Zoll- und GteuervereineS, bestanden hat, vom österreichischen
Standpunkte in keiner Weise wünschenSwerth; sie wäre den
fiskalischen Interessen abträglich und dem Handel und Verkehr,
den geschäftliche» Beziehungen zwischen Vorarlberg und Liech
tenstein sehr nachtheilig; durch die Zolleinigung mit Siechten-
stein hat das österreichische Zollgebiet in unserer Gegend na«
türliche Grenzen bekommen, im Westen bildet nämlich der Rhein
die Grenze, im Süden gränzt das Gebiet an den Paß Luzien-
steig und im Südosten find hohe Alpenübergänge. Diese Ver-
Hältnisse erschweren den Schleichhandel und vereinfachen die
Grenzbewachung. ES läßt fich auch nicht bestreiten, daß seit
der Zotteinigung mit Liechtenstein die Contrebande, beispielS-
weise in Tabak ganz entschieden abgenommen hat. Ferner
kommt der Umstand in Betracht, daß die Vorarlberger Eisen-
bahn liechtensteinisches Territorium durchschneidet; im Falle der
Richterneuerung deS Vertrages müßte das österreichische Zoll-
amt in der schweizerischen Anschlußstation Buchs zurückverleqt
werden, etwa nach Feldkirch, waS neben anderen Unzukömm-
lichkeiten auch Auslagen für Neubauten verursachen würde.
Ferner müßte an der ReichSstraße nach Liechtenstein im betref-
senden Grenzorte ein neueS ZollamtSgebäude errichtet werden,
weil das alte Zollhaus vor einigen Jahren an einen Privaten
verkauft wurde, also eine neue Auslage.
ES muß ferner hervorgehoben werden, daß Liechtenstein ein
Absatzgebiet für verschiedene österreichische Erzeugnisse bildet,
allerdings ist eS ein kleines Gebiet, aber der Absatz dahin ist
dennoch für manche Kaufleute von Wichtigkeit, von erheblicher
Bedeutung.
Wäre nun Liechtenstein vom'österreichischen Zollverbande
ausgeschlossen, so würden dessen Bewohner ihre Bedürfnisse in
einer Reihe von Artikeln zum großen Theile in der Schrveiz
decken, die Einfuhr aus Oesterreich würde sich vermindern zum
Schaden des Kleinhandels.
P' Ich muß noch erwähnen, daß r in den letzten Jahren in
Liechtenstein mehrere Baumwollwebereien von größerem Umfange
erbaut worden find, dabei haben fich theilweise auch Vorarl-
derger betheiligt, in der Meinung, daß die Zolleinigung mit
Oesterreich nicht mehr in Frage gestellt werde. Diese Fabriken
würden nun — ich darf wohl sagen — in ihrem Lebensnerv
getroffen durch den Zollausschluß, und dadurch müßten, wie
angedeutet, auch Inländer zu Schaden kommen.
Ausgehend von solchen Erwägungen, bat denn auch die
Vorarlberger Handelskammer sich für die Zweckmäßigkeit der
Äertragöerneuerung ausgesprochen.
Eine finanzielle Mehrbelastung resultirt auS den am frühe-
ren Vertrage vorgenommenen Aenderungen nicht.
Der Motivenbericht thut dar, daß die Erhöhung der Mi-
nimalgarantie vom Reineinkommen an Zöllen, VerzehrungS-
steuern, an dem Erlöse für Tabak u. s. w. von l. fl. 90 kr.
biS auf 2 fl. 20 kr. per Kopf der Bevölkerung ganz wohl zu
gestanden werden konnte, da ja die faktische Einnahme per
Kopf nach Abzug von 25 Perzent für Regiekosten nach dem
Durchschnitte der letzten sechs Jahre 2 fl. 67 kr. ausmacht.
ES handelt fich lediglich darum, daß Liechtenstein schneller
in den Besitz eineS gewissen TheileS seiner Revenue gelangt,
als eS bisher der Fall gewesen, weil der Mimmalreinertrag
in vierteljährigen Raten im vornhinein an die liechtensteinische
LandeSkasse bezahlt werden soll.
WaS nun den Umstand betrifft, daß Liechtenstein sich daS
Recht vorbehält, unbeschadet der Vertragsverhältnisse mit Oester-
reich in der Währungsfrage selbstständig vorzugehen — das
heißt die Goldwährung einzuführen — so kann ich nur die
Angabe deS Motivenberichks bestätigen, welche besagt, daß
dadurch lediglich der faktische Zustand legalisirt wird.
Seit nämlich auch unsere Silbergulden schwankende Werthe
geworden, handelt man in Liechtenstein im Privatverkehr mei-
AenS in Franks.- österreichische Noten und Silbergulden wer
den nur zum jeweiligen Curse genommen. Ja, man ist sogar
übereingekommen, von Zeit zu Zeit in der LandeSzeitung M
Curse zu publiziren, zu denen österreichische Roten und Gulden
genommen werden sollen. Die Liechtensteiner wollen eben die
Silberwährung nicht länger haben; dnS kann uns aber ganz
gleichgültig sein, da nach den Stipulationen die BertragSver-
Hältnisse mit Oesterreich dadurch in keiner Weife tangirt werden.
ES könnte noch die Frage aufgeworfen werden, ob eS fich
nicht empfehlen würde, eine völlige Vereinigung Liechtensteins
mit Oesterreich etwa durch einen AccessionSvertrag anzustreben.
Abgesehen von dem zweifelhaften Werthe einer solchen Ver-
einigung in finanzieller Beziehung — ich sage daS im Hinblick
auf die Userbauten am Rhein — glaube ich, daß solche Be-
strebungen.von vornherein schon an der Opposition der liech-
tensteinischen Landesvertretung scheitern würden; denn Liechten-
stein befindet fich wenigstens insofern? in einer beneidenSwerthen
Lage, als eS daS einzige Land in Europa ist, welches keine
Blutsteuer zu entrichten hat, — die bewaffnete Macht nämlich,
bestehend in 60 Mann, welche zu einem der Heerhaufen deS
alten deutschen Bundes gehörten, ist nach dem Frieden von
1866 als völlig überflüssig ausgelost worden. Ich empfehle
dem hohen Haufe nochmals die Annahme des AuSfchußantrageS.
Ausland.
Die Dinge km Orient sind noch immer in der Schwebe.
Die Conferenz tagt noch in Constantinopel und die erwartete
Entscheidung ist noch nicht eingetroffen. Die Zeitungsberichte
bringen bald friedliche bald kriegerische Mittheilungen. Soviel
scheint jedoch festzustehen, daß der schließliche Erfolg der Eon-
serenz kein günstiger sein wird und daß die schönen Friedens-
Hoffnungen fast nur mehr schöne Träume sind. Die Türkei,
die eben sich selbst eine neue Verfassung gegeben hat, scheint
noch nicht so schwach und krank zu sein, als man annahm,
und ein „ gemächlicher Spaziergang" der Russen nach Constan-
tinopel scheint in der Widerstandsfähigkeit der Türkei bedeutende
Hindernisse in sich zu bergen. Die Vorschläge der Conferenz-
mächte sind nach den neuesten Telegrammen von der Pforte
nicht angenommen worden. Die „Republ. Franc " sagt
hierüber:
„Die Aufnahme, welche die Vertreter der Pforte den Vor-
schlügen der Mächte haben angedeihen lassen und ihre Haltung
auf der Conferenz können nicht übermäßig überraschen, im Ge-
gentheil wäre eS sehr erstaunlich, wenn sich die Pforte demü-
thig vor dem Willen der Mächte beugen und ihrerWürde und
den HoheitSrechten deS Sultans Abbruch thun lassen würde.
Man hat auf der Conferenz nicht genug an die militärische
Lage der Türkei gedacht; man hat nicht hinlänglich den Ge-
danken erwogen, daß die türkischen Truppen die Sieger über
Serbien sind, daß sie die Montenegriner auö der Herzegowina
vertrieben, daß die türkische Gewalt, wenn auch in barbarischer
so doch in sehr wirksamer und wahrscheinlich endgültiger Weise
die revolutionären Bestrebungen in Bulgarien unterdrückt hat;
man hat nicht an das furchtbare Panzergeschwader unter dem
Befehl eines Seemanns ersten RangS, Hobbart Pascha, ge-
dacht — ein Geschwader, welches die Fahrt durch daS Schwarze
Meer für die Russen sehr gefährlich, wenn nicht unheilvoll,
machen kann; man hat nicht daran gedacht, daß die 300,000
Mann solide Truppen, welche so furchtbare Stellungen, wie
den Balkan vertheidigen, und sich auf eine so feste erste Ver-
theidigungSlinie wie die Donau stützen, schwer in die Wage
fallen, und dem Widerstand der Pforte eine gewisse Kraft ver-
leihen müssen. Man hat vielleicht auch die Schwierigkeiten und
Langsamkeit der russischen Mobilmachung mit dieser sehr gün-
stigen militärischen Lage der Pforte nicht in Vergleich gebracht,
und den eigenthümlichen Umstand nicht gehörig beachtet daß,
in dem Augenblick wo die AnlehnSversuche der russischen Re-