Volltext: Alpenrheintal - eine Region im Umbau

ge ich das Fräulein, ob es in Liechtenstein Brauch sei, die Blasen aufzu- stechen oder sie gefüllt zu pflegen. Sie rät zum gefüllt lassen und klebt ein Compeed auf die Wunde. Dann geht’s in sanftem Terrain durch Wäl - der und Riedwiesen nach Nendeln und mein Tag endet nach etlichen Mäandern zu Kirchen, in Villenquartiere und Industriegebiete an der Zoll station von Schaanwald. Ich sitze auf das Bänklein vor dem Kiosk, denn die Pizzeria Pirandello ist ausgeräumt und der Nightclub Derby nicht nach meiner Stimmung. Ich warte auf den olivgelben Bus. Zurück in Vaduz löse ich noch einmal für acht Franken ein Billet ins Kunsthaus. Sie, geehrte Frau Regierungsrätin, werter Denkmal pfle - ger und liebes Publikum, Sie warten schon auf mich oben im ersten Bil - der saal. Ich humple zum Rednerpult und sage: «Was lernen wir von der Kunst und wie soll Liechtenstein werden? Richtig: «Das Ortsbild ist Raum.» Meine Forschungsreise hat erbracht, dass Liechtenstein über einen Schatz verfügt, der nicht akkurat ins Leben und die Ortsbild - stränge eingefügt ist. Mich überraschten die vielfältigen Kammern eurer naturnahen Landschaft und die kurzen Wege zu ihnen hin. Nur punktu- ell sind sie mit den drei Siedlungssträngen verknüpft. Es ist, als erzählte das Naturbild eine andere Geschichte als das Ortsbild. Wer aber das Natur- zum Ortsbild zählt, sieht eine Form: Liechtenstein als Garten - stadt band von Balzers bis Ruggell und Schaanwald.» Sie applaudieren, denn dieses Bild ist ein Bild der Zuversicht: Ein Leben im Garten statt im Briefkasten. Und so hören Sie mir denn auch zu, wenn ich weiter rede: «Das Ortsbild ist Geschichte und nicht Ein - fall.» Herr Kindle zuckt leicht zurück, als der fremde Republikaner frägt: «Hat Geschichte in Liechtenstein als grosse Erzählung zum Bei - spiel vom ruhmreichen und wohltätigen Fürstenhaus mehr Wert, als das alltägliche, handfeste, schöne oder dramatische Ereignis? Natürlich be- suchte ich das Landesmuseum und staunte über die reiche Sammlung und die opulente Präsentation, aber über Land traf ich wenig Spuren von Alltagsgeschichte. Bilder gibt es schon, aber ich zweifle an ihrer Sub - stanz. Ein auf eine Betonmauer geklebter Blindstrick ist schad ums Holz und ums Haus. Eure Dörfer waren Bauerndörfer. Deren Substanz und Gedächtnis bemerkenswert radikal verschwunden. Und was noch herum steht, wirkt einsam und wartet eher auf den Bagger als auf den neugierigen Weiterbau. Ich rate, schützt, was an Substanz noch da ist, und schaut, ob man daraus nicht auch etwas Zeitgenössisches machen könnte, anstatt alles abzubrechen und in gleicher Form, aber betoniert, 139 
Liechtenstein, das Ortsbild und die Architektur
	        

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