blieben die Schweiz und Liech- tenstein verschont. Tatsächlich ist im internationalen Verhältnis das Mittel des Klein- staates nicht die militärische Macht, sondern, wie Welti sagte, der politi- 192Andreas 
Kley und jedes von ihnen kann als die inkarnierte Prophezeihung der kommenden Verei- nigten Staaten von Europa angesehen werden». Vgl. Rotten (Anm. 28), S. 87 ff. (89). 3Vgl. Rede von Stadtpräsident Eduard Müller am 15.8.1891 an der 700-Jahrfeier von Bern, Festbericht, Bern 1891, S. 106 ff. (107 f.).
	        

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