Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1877)

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erwählenden Landtagsabgeordneten zu einigen. ES wäre dies 
kein durch die Verfassung bedingtes Erforderniß, aber ein Akt 
der politischen Klugheit im Interesse deS gegenseitigen Einver« 
nehmenS gewesen. 
WaS nun die 2. Forderung betrifft, welche aus eine Ab« 
Änderung deS Wahlgesetzes abzielt, so ist in jetzigem Momente 
ein solches Verlangen durchaus verfassungswidrig. So lange 
die zu einer solchen Abänderung notwendigen gesetzlichen Fak« 
toren nicht bestellt sind, kann eine „GesetzeSünderung" gar nicht 
vorgenommen werden. Nur der Mehrheitsbeschluß deS zu 
künftigen Landtages mit der Sanktion von Seite unseres Lan- 
deSfürsten hat die gesetzgeberische Kraft. Wenn einzelne Wahl« 
männer ohne Landtag neue Gesetze oder Gesetzesänderungen 
erzwingen könnten, dann wäre die Welt bald nur mehr aus 
Diktatoren zusammengesetzt. 
Die 3« Forderung: wenigstens 3 Jahre darf von einer 
Münzregelung keine Rede mehr sein, klingt sehr freiheitlich 
und konstitutionell Also der zukünftige Landtag bekäme damit sein 
»schulgerechteS" Verhalten in Form einer „gebundenen Marsch« 
route" vorge^eichnet. Eine sehr amüsante Forderung, bei der 
weniger der Gegenstand (d. h. die Münzregelung) alS vielmehr 
die wundervolle Naivität, mit welcher die Forderung auf 3 
Jahre (sie!) und zudem mit der Drohung: sonst nicht zu 
wählen, gestellt wird, überraschen muß. Die betreffenden Wahii 
männer, die diese Forderung stellen, setzen sich damit weit über 
Verfassung und Landtag hinaus, und ordinieren von der Höhe 
herab, waS zu thun und zu unterlassen sei. 
Das sind die besprochenen 3 Forderungen, die als weiteres 
Kettenglied sich folgerichtig an die noch nicht beanständeten 
verfassungswidrigen Vorgänge v. 13. Januar und v. 30. April 
anschließen. 
Diese neuesten Wirren drehen sich weniger mehr um die 
Münzregelung als solche, alS vielmehr um die Aufrechthaltung 
und Existenz der Verfassung und Ordnung. 
Man kann in der Münzfrage ganz verschiedener Ansicht 
sein, und dem entsprechend auch auf daS Zustandekommen oder 
Nichtzustandekommen eines diesbezüglichen Gesetzes mit verfas- 
sungSmäßigen Mitteln einwirken, aber in Bezug auf die strebt 
Aufrechterhaltung unserer mühsam erworbenen Verfassung selbst 
müssen wir Alle einig sein und jede Verletzung entschieden ver« 
urtheilen. Nur auf dem Boden der Verfassung kann der po- 
litische Hader uud Zwiespalt anSgeglichen und die Wahl ge. 
deihlich beendigt werden, aber nie uud nimmermehr durch ein 
Kompromiß eingegangen auf Grund verfassungswidriger For 
derungen. 
ES ist hohe Zeit de» „Verwirrungsknoten" bald durch 
friedliches Uebereinkommen zu lösen. Die besprochenen For" 
derungen insbesondere in ihrer Eigenschaft alS PrefsionSmittel 
müssen jedoch zuerst fallen gelassen werden. Stellt sich die 
Notwendigkeit ein, daS Wahlgesetz abzuändern, so ist das 
Sache des zukünftigen Landtages; der Bevölkerung steht dann 
zudem das verfassungsmäßige Petitionsrecht zu, die». Sache in 
Gang zu bringen. Auch wird eS Aufgabe deS kommenden 
Landtages sein, ob, wie und wann eine Münzregelung statt- 
finden soll oder nicht. Auch in dieser Beziehung kann die Be- 
völkerung von dem schriftlichen Petitionsrechte Gebrauch ma- 
chen. DaS ist der verfassungsmäßige AuStrag der Sache. 
Aber Nie können solche Fragen von einzelnen Wahimännern 
in Form einer Pression eingeengt oder gar ohne gesetzgeberische 
Gewalt zur Lösung gebracht werden. — Bezüglich der Ver 
tretung deS Unterlandes im Landtage endlich kann und soll 
nach meinen obigen Andeutungen ein gegenseitiges Entgegen- 
kommen von Seite ober- und unterländ. Vertrauensmänner 
angebahnt werden, um durch friedliches Uebereinkommen die 
verhältnißmäßige Anzahl der zu wählenden Abgeordneten aus 
dem Unter lande zu vereinbaren. DaS wäre ein Akt der Bil 
ligkeit und Klugheit. 
Es ist bald ein balbeS Jahr, seitdem die „Wirren" ange- 
fangen haben; das Auseinanderstoßen verschiedener Ansichten 
hat, soweit die Fragen auch sachlich behandelt wurden, manches 
Lehrreiche und Nutzbringende zu Tage gefördert; die Ueber- 
schreitungen der Grenzen, die durch die Verfassung gesetzt sind, 
haben erst recht deutlich die Verfassung im Bewußtsein deS 
größeren TheileS der Bevölkerung zur Kenntniß gebracht, und 
damit die politische Bildung zum Theile gereift; aber eS ist 
in Folge der bekannten Vorgänge auch ein Zwiespalt zwischen 
Obef- und Unterland zu Stande gekommen, der jetzt noch feine 
dunklen Schatten auf unser Verfassungslebm wirft. Diese 
Uneinigkeit muß gehoben werden, nur dann kann ein gedeih- 
licheS Weiterarbeiten und eine dauernde Ordnung in unserem 
kleinen Staatswesen Platz greifen. Die Verfassung muß vor 
Allem und von Allen hochgehalten werden, und jeder ver- 
fassungswidrige Schritt und jedes verfassungswidrige Mittel für 
die Zukunft streng vermieden werden. Der Kampf verschie- 
dener Ansichten über diese oder jene GesetzrSvorlage kann dann 
für die Zukunft gefsthrt werden, ohne daß man sich derartig 
entzweit. Insofern bittet auch der gegenwärtige Kampf eine 
interessante Lehre zur Vorsicht und Einigkeit für die Zukunft. 
Denn wenn bei jedem bei einem Thnle der Bevölkerung 
mißliebigen Gesetze derartige Ausschreitungen u. s w vorfallen 
würden, wäre begreiflicherweise unser ganzes Verfassung^wesen 
sofort im Keime erstickt. Darum kann nicht genug die emi 
nente Bedeutung deS FesthaltenS an ver Verfassung hervorge- 
hoben werden; und darum muß auch jeder wohlmeinende Patriot 
entschieden gegen verfassungswidrige Schritte, -seien dieselben, 
nun in dieser oder jener Form, auftreten. 
Darum werdet einig, indem ihr vor Allem treu und fest 
zur Verfassung steht, dann werden die übrigen Differenzen 
leichler und schneller zum friedlichen Austrage kommen 
Mögen diese paar Zeilen im wohlgemeinten Interesse für 
daS Wohl und den inneren Frieden unseres LandchenS ver 
standen und auch darnach beimheilt werden. 
Vaterländisches. 
Baduz, 11. Juni. Der hochwürd. Bischof von Chur hat 
bis heute bereits in jeder einzelnen Gemeinde deS Oberlandes 
die Firmung gespendet, und ist überall festlich empfangen wo?« 
den. Auch die Gemeinde Triesenberg hat der hochw. Herr 
mit seinem Besuche beehrt und dort die h. Firmung ertheilt, 
was die dortige Bevölkerung um so freudiger erregte, alS eS 
.daS erste Mal ist, daß in der dortigen Pfarrkirche gesinnt 
wurde; weil die Triesenberger in früheren Zeiten gemeinichaft- 
lich mit Triefen in Triefen zu diesem Zwecke zusammenzukom 
men hatten. 
Vtlduz, 12. Juni. (Viehseuchen) Nach den unS 
vorliegenden Berichten sind dermalen in allen Gegenden Bor- 
ailbergS die Viehseuchen erloschen, waS bei dem im Gange 
befindlichen Aufzuge des Viehes auf die Alpen für den Land- 
wirth recht erfreulich ist. ^n der benachbarten Schweiz, wo 
von Zeit zu Zeit genaue amtliche Berichte über den Stand . 
der Viehseuchen veröffentlicht werden, hat nach dem neuesten 
Bulletin vom l. Juni die Maul- und Klauenseuche seit 16. 
März wieder eine Zunahme erfahren. Die Zahl der inmitten 
Stille betragt 28; h-evon entfallen 5 auf Neuenburg, 4 auf 
Aarg»u, je 3 auf Bern, Luzern, Glarus und St Gallen, 2 
auf Solothurn und je i auf Zürich, Baselland, Appenzell 
A.-Rh., Thurgau und Waadt. Neu aufgetreten ist die Seuche 
in den Kautonen Bern, Solothurn, Baselland, St Gallen, 
Waadt und Neuenburg Immerhin sind die wenigen Fälle 
bedeutungslos und dürften bei richtiger und energischer An- 
wendung der vorgeschriebenen SicherheitSvorkehrun^en bald er- 
stickt werden. In Bezug auf andere Thierfrankheiten sind fol 
gende Fälle zu verzeichnen: Je i Fall von Rvtz in Zürich, 
Appenzell I.-Rh., St. Gallen und Neuenburg; 4 Fälle von
	        

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