Volltext: Kleinstaaten in Europa

nen Abhandlung «Zum ewigen Frieden» geglaubt, Republiken würden sich schwer tun, Kriege zu beginnen, weil die eigene Bevölkerung nicht leicht zu gewinnen sei. Kant konnte nicht voraussehen, welche Mittel heute Regierungen in Demokratien einsetzen, um das eigene Parlament, die eigene Bevölkerung und die Weltöffentlichkeit durch selektive Infor- mation und vorsätzliche Desinformation irrezuführen. Die Tonkin-Re- solution im Vietnam-Krieg und der Entscheid für den jüngsten Irak- Krieg beruhten auf Kriegslügen. Kant konnte auch nicht voraussehen, dass eine hochgerüstete Republik einen schwachen Gegner mit geringen eigenen Verlusten besiegen, allerdings nicht befrieden kann, und dass sie die eigenen Opfer überwiegend aus den politisch vernachlässigbaren un- teren sozialen Schichten rekrutiert (darunter Einwanderer, denen man das Bürgerrecht in Aussicht stellt, wenn sie zuvor bereit sind, Leib und Leben aufs Spiel zu setzen), ergänzt durch hochbezahlte, rechtsfreie Söldner von Privatfirmen. Krieg ist für den militärisch-industriell-ener- giewirtschaftlichen Komplex ein höchst lukratives Geschäft, und zwar ein doppeltes, zuerst durch die Lieferung der Zerstörungsmittel und der Logistik, dann durch die Beteiligung am Wiederaufbau und den Zugriff auf die natürlichen Ressourcen des besiegten Landes, wobei die Profi- teure ausserhalb der Gefahrenzone bleiben. Keine Frage: Die Annäherung an die Volkssouveränität aufgrund des allgemeinen Wahlrechts ist eine der grössten Leistungen der west - lichen Zivilisation. Aber Fiktionen, Idealisierungen, Schönfärbereien, Scheinheiligkeiten, Selbstbeweihräucherungen, Heucheleien und Über- legenheitsdünkel sind fehl am 
Platz. ABOLUTESOUVERÄNITÄT Die geringste Verbreitung erlangte in der Theorie – ich spreche nicht von der Praxis – die dritte Version des Souveränitätsbegriffs: die absolute Souveränität. Hier sind nach Spinoza vor allem zwei Rechtsphilosophen des 19. Jahrhunderts zu nennen: Hegel und Austin. Georg Wilhelm Friedrich Hegel anerkannte das Völkerrecht nur als «äusseres Staatsrecht». Der souveräne Staat steht in seiner Sicht über dem Völkerrecht. Rechtliche Bindungen des Staates sind mit der Souve- ränität unvereinbar. Weil es über den Staaten keinen Richter gibt, kann der Streit zwischen Staaten nur durch Krieg entschieden werden. Die 185 
Ambivalenz der Souveränität
	        

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