Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1877)

Milzbrand in Bern und je 1 Fall in Zürich, Schwyz^ und 
Aargau; ferner ist je 1 Fall von Hundswuth in Zürich, 
Aargau und Tesstn konstatirt worden. Die sanitätspolizeilichen 
Anordnungen wurden überall sofort getroffen und die wuth- 
kranken Hunde zur rechten Zeit unschädlich gemacht. 
Ausland. 
Orientalischer Krieg. Die Versuche, eine Verständigung 
zwischen Rußland und England herbeizuführen, nehmen heute 
4aS meiste Interesse in Anspruch. Nach den Mittheilungen 
deS „N W. Tagbl.5, mit dem der englische „Standard" in 
bemerkenSwerther Weise übereinstimmt, hat sich Deutschland 
^nS Mittel gelegt und der Reichskanzler die Initiative ergriffen, 
um, gestützt auf die von der englischen Regierung im englischen 
Parlamente abgegebenen Erklärungen, eine Verständigung 
zwischen Großbritannien und Rußland herbeizuführen. Fürst 
Bismarck ließ fein die Eindämmung des Krieges bezweckendes 
Anerbieten gleichzeitig nach London und Petersburg gelangen 
und die von ihm angeregte Zeee fand insofern Anklang, als 
das britische Kabinet sich bereit erklärte, etwaige russische Pro- 
Positionen entgegen zu nehmen und von Petersburg auS Graf 
Schuwalow beauftragt wurde, sich direkt mit dem Fürsten Bis- 
mark in Betbindung zu setzen Graf Schuwalow ist in Berlin 
auch wirklich mit Bismark in Verkehr getreten. Der Kanzler 
empfing den russischen Botschafter in freundlichster Weise und 
äußerte stch ohne alle Zugeknöpftheit über die Orientfrage. 
Bismarck betonte, daß in erster Reihe die. Interessen zweier 
Staaten dmch die Orientfrage tangirt seien; von Seiten Eng- 
landS wie Oesterreichs sei unter Umständen ein Eingreifen in 
die Aktion zu erwarten und gegenüber diesen beiden Staaten 
ckönne Deutschland seine V rmittlung zur Geltung bringen. 
WaS England betrifft, so sei eS ihm gleichgültig, ob diesseits 
des Balkans auf türkischem Gebiete suzeräne oder auch souve 
räne Staaten gebildet werden; anderseits habe Kaiser Alexander 
versichert, daß er keine Eroberungen machen wolle. — Weit 
empfindlicher je» das englische Interesse in Asien und eS sei 
notwendig, zu erfahren, wie weit Rußland dort gehen wolle 
Graf Schuwalow erwiderte, daß Kaiser Alexander allerdings 
in Europa auf El oberungen Verzicht leiste. In Asten jedoch 
müsse Rußland schon auS Rücksicht auf die geographische Be 
schaffenheit seines Besitzes Kompensationen für die Opfer des 
Krieges erstreben. Rußland fasse jedoch nur die Linie bis über 
KarS inS Auge, während eS auf Erzerum Verzicht leiste, wohl 
erkennend, daß die Nähe deS EuphratS der Stadt Erzerum für. 
England eine besondere Wichtigkeit verleihe. Rußland könne 
Ach jedoch nur zu bindenden Zusagen herbeilassen, wenn Eng 
land seine unbedingte Neutralität verbürge, so daß die Ent» 
schlösse deS britischen Kabinets nicht mehr von den Wechsel- 
fällen deS Krieges beeinflußt werden könnten. 
* Aus Konstantiuopel meldet der Korrespondent des 
^Standard": es seien nach Verhängung deS BelagerungS- 
standeö etwa 200 Anhänger der Midhat'schen Partei verhaftet 
und nach Kiutahia und Mosul in Gewahrsam gebracht worden. 
„Dieser verzweifelte Versuch Midhat Pascha'S Partei zu zer- 
drücken, kommt hauptsächlich von der Erbitterung die ein zum Lobe 
MidhatS geschriebener Artikel deS „I deS DebatS" im Palast 
erzeugt hat. Die Feindschaft gegen Redif Pascha und Mah 
mud Damad nimmt hier und in den Provinzen zu, aber der 
Sultan wagt nicht sie zu entlassen oder auch nur ihre Ent- 
lassung anzunehmen. Gr hat wirklich von einem oder zwei 
Botschaftern die Warnung erhalten: wenn er es thäte, würde 
einen gefährlichen Präcedenzfall schaffen. Die Gedanken deS 
Volks wenden sich sehr dem Ex-Sultan Murad zu. Man 
weiß, daß seine Gesundheit sich sehr gebessert hat; würde er 
sich öffentlich zeigen, so würde das Volk seine Wiedereinsetzung 
verlangen. Gr hat schon um Erlaubniß gebeten den Palast, 
in welchen er eingeschlossen ist zu verlassen und nach seinem 
eigenen Landhaus in Seutari zu gehen. Die Erlaubniß ist 
noch nicht erfolgt, und der Sultan ist im Zustande großer 
Verlegenheit. Daß Redif und Mahmud etwas gegen MuradS 
Leben unternehmen werden, ist nicht wahrscheinlich, aber die 
Lage ist sehr bedenklich und gefährlich. Man fürchtet einen 
Aufstand deS Volkes gegen die jetzige Regierung in vielen 
Theilen deS Landes. Geschieht daS, so wird das Volk den 
Sieg davontragen, wenn nicht etwa der Ausstand mit einer 
derartigen Strenge unterdrückt wird, daß es für Europa em- 
pörend ist " Der Belagerungsstand werde deßhalb den Machten 
nicht durch Rundschreiben mitgetheilt, sagt derselbe „Standard-" 
Korrespondent, weil dann die Thaisache völlig sichtbar werde; 
er sei deßhalb verhängt worden, damit die mißvergnügten Mos- 
lemin niedergedrückt würden. „Das Schicksal deS FelvzugS in 
Asien ist thatsächlich entschieden; Erzerum sei, wie aus bester 
Quelle verlaute, völlig offen und unrettbar verloren." Die 
Russen rücken gegen Diarbekir vor, und nichts kann sie hindern 
daS Euphrat-Thal in Besitz zu nehmen. Der Großwessier ver- 
langt telegraphisch vom Bey von Tunis eine Anleihe von 
1900 Pferden. 
Neueste Nachrichten. 
Wien, 7. Juni. Dem „N. W. Tgbl." wird aus Bel- 
grad gemeldet: Fürst Milan hielt eine Ansprache an daS 
Offizierskorps, in der er ankündigte, daß bald die Noch- 
wendigkeit eintreten werde die Waffen zu ergreifen. — Ru 
mänien hat in Wien seine diplomatische Agentur wieder er- 
richtet. — AuS Altserbien, besonders auS Novibazar, werden 
türkische Exzesse gemeldet. — AuS Orsawa wird berichtet, daß 
morgen oder übermorgen der Hauptübergang der russischen 
Armee bei Turtukai zu erwarten sei. 
Aars, 7. Juni (Ueber München.) Zn der Schlacht am 
Duga-Passe sollen die Montenegriner mit großen Verlusten 
besiegt worden sein. Der Entsatz und die Verprvviantirung 
von Nilsitsch erfolgt wahrscheinlich heute. 
Wien, 12. Juni. Ein Artikel des „Fremdenblattes" 
führt auS: die Antwort deS russischen Reichskanzlers Fürsten 
Gortschakoff sei maßvoller gehalten als der Ton der Derby'schen 
Depesche habe erwarten lassen. Die russische Note leh te daS 
Zugeständmß einer militärischen Demarkationslinie ab. — Die 
„Presse bezeichnet in der Zollfrage die Aufrechthaltung des 
„statu« quo" mit Deutschland alS unmöglich. 
Wien, 12. Juni. Das „N. W. Tgbl " meldet auS 
Cetinje: Ali Saib Pascha besetzte Rossowa Glavitza wieder. 
Ferner «uS Odessa: Die hiesigen Uferbatterien wurden ver- 
stätkt und die StalionSschiffe vermehrt. Endlich auS Alexandria: 
Am 11. Juni sind zehn ägyptische Dampfer mit 6000 Mann 
HülsStruppen unter Punz Hassan, von türkischen Panzer- 
schiffen begleitet, von hier abgegangen. 
Wien, 12. Juni. Dem „Tagblatt" wird auS Calarasi 
gemeldet: Die Donau ist bereits um 3 Fuß gefallen. Das 
türkische Lager in Florentin (bei Widdin) wird mit passageren 
Werten stark befestigt. 
Bern, 12. Juni. Laut dem Luzerner „Vaterland" haben 
Deutschland und Italien auf. der Gotthardkonferenz sich je zu 
weitern 10 Millionen Subvention bereit erklärt. 
Et. PetepSburg, 12. Juni. Ein Telegramm deS Groß- 
fürsten Nikolaus vom 10. Juni lautet: Gestern früh fand 
eine türkische Kanonade von Rustschuk auS auf die Sappeur- 
arbeiten von Giurgewo statt; wir erlitten keinen Verlust. 
Alles steht gut. Die Donau fällt. — Ebenso liegt ein Tele- 
gramm des Großfürsten Michael aus Kürückoarja vom 9. 
Juni vor deS Inhalts: Wir reeognoseiren die Vorwerte von 
KarS. D*S Geschützfeuer der FortS ist für uns unschädlich. 
Ich recoguoScirte heute persönlich den Norden von KarS. Die 
KurdeN'Aeltesten von Chamur und die Bewohner von Alaschkert
	        

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