Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1877)

verfallen waren, denn von dem Torpedo zog sich der mit 
Guttapercha umsponnene LeitungSdrath bis zu dem Dampfer 
Dubaschoffs. Jetzt ließ derselbe den LeitungSdrath mit der 
galvanischen Batterie in Verbindung setzen. Der Funke zündet. 
Durch die erste Mwachf Morgendämmerung dröhnt ein dumpfer 
Knall. Eine Mässethose erhebt fich bis zu den Wolken. Dann 
folgt ein^ Regen von Holz» und Wen stücken, allethänd Ge- 
rächen, Äagen und menschlichen Gliedmassen, ein dreifaches 
russisches Hurrah, und wieder herrscht tiefe Stille über und . 
unter den Wassern. 
ES dürfte für unsere Leser interessant seih eine nähere 
Beschreibung über die Torpedo'S, diese neuesten ^ Mordinstru 
mente "zu vernehmen. 
Die Torpe>oS, welche im gegenwärtigen Kriege wieder eine 
so große Rolle spielen, sind eine amerikanische Erfindung. 
Kulten, der Erfinder der Dampfschiffe, einer der größten För- 
derer der Zivilisation und Kultur, war eS, der daS erste dieser 
gefährlichsten Mordinstrumente konstruirte. Napoleon wies die 
Erfindung deS Dampfschiffes als eine Utopie von der Hand 
und der englische Admiral, welchem zuerst der Fulton'sche Tor- 
pedo zur Kenntniß gebracht wurde, nannte den Erfinder LeS- 
selben den ^größten Narren" seiner Zeit. Die Seemänner 
wollten von dem Torpedo gar nichts wissen, fie bezeichneten sie 
als die Waffe einer feigen und nichtswürdigen Kriegführung. 
Der amerikanische Bürgerkrieg in den EechSziger Jahren brachte 
fie erst zur Geltung, sie wurde zuerst von den rebellischen 
Südstaaten zur Anwendung gebracht, welche sich damit der 
Uebermacht der nordstaatlichen Flotte zu erwehren suchten, und 
sehr bald wurde fie auch von den Nopdftaaten adoptirt. In 
Europa folgte man sofort dem amerikanischen Beispiel. Während 
eine internationale Kommisston, die in Petersburg ihre Be 
rathungen pflog, die Anwendung von Explofionsgeschoffen für 
daS Kleingewehr als unstatthaft erklärte, find die Torpedos «in 
„ legitimes" ,Kriegsmittel. Ein ExplofionSgeschoß, trifft aller- 
dingS nur einen einzigen Menschen, und indem eS Platzt, reißt 
eS eine schauderhafte Wunde, die fast immer den Tov herbei 
führt. Der Getroffene muß viel leiden; eS ist daher nicht 
human, eine solche Waffe zu gebrauchen. Durch einen Tor» 
pedo gehen aber mit einem Schlage einige hundert Menschen 
zu Grunde, eine solche Waffe ist folglich „legitim", und da 
der Tod sehr schnell eintritt, gewiß auch „human". 
Da in unserer Zeit fich der menschliche Geist in der Kön- 
struktion von Mordwerkzeugen am sinnreichsten gezeigt hat, so 
sind auch die Torpedos sehr schnell verbessert und wirksamer 
gemacht worden. ES gibt zwei Hauptgattungek Torpedos. 
Die einen liegen still und unbewegt unter dem Wasserspiegel, 
gewärtig, daß ein feindliches Schiff herankommt und an sie an- 
fährt, wsbei die Sprengladung in ihrem-' Innern sich entzündet 
und das Schiff von unten oder von der Seite auseinander- 
reißt. Dies find die defensiven Torpedos. Die andern werden 
durch verschiedene Mittel dem feindlichen Schiffe entgegenge- 
sendet, bis an dieses gebracht und nun erst zur Explosion ge- 
bracht; eS sind das die offenfiven Torpedos. Die einfachste 
Form ist der defensive Torpedo. Man kann einen solchen sehr 
leicht herstellen, wenn man eine große GlaSflasche, etwa von 
zehn Maß, wie man sie zur Aufbewahrung geistiger Getränke 
braucht, eine hölzerne Kiste, in welche die GlaSflasche paßt, 
eine gläserne Röhre, einen Kork, ein wenig Schwefelsäure, 
etwas Zucker und chlorsaureö Kali und etwa zehn Kilo Pulver 
hat. Der Torpedo ist dann sehr bald fertig. Man füllt daS 
Pulver in die Flasche, durchbohrt den Kork, steckt in daS Loch 
daS GlaSrohr und stellt auf lfaS Pulver ein kleines Gefäß 
mit dem Zucker in dem chlorsauren Kali. Darauf füllt man 
daS GlaSrohr mit der Schwefelsäure, so zwar, daß dieselbe nur 
dann aus daS Gefäß " mit dem Zucker und chlorsauren Kali 
fließen kann, wenn das Rohr zerbrochen wird, stopft die Flasche 
mit dem Kork zu, steckt sie in die Holzkiste, in der nach oben 
eine Oeffnung angebracht ist, auS welcher die Glasröhre her 
vorsteht, und versenkt die Kiste inS Wasser. ' Sehen chir^ nun, 
was geschehen muß, wenn ein Schiff über die so yer steckte 
Kiste hinwegfährt und an daS hervorragende Stück der- Glas 
röhre anstreift. Diese wird natürlich zerbrochen. Die Schwefel- 
säure tröpfelt auf daS mit Zucker gemengte chlörfaüre Kali, 
dieses entzündet sich und lheilt fich dem darunter befindlichen 
Pulver mit; dieS ist daS Werk einer Sekunde, die Mine geht 
loS, daS Schiff erhält im Boden oder an der Weite eine schwere 
Beschädigung, eS wird in die Höhe gehoben, daS Wasser dringt 
ein, dann finkt eS und ist verloren Hier haben wir die ein- 
fachste Form der Torpedos defensiver Art und diese Schilde- 
rung gibt einen Begriff von der Wirkung aller Arten von 
Torpedos. Viel vollkommener find diejenigen mit elektrischer 
Zündvorrichtung. Die berühmten österreichischen Torpedos dieser 
Gattung find 103 Centimeter hoch und 100 Centimeter weit, 
auS Eisenblech gefertigt, 900 Kilo schwer und mit 224 Kilo 
Schießbaumwolle geladen. Von dem Torpedo geht ein Draht 
zu einem Be^bachtungSpunkte auf dem festen Lande. Dort ist 
ein teleskopischer Apparat aufgestellt, durch welchen es möglich 
ist, genau zu ermitteln, ob ein herankommendes feindliches Schiff 
eben über dem Torpedo sich befindet. Wenn daS Instrument 
den Moment anzeigt, wird durch den Draht mittelst der Elek- 
trizitat die Ladung des Torpedos entzündet und das Schiff ist 
verloren. Wenn man einen Hafen oder eine längere Küsten- 
strecke schützen will, so werden natürlich viele solcher Torpedos 
versenkt; die e ektrische Zündung hat den Vortheil, daß die 
eigenen Schiffe ruhig hin- und herfahren können, weil dieser 
Torpedo nur dann losgeht, wenn vom Lande aus der elektrische 
Gtrom durch den Draht hineingeleitet wird, wahrend bei den 
Abm'KschildMin--Mftt^MchidöS "jedeS Schiff, das an sie an- 
fährt, bei-der Berührung in Gefahr kommt. 
Die OffenfivtorpedoS suchen die feindlichen Schiffe auf. 
Ihre Konstruktion ist theilweise höchst sinnreich. ES gibt solche, 
die sich selbst bewegen, und zwar nach der Richtung, wohin fie 
den Anstoß bekommen haben. Sie schwimmen wie ein Fisch, 
sind auS Eisen gefertigt und an beiden tzndenzuckerhulartiß 
zugespitzt. In den hohlen Räum kommt die Ladung; zudem 
wird in denselben Luft hineingepreßt. Wenn dieser Fischtor- 
pedo in Bewegung gesetzt wird, beginnt in demselben Augen- 
blicke die in ihm enthaltene verdichtete Luftd urch eine Oeffnung 
mit großer Gewalt herauszuströmen. Der Luftstrom trifft eine 
kleine Turbine, ein Rad, wie eS vom Wasser in Bewegung 
gesetzt wird', und diele Turbine beginnt zu arbeiten und stößt 
den Torpedo nach vorwärts, während ihn ein kleines Steuer 
in gerader Richtung erhält. So gelangt der Torpedo an die 
Wand des feindlichen Schiffes, stößt an fie mit der vorderen 
Spitze und durch diesen Stoß wird die Explosion der Ladung 
bewerkstelligt. Statt der Lust verwendet man in neuester Zeit 
verdichtete Kohlensäure, die einen festen, schneeartigen Körper 
bildet, wodurch eS möglich ist, während einer viel längeren 
Zeit die Turbine in Bewegung zu halten. Ein derartiger Tor- 
pedo kann eine Entfernung von fast 4000 Schritten zurück- 
legen, wenn er einmal loögelassen wird. Es gibt aber auch 
einfachere Arten von solchen offensiven Torpedos, die sich fast 
gar nicht von den defensiven unterscheiden. Diese wurden von 
den Russen neulich in Anwendung gebracht. Die Lieutenants 
Duboschoff und Schestakoff brachten auf die rumänische Scha- 
luppe „Rumwunika" einige Torpedos und begünstigt von der 
Dunkelheit und wahrscheinlich auch von der geringen Wach- 
samkeit auf dem türkischen Panzerschiffe, ruderten sie an das- 
selbe heran, ließen an dessen Seiten Torpedos, welche mit 
„tampirten Zündern" versehen sein mochten, hinab und ent 
fernten sich dgnn. Diese Zünder sind so eingerichtet, daß sie 
sine gewisse Zeit fortglimmen, bis das Feuer die Sprengladung 
erreicht. Die Schaluppe entwischte und erst als sie weit genug
	        

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