Volltext: Kleinstaaten in Europa

Ambivalenz der Souveränität Alois Riklin Staatliche Souveränität, verstanden als Unabhängigkeit nach aussen und Selbstregierung nach innen, gab es längst avant la lettre. In der Fach- sprache setzte sich der Begriff jedoch erst im letzten Viertel des 16. Jahr- hunderts durch. Allerdings war er von Beginn an mehrdeutig und um- stritten. Innert hundert Jahren gerieten drei Souveränitätskonzeptionen in Widerstreit. Dahinter standen drei politische Denker: Bodin, Althu- sius und Spinoza. Jean Bodin hat den Souveränitätsbegriff in seinen «Six livres de la République» (1576) eingeführt. In der französischen Erstausgabe lautet die Definition: «Souveraineté est la puissance absolue et perpétuelle d’une République.» In der späteren lateinischen Edition hat Bodin die Definition präzisiert: «Maiestas est summa in cives ac subditos legibus- que soluta potestas.» Fasst man die beiden Belegstellen zusammen und erweitert man sie aus dem Kontext des Gesamtwerks, ergibt sich die fol- gende Begriffsumschreibung: Souveränität im Sinne Bodins bedeutet die absolute, dauernde, über den Gesetzen stehende, unteilbare, oberste Macht über Bürger und Untertanen im Rahmen einer Republik zum Zweck von Gerechtigkeit und Frieden. Unter Republik subsummierte Bodin alle drei einfachen Staatsformen der Monarchie, Aristokratie und Demokratie. Freilich bevorzugte er die Monarchie, genauer die Erbmo- narchie. Die wortgetreue Definition ist indessen verführerisch. Sie erweckt den Eindruck, als ob Bodin die Souveränität a) nur innenpolitisch und b) absolutistisch verstanden habe. Beides wären Fehlinterpretationen. Mit «leges» meinte Bodin das positive Recht. Der Zweck des Gesetzes (lex) ist aber das überpositive Recht (ius). Die lex ist dem ius unterge- ordnet, d.h. im Sinne Bodins a) dem göttlichen Recht, b) dem Natur- recht und c) gewissen, allen Völkern gemeinsamen allgemeinen Rechts- grundsätzen. Daraus folgt, dass Bodin die staatliche Souveränität dem 177
	        

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