Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1877)

der allgemeinverdächtigendenGeheimnißthuerei 
offen und speziell die Namen nennen. Wer einmal 
meint derartige Anklagen öffentlich erheben zu sollen, der hat 
auch die Pflicht, offen die betreffenden Personen rundweg zu 
nennen und den öffentlichen Beweis für die Anklage zu er- 
brmgen. 
DaS ist wenigstens ein ehrliches Spiel, wenn eS auch mit 
der Münzfrage keineswegs in engerer Verbindung steht. 
Dr. Alb. Schädler. 
Ausland. 
Die Mächte haben das russische Protokoll in London unter- 
zeichnet. Ob damit auch der Friede gesichert wurde, ist eine 
andere Frage; denn die Nachsätze deS Protokolls leiven an so 
viel Bedingungen, daß verschiedenen Seitensprüngen Thür und 
'Thor geöffnet werden kann, wenn man will. Zudem scheint 
eS nach den neuesten Nachrichten überhaupt noch sehr fraglich, 
ob die Türkei die Protokollvorschläge annehmen wird. Für 
die Pforte resp. für den Bestand deS türkischen Reiches kann 
eS eben unter Umständen gefährlicher werden , Zugeständnisse 
im friedlichen Wege zu machen, die den Bestand des Reiches 
mehr erschüttern können als der Krieg selbst. Die Beachtung 
dieser verschiedenen möglichen Hindernisse hat denn auch in 
den letzten Tagen die Vertrauensseligkeit auf den europäischen 
Frieden wieder ziemlich verwischt. Man zweifelt und fürchtet 
wieder und wir bleiben bei dem Ausdrucke, den wir in der 
vorigen Nummer über Ausland brachten: das unterzeichnete 
Protokoll klingt noch nicht wie ein volles Ostergeläute deS 
Friedens. — 
Der deutsche Reichskanzler Bismarck hat seine 
Entlassung eingereicht. Ob seine ^ nervös zerrüttete" Ge- 
fundheit, oder „Reibungen" in Hof- oder Ministerkreisen, oder 
gar „orientalische Dinge" den vielbekannten Mann zum Rück- 
tritte bewogen, ist auS dem Wirrwarr von Vermuthungen nicht 
leicht zu ersehen. Vorderhand soll übrigens aus der gänzliche»! 
Entlassung t Jahr Urlaub werden. Als Nachfolger resp 
Stellvertreter von ihm wird schon eine ganze Reihe hervor- 
ragender Staatemänner genannt. 
Verschiedenes. 
Wallenstadt. Ueber das Schauderdrama und die Ler- 
Haftung der beiden Mörder bringt der „Bote am Wallenfee" 
folgende nähere Angaben: 
Eine ernstere Charwoche hat Wallenstadt vielleicht noch nie 
gefeiert, als dies Jahr. Seit dem Morgen des Palmsonntag, 
da die erschütternde, unglaubliche Kunde von dem bekannten 
Raubmord unter die hiesige Bevölkerung drang, war tieser 
Ernst auf Jedermanns Stirne aufgeprägt, vor Angst und 
Schrecken zitterten die Krauen und auch die Männer fühlten 
sich unsicher und bewaffneten sich in ihren Häusern, sobald daS 
unheimelige Dunkel der Nacht sich ausbreitete. Selten sah man 
nach 9 Uhr Abends noch Jemand auf der Straße oder in den 
Schenken und nur der Tritt der verstärkten Nachtwache war 
in den verödeten Straßen hörbar. Den Tag hindurch, wo 
zwei oder mehrere Personen sich trafen, wurde von nichts An« 
derem gesprochen, als von dieser grausigen Mordthat, und ein 
Jeder wünschte die Rache deS Himmels aüf die Mörder her- 
nieder. So wurde in großer Bangigkeit die Charwoche durch- 
lebt, ohne daß man bis zu Ende derselben Gewißheit von den 
thierischen Thätern hatte. Die Polizei war indessen Tag und 
Nacht auf den Füßen, um den Mördern auf die Spur zu 
kommen, und so wurde denn auch schon Montag den 26 März 
durch den hier stationirten Landjäger Eigenmann ein gewisser 
Karl Giger von Quinten, Taglöhner in Wallenstadt, verhaftet 
und ta'S Verhör gezogen, nachher.dann aber wieder freige- 
lassen. Da nun aber die Nachforschungen der Polizei ergaben, 
daß die Aussagen und Angaben Giger'S unrichtig waren unv 
außerdem neue, sehr gravirende Indizien aufgetaucht waren, 
die zum Theil von seinem eigenen Schwiegervater (waS diesem 
zur größten Ehre gereicht) der Polizei hinterbracht wurden, so 
arretirte Wachtmeister Eigenmann benannten Giger Donnerstag 
den 29. März und brachte den Verdächtigen in'S Gefängniß. 
Eigenmann bemerkte auch, daß Giger am Halse gekratzt war 
und auf der Brust blittunterlaufene Stellen trug. Sofort wurde 
ein ärztlicher Untersuch vorgenommen, welcher konstau'rte, daß 
Quetschungen und Masen, die sich auf dem Leibe deS Ver 
dächtigen vorfanden, wahrscheinlich von den Faustschlägen, die 
der ahnungslos Überfallene Welcher gegen diesen Angreifer 
noch geführt haben mag, herrühren. Natürlich wurde dem 
BezirkSammannamt auch sofortige Anzeige gemacht, welches sich 
hieher verfügte, um mit aller Thätigkeit die Verhöre vorzu- 
nehmen und den Schuldigen seiner grauenhaften That zu über- 
weisen. DaS Hauptresultat wurde am Charsamstag erzielt, wo 
Giger dem BezirkSammannamt in einem Verhör, das von 2 
Uhr Nachmittags bis AbendS 7 Uhr dauerte, eine so einläßliche 
Beichte niederlegte, wie er wohl seiner Lebtag nie gethan. 
Er bekannte, Mithelfer am Raubmorde der Eheleute Mel- 
cher gewesen zu sein, und gab als Mitschuldigen Johann Meier, 
ebenfalls von Quinten und Taglöhner in Wallenstadt, an. 
Giger bezeichnete diesen als Anstifter der vollbrachten That, 
waS allerdings den Gerichte» zu konstatiren übrig bleibt. 
Daß die Unmenschen mit absichtlichem Morde in'S HauS 
eindrangen, geht schon daraus hervor, daß Giger mit einem 
Knüttel und Meier, nach Giger'S Aussage, mit einem Beil be- 
waffnet war. Zuerst versuchten sie die HauSthüre mit einem 
Dietrich zu öffnen; da aber oieseS Manöver nicht gelang, weil 
inwendig noch eilt Riegel vorgeschoben war, so klopften sie 
an der Thür an und veranlaßten Melcher, dieselbe zu öffnen, 
indem einer ihm zurief, er hätte ihm noch einen sehr wichtigen 
Brief zu überbringen. AlS Melcher die Thüre geöffnet, feien 
sie gemeinsam auf ihn loSgedrungen, und als er der Frau ge- 
rufen, sie solle das Gewehr herbeibringen und sie mit demselben 
herbeikam, habe Meier ihr dasselbe entrissen und damit, auf 
Melcher losgeschlagen und ihm die Beine zerhackt. Die Frau, 
die auch schon verwundet gewesen, soll sich dann zur hintern 
Thüre binauS geflüchtet haben, worauf Meier den Giger auf- 
forderte, ihr nachzueilen und sie zu tödten, fönst seien sie ver- 
rathen. Giger habe sich dessen geweigert, dann sei Meier ihr 
nachgesprungen uns habe sie erschlagen. Unterdessen, sagte 
Giger, habe er auf den am Booen liegenden Melcher noch ein- 
gehauen und na.vher, als Meier zurückkehrte, hätten sie mit- 
einander Alles durchsucht. Er selbst habe kein Geld gefunden. 
So weit ist uns Giger'S Geständniß bekannt. 
Auf diese Aussagen hin suchten natürlich die beiden Poli- 
zisten Spyrig und Eigenmann den Meier Samstag AbendS 4 
Uhr sofort auf und fanden ihn auch in Herrn Schneeli'S Reb- 
b-rg bei der Arbeit. Er schien so gefaßt, als wenn er ganz 
unschuldig wäre und rauchte seine Pfeife, bjS ihm endlich einer 
der Polizisten befahl, dieselbe auS dem Maul zu thu«. AbendS 
halb 9 Uhr wurden dann Beide geschloffen nach dem Bahn- 
bsf tranSportirt, um sie nach MelS zu liefern, wo die weitern 
Verhöre stattfinden und mit Dienstag den 3. April ihren Fort- 
gang genommen Huben werden. 
Auf dem Wege nach dem hiesigen Bahnhof und im Wart- 
saale daselbst schaute Meier ganz ungenirt auf daS Publikum 
und marschirte ziemlich festen Schrittes davon; Giger hingegen 
war übermannt und konnte sich kaum mehr aufrecht erhalten. 
Thatfache ist, dag Giger und Meier schon längere Zeit mit- 
einander in Herrn Schneeli'S Rebberg, der westlich von Mel- 
cher'S Heimwesen liegt, arbeiteten Meier soll am Palmsonn- 
tag Vormittag, als m der „Dünelen" die Obduktion der Ge 
mordeten stattfand, auch unter der Menge Volk daselbst gesehen 
worden sein, und als am Dienstag den 27. März die Leich'
	        

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