wahrscheinlich eine sehr gewichtige, im russischen Generalstab
bat, zeigte sich hiebe« wieder so recht. So befindet sich das
gesammte linke Donauufer von Galatz bis Kalafat im unge«
hinderten Besitz der Russen, sie können überall daselbst Vefesti-
gungen anlegen, große Niederlagen an Lebensmitteln und Mu«
tittion errichten, und ganz nach Lust und Belieben sich die
güngstigsten Punkte zum Donau-Uebergang aussuchen' und die
ihnen geeignetste Zeit dazu abwarten, ohne befürchten zu müssen
irgendwie darin gestört zu werden. Und wie leicht hätten die
Türken bei nur einiger Thatkraft dieS verhindern können!
Wenn nur sofort am Tage der Kriegserklärung acht- bis zehn-
tausend Türken in verschiedenen Kolonnen über die Donau
gesetzt wären (und da der Großsultan eine Flottille daselbst
besitzt, so wäre ihnen dieS ein Leichtes gewesen), und hätten
alle rumänischen Eisenbahnen zerstört, so würden den Russeu
ganz unendliche Schwierigkeiten dadurch erwachsen sein. Beson-
derS die wichtige Eisenbahnbrücke von Barboschi mit dem
langen Damm davor bei der Mündung des Sereth in die
Donau unweit Galatz, mußten die Türken um jeden Preis
besetzen, dann möglichst la'nge zu vertheidigen suchen (und, da
die Angreifer nur auf einem schmalen langen Damm dagegen
anstürmen können, so hätten 5—6000 Mann dieS viele Tage
vermocht), und beim endlichen nothgedrungenen Rückzug alles
gründlich zerstören und in die Luft sprengen. Durch den Besitz
dieser wichtigen Stellung bei Barboschi haben die Russen jetzt
einen großen Vortheil gewonnen, und können von hier aus
beliebig ihre Einmarschkolonnen über die Donau in die Do-
brudscha senden.
Da die Russen jetzt überall an strategisch wichtigen Punkten
deS linken Donau-UferS schwere Batterien anlegen, so hat
schon wiederholt eine ziemlich lebhafte Kanonade mit den tür
kischen Batterien am rechten Donauufer stattgefunden. Allzu
große Wichtigkeit kann aber ein Geschützkampf bei welchem
bewe Theile durch einen Fluß, wie die untere Donau, getrennt
sind, unmöglich besitzen. Von großer Bedeutung halten wir
aber die Nachricht, daß eS den russischen Batterien bei Braila
gelang die Panzer-Corvette ,Lufti-Djellil" so zu treffen, daß
sie mit der gesammten Mannschaft, an 150—200 Köpfe stark,
in die Luft flog. Die Hauptüberlegenheit der Türke» hierauf
der Donau, durch welche sie die Russen am kräftigsten an
einem Uebergang verhindern können, besteht ganz entschieden
in ihren Monitors und sonstigen Panzerschiffen, denen letztere
ntchtS AehnlicheS entgegensetzen können. Gelingt eS nun den
russischen Batterien diese türkischen Schiffe zusammenzuschießen
oder nur durch ihr Feuer von einem thätigen Eingriffen in
daS Gefecht abzuhalten, dann bietet ein Donau-Uebergang
entschieden nicht mehr die Hälfte der Schwierigkeiten dar wie
im entgegengesetzten Fall. Es ist daher ein böser Umstand für
die Türken, daß sie gleich zum Beginn deS Krieges ihr bestes
und größtes Gchiff der Donau-Flottille vollständig auf solche
Weise verloren haben, und dieS wird entschieden lähmend auch
auf die fernere Thätigkeit der übrigen Schiffe einwirken. Man
hielt diese schwer gepanzerten türkischen Monitors bisher so
ziemlich für kugelfest, und glaubte, daß sie den Geschossen der
russischen «Strandbatterien trotzen könnten, und nun haben einige
Schüsse schon genügt um ein Fahrzeug vollständig in die Luft
zu sprengen. Es scheint uns dies für die Russen ein wichtigerer
Erfolg zu sein, als wenn sie ein ziemlich bedeutendes Land-
treffen gewonnen hätten.
Wie lang aber die Russen, trotz aller angeblichen Friedens-
liebe, diesen Krieg schon vorbereitet haben, und wie sorgfältig
sie dabei zu Werte gingen, beweist der Umstand, daß sie
kleine zerlegbare Dampfschiffe mit zur Donau brachten, um
solche daselbst wieder zusammenzusetzen. Gelingt eS der russi-
schen Marine eine kleine wirklich tüchtige Flottille derartiger
Dampfer auf der Donau zu formiren, so kann solche immer-
hin bei einey, etwaigen Uebergang den größten Nutzen ge
währen und den Türken manchen Nachtheil zufügen. Wie die
neuesten Nachrichten melden, sollen mehrere russische Dampf,
barcassen auch schon eine heimliche nächtliche Expedition auf
daS türkische Ufer unternommen und von dort 20 Tonnen
Steinkohlen auS einem Magazin der türkischen Donau-Flottille
genommen habe». Bestätigt sich diese Nachricht wirklich —
man kann aber nicht vorsichtig genug sein in der Beurtheilung
der Richtigkeit sowohl der türkischen als der russischen Sieges-
depeschen, denn gelogen wird leider von beiden Theilen mit
gleicher Unverschämtheit — so zeigt dieS ausS neue auf welch'
wirklich unverantwortliche Weise die Türken auch jetzt wieder
ihren Sicherheitsdienst vernachlässigen
Die nächste Frage wird und muß nun sein: wann und wo
die Russen den Donau-Uebergang versuchen wollen. Soweit
sich die Verhältnisse dieses Krieges aus den bisherigen Rüstun-
gen und den Aufmärschen der russischen Truppen sowohl in
Rumänien als auch in Armenien beurtheilen lassen, soll dieser
ganze Krieg von russischer Seite nach einem sorgsam berathenen,
genau erwogenen und lange vorbereiteten großartigen Plan
und mit enormer Uebermacht geführt werden. To wild der
russische Generalstab sich sicherlich nicht übereilen und die Donau-
Uebergänge nicht früher unternehmen lassen, als bis aflcS auf
das sorgfältigste dazu vorbereitet wurde; ist dieß aber geschehen,
so wird man auf die energischeste Weise und mit Entfaltung
sehr überlegener Kräfte damit beginnen. Wir wollen uns wahr-
lich keine Prophetengabe zutrauen, und gerade in der Beur-
theilung militärischer Verhältnisse, wo unvorhergesehene Um-
stände plötzlich die Zerstörung oder doch Veränderung deS ganzen
Plates herbeiführen können, ist das Voraussagen stetS ein un
gemein mißliches Unternehmen; aber wir können nicht umhin
unsere Ansicht hier auszusprechen, daß die Russen sehr wahr«
scheinlich den Donau-Uebergang an drei verschiedenen Stellen
und dann wo möglich an einem Tag oder richtiger wohl in
einer Nacht versuchen werden. Die eine Stelle dürfte wahr-
scheinlich zwischen Braila und Galatz sein, von wo aus ein
russisches Korps von etwa 30,000 Mann meistens leichter
Truppen übergehen, die kleine türkische Festung Jsaktscha cer-
niren, und dann die ziemlich gute Straße nach Babadagh, die
auch für stark bespannte Geschütze Fortkommen gewährt, be-
nutzen wird, um von letzterem Ort vermittelst fahrbarer Straßen
auf w'e Eisenbahn die von Tschernawoda nach Küstendsche führt
zu gelangen, und sich derselben zu bemächtigen. Gelingt de.«
Russen wirklich diese Unternehmung, und kommen sie in den
Besitz dieser Eisenbahnlinie, oder nöthigen auch nur die Türken
zu deren Zerstörung, so haben sie einen ungemein großen Vor-
theil damit erreicht Bildet diese Eisenbahn doch jetzt weit die
wichtigste Linie, auf welcher den türkischen Truppen an der
Donau Munition und Proviant zugeführt wlrd. Der zweite
Uebergang von mindestens 60,000—70,000 Mann dürfte wahr
scheinlich von Oltenitza nach Turtukai geschehen. Gelingt eS
den Russen fyiet eine Schiffbrücke zu bauen und solche gegen
die türkischen Monitors * durch Torpedos oder andere Mittel
zu schützen, so haben sie sehr viel gewonnen. Von Turtukai
führt eine ziemlich gute Straße, welche die beiden Festungen
Silistria und Rustschuk mit einander verbindet, und ist ersterer
Ort in russischem Besitz, so können CernirungSkorpS von 20,000
Mann sehr leicht von dort aut gegen jede dieser Festungen
abgesandt werden, während eine dritte russische Armee die
ziemlich gute Straße, die vvn dort auS nach RaSgrad an der
Varna-Rustschuker-Bahn führt, leicht benützen kann. Ist auch
letztere Bah» erst in russischem Besitz, oder von den Türken
nothgedrungen zerstört worden, so können alle türkischen Fest-
ungen wie Truppen an der Donau weder Proviant noch
Munition mehr erhalten und die Russen vermögen sie durch
Cernirung und Aushungerung leicht zur Kapitulation zu
zwingen, ebenso wie die Deutschen daS 1370 bei Metz und
Paris gethan haben. Freil ch dürften die türkischen Truppen