gierung im Ausland mißlangen, die Türkei unerwarteter Weise
hinlänglich Geld fand um ihre Rüstungsausgaben baar in
klingender Münze zu bezahlen. Die auf der russischen Bot-
schast in Konstantinopel versammelten Bevollmächtigten haben
sich, wie eS scheint, durch die wohlbekannte Geschicklichkeit deS
Generals Jgnatieff etwas überrumpeln lassen, und die Vor-
fchüge der Conferenz sind in Wahrheit in mehreren Punkten
unannehmbar für die Pforte."
Wenn die Verhältnisse der Türkei dieser Schilderung auch
«ur annähernd entsprechen, so werden die Türken noch nicht
so schnell nachgeben und einem „demüthigen Nachgeben" den
Krieg mit Rußland vorziehen. So lange die Pforte sich als
selbstständiger Staat fühlt, wird sie aber die Forderungen der
Mächte, die ihre Selbständigkeit angreifen, zurückweisen, und
dies dürfte dann schließlich doch den Krieg unvermeidlich machen.
Deutschland. Die Verurteilungen gegen kathol. Bischöfe
wegen ihres Widerstandes gegen die Maigesetze dauern unun-
verbrochen fort. Gegen den Bischof von Ermlar.d ist vom Ober-
Präsidenten v. Horn wegen Nichtbesetzung einer Pfarrstelle eine
Strafe von 1000 Mark festgesetzt. Der Bischof von HildeS-
heim ist im Laufe deS verflossenen Jahres zu nicht weniger als
87,600 Mark Geldbuße verurtheilt worden. —
Die Wahlbewegung ist nach den Zeitungsberichten ordent-
lich im Gange. Jedoch scheint nach einer Korrespondenz der
„AugSb. Allg. Ztg." mitunter eine ganz eigenthümliche Hand
habung deS VereinSgesetzeS durch die Polizeiorgane gegenüber
der CentrumSpartei stattzufinden. So wurde letzter Tage wie-
der in Viersen (Rheinprovinz) eine von der CentrumSpartei
veranstaltete Wählerversammlung von dem überwachenden Po- (
lizeikommissär deßhalb aufgelöst, weil ein Redner sich die scherz-
hafte Aeußerung erlaubt hatte, daß Fürst Bismarck gewisser-
maßen sein College sei, indem er, wie dieser, auch einmal in
Bildern reden wolle. Und so etwaS kann sich in derselben
Provinz wiederholen in der ein Polizeibeamter erst vor kurzer
Zeit von oben herab einen Verweis darüber erhalten hatte weil
von ihm gleichfalls eine Versammlung wegen der vom Abg.
Majunke hingeworfenen Aeußerung geschlossen worden war:
daß Fürst Bismarck doch auch ein sterblicher Mensch sei. Eine
gleiche Befangenheit entwickelte an demselben Tage der Bür»
germeister von Kettwig, indem er ebenfalls eine Wählerver-
fammlung der CentrumSpartei auflöste weil der erste Redner
mit der Verlesung deS von allen Zeitungen unbeanstandet ver-
breiteten Wahlaufrufs dieser Partei dem Gesetz zu nahe getre-
ten sei. Dergleichen Willkürlichkeiten machen am Rhein na-
türlich nur böseS Blut.
Neueste Nachrichten.
Wien- 8. Jänner. Die „Polit. Corr." meldet aus Kon-
stantinopel: Die Aussichten auf eine günstigere Wendung ha«
ben sich nicht gebessert. Die Pforte verweigert beharrlich sogar
die Einsetzung einer internationalen Commisston und den Mo-
duS der Ernennung der Gouverneure von Bosnien, der Her-
zegowina und Bulgarien, obwohl die Konferenz ihre Forderung
bezüglich der Zurückziehung der türkischen Truppen in die festen
Plätze und Hauptorte der genannten Provinzen aufgegeben.
Jgnatieff sprach die Unmöglichkeit neuer Zugeständnisse aus und
5 er Marquis von SaliSbmy miethete behufs seiner Abreise
einen Lloyddampfer.
Wien, 8. Jänner. Die Mächte verzichteten auch auf die
Forderung, daß die Pforte ihre Truppen auS den christlichen
Provinzen zurückziehen und aus die Festungen beschränken müsse.
MarquiS von SaliSbury sagte: „Ich habe die Pforte nur
forcirt behufs Verhütung eineS stärkeren Nachdrucks."
Wien. 8. Jänner. Klapka, welcher im Auftrag deS Sul-
tans die Armee infpizirte, fand 400,000 Mann marschbereit
und eine Million Hinterlader. Nach dem „Pester Lloyd" hängt
die Berufung deS Botschafters in Berlin, Grafen Karolyi,
nach Wien mit türkischen Versuchen zusammen Oesterreich von
Rußland ioSzulösen. — Die russische Division in Serbien
wurde förmlich aufgelöst. Tschernajeffs zurückgelassene Effekten
wurden licitando verkauft.
Bern, 8. Jänner. Der Große Rath hat nach eingehen-
der Berichterstattung ohne Diskussion die Anträge seiner Com-
misston betreffs Erwerbung der Bern-Luzerner Bahn fast ein-
stimmig genehmigt.
Et. Petersburg, 9. Jan. Auch die letzte Sitzung der
Conferenz brachte keine Entscheidung. ES zeigt sich immer
mehr, daß die Pforte in der promulgirten Verfassung eine Ab-
wehr gegen die Forderungen der Mächte sucht. Die Gränze
der Concessionen ist dieSseitS erreicht. Ebenso erklärten die
übrigen Mächte, daß sie an dem gemeinsamen Programm fest«
halten. Die Pforte wurde nicht gedrängt, sie wird auch gegen-
wärtig nicht gedrängt, aber an den in die mäßigste Form ge-
brachten Forderungen der Großmächte wird festgehalten.
Konstantinopel, 9. Jan. Ueber die gestrige Conferenz
wird weiter gemeldet: Die Delegirten der Pforte hätten die
Einsetzung einer internationalen Kommission und die Vorschläge
bezüglich einer andern Eintheilung Bulgariens absolut abge-
lehnt, dagegen sich nicht eben so absolut ablehnend zu dem
modtsicirten Vorschlag über die Ernennung der Gouverneure
verhalten; von den Delegirten der Mächte sei keinerlei Ulti-
matum überreicht, auch keine Entscheidung erzielt worden; die
Conferenz werde voraussichtlich im Laufe der Woche ihre
Thäliqkeit schließen.
Wien, 9. Jan. Die „Pottt. Corr." meldet auS Kon-
stantinopel vom Heutigen: Der Verlauf der gestrigen Sitzung
der Conferenz war unerwarteterweise ein nicht günstiger. Der
italienische Bevollmächtigte Corti erinnerte die Vertreter der
Pforte daran, daß sie die in dem Reformproject Andrassy'S
mit inbegriffene Commisston angenommen hätten, während sie
jetzt bloß die für ein Jahr in Aussicht genommene internatio
nale Commisston zurückweisen. Der MarquiS v. SaliSbmy
unterstützte Corti'S Ausführungen und hob hervor, daß die
Vorschläge der Conferenz die principiellen Grundlagen deS eng-
tischen Programms nicht überschreiten. Hieran knüpfte sich
eine versöhnliche Verhandlung worin mancher Punkt principiell
erledigt wurde.
Wien, 9. Jan. Der MarquiS v. SaliSbury betonte in
der gestrigen Conferenzsitzung die Übereinstimmung der letzten
Conferenzanträge mit den ursprünglichen Vorschlägen Lord
Derby'S, was eine Verständigung über die principielle An-
nähme mehrerer Punkte förderte.
Vermiedenes.
* In Wien hat ein Maurergeselle seine kranke Mutter
durch Erdrosselung ermordet und dann den Leichnam unter sein
Bett versteckt, in dem er noch zwei Nächte schlief Nachher
ging der Muttermörder mit zwei Gulden geraubten Geldes in
die verrufensten Spelunken und schließlich zum Landgericht, wo
er stch als Thäter deS bezeichneten Verbrechens meldete. Der
Vater deS Mörders, welcher außer der Stadt als Färber ar-
beitete und jeweilen nur am Vorabend eines Sonn- und Fest-
tageS heimkam, traf die Leiche seiner gemordeten Frau unter
dem Bette an.
* (Sine Riesenlaterne. Auf Galley Head, einem
Vorgebirge Irlands, wird in Kurzem eine merkwürdige Laterne
errichtet werden. Sie wird 1300 Fuß Gas in einer Stunde
konsumiren und während neblichen Wetters auf weite Entfer-
nung hin stchtbar sein. Ihr Licht wird sich dem von circa zwei
Millionen Kerzen gleichstellen.
* Seit mehreren Jahren wird eine neue Art Matrazen
in Deutschland fabrizirt und mit großem Erfolg in den Han-