Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1877)

nicht die armen verschuldeten Bauern stnd noch sein wollten, 
wie sie sich letzt selbst nennen, gefallen sich nun darin einen 
Zustand im Lande zu erhalten, der den Kredit des Landes nach 
Außen verdirbt, die eigene Bevölkerung schädiget. Endlich ist 
der Verlust, der durch die Entwerthung des österreichischen Sil- 
berguldenS erwächst noch gering im Vergleiche zum unberechen- 
baren Schaden, der im täglichen Berkehre entsteht. Muß der 
Bauer seinen Kaffee, sein Petroleum, sein Brod, sein Mehl 
u. s. w. nicht jetzt schon faktisch gegen die Goldwährung kau 
fen, d. h. mit einem Aufschlage von 15—20%? Der Han- 
delSmann bezieht seine Waare, die der Bauer unumgänglich 
nochwendig haben muß, zum großen Theile vom Auslände, 
namentlich Vorarlberg mit dem Liechtenstein jetzt zu verkehren 
hat, wo er dieselbe in Goldwährung zu bezahlen hat, und so 
ist der Kaufmann genöthiget, das „Mehr* der Goldwährung 
auf die Waare zu schlagen, weil er dieselbe nur gegen entwer- 
theteS Geld absetzen kann; daher AlleS so theuer. Faktisch ist 
die Goldwährung längstens schon eingeführt für AlleS waS der 
Bauer kauft, waS er dagegen verkauft und verdient, dafür muß 
er sich mit entwerthetem Gelde bezahlen lassen, um dann das 
selbe Geld, daS er für voll eingenommen hat, dem Haudlungs- 
manne, der eben seine Waare gegen gutes Geld einkaufte, mit 
15—20% Verlust hinzugeben. Man rechne einmal diesen 
Verlust nach! Und wie könnten wir denn erst unsere Waare 
mit entwerthetem Gelde kaufen, wenn einmal in Oesterreich 
Zölle in Goldwährung eingehoben werden sollten, wovon man 
in Oesterreich selbst stark spricht, wie ich eS selbst von österrei 
chischen Beamten hörte? 
Wer solche Umstände unparteiisch betrachtet, der kann eS 
doch keinem verargen, wenn er innerhalb des Gebietes aller 
Gesetzlichkeit, gegen eine Währung stch ausspricht, die solche 
schädliche Verhältnisse geschaffen hat, sie immer allgemeiner 
macht, und daS Ländchen ganz um seinen auswärtigen Kredit 
bringt, eS müßte denn Jemand für stch allein das Monopol, 
über ähnliche Fragen sprechen zu dürfen, in Anspruch nehmen. 
Wüßte ich übrigens um solche mißliche Verhältnisse auch nicht, 
so könnte ich, alS Sohn der freien Berge, doch nie zu einer 
Sache stimmen, die auf dem Wege der Gesetzlichkeit und selbst 
durch AuSsendung von Werbern nach allen Gemeinden deS 
Landes und unter Anwendung j-neS Mittels, das, wiewohl es 
in vielen Fällen sehr wirksam »st, dessen Erfolg der Bauer in 
seinem altbekannten Kraftsprüchworte so kennzeichnet: 
5Schmieren und Salben 
Hilft allenthalben, 
Hilft es nicht am Herrn 
So hilft eS am Karrn. — 
doch von jedem Menschen, der nur einigermaßen Charakter hat, 
verabscheut ist, ich meine daS Geldschmieren, nicht erreicht wurde, 
doch endlich auf der abschüssigen Bahn deS in allen Lagern 
verpönten „FaustrechteS" durchgesetzt werden soll. 
Wenn in dem Artikel: »Restektionen der Streiflichter", die 
angeblichen — mehreren Bürger — von Ruggell dem Hos- 
kaplan in Schaan die bescheidene Weisung geben, er möge die 
ruhigeren und gemütlicheren Geistlichen deS Unterlandes zum 
Vorbilde nehmen, so glaube ich, daß dieselben damit weder den 
hochwürdigen Geistlichen des Unterlandes ein besonders ange- 
nehmes Compljment, noch mich mundtodt machen. Ich gratulire 
meinen hochwürdigen Herren Mitbrüdern des Unterlandes, daß 
ste die Weisung deS göttlichen Heilandes: „Estote prudentes 
«out serpentes" d..h. seid klug wie die Schlangen, in „ihrer 
Lage" .befolgen. WaS mich anbelangt, brauche ich diese Klug- 
heit in puncto HährungSangelegenheit nicht so ängstlich zu be- 
obachten, so lange ich mich innerhalb der Grenzen der Gesetz- 
lichkeit bewege und — nicht nach dem Unterlande komme; ich 
lebe, Gottlob, unter Bürgern, welche die persönliche Freiheit 
und das Recht eineS jeden Individuums, welches Kleid er immer 
tragen mag, ob grau oder schwarz, so weit zu achten wissen 
und für Ordnung solche Liebe beweisen, daß sie Jedem unge- 
hindert die vollkommene Freiheit lassen, frei und unumwunden, 
auch über die brennendsten Fragen unseres Jetzt sich auS»u. 
sprechen, ohne daß eS ihnen nur von Weitem einfallen sollte, 
mit den Schreckmitteln der Pariser Kommunisten zu drohen. 
Wenn fernerS dieselben über mich die Glosse, d. h. sich darüber 
lustig machen, daß ich vor wenigen Jahren noch matt und 
schwach gewesen sei u s. w, so stnd sie schlechte Witzereißer 
und werden auch von ihren Witzen wenig Ehre ernten. Sie 
können nämlich so gut wie ich wissen, daß ich nicht als matt 
und schwach nach Liechtenstein kam, sondern so kräftig und ge- 
sund, daß ich jeder Arbeit vorstehen konnte, und daß ich direkt 
von einer Pfarrei kam, die 500 Seelen stark, bis eine Stunde 
weit in's Gebirge hinauf stch erstreckte, die ich allein mit all- 
gemeiner Zufriedenheit pastorirte, so daß ich zu deren Pfarrer 
auch einstimmig gewählt wurde, welche Wahl ich aber nicht 
annahm; schwach und matt fing ich freilich an, nach und 
nach in der sumpfigen Gegend in der Nähe der angeblichen 
mehreren Bürger auS Ruggell zu werden, in einem feuchten, 
kalten, schattigen Wohnhause, wohin die Sonne Sommer und 
Winter nur stiefmütterlich ihre erquickenden Strahlen hinsendet. 
Also meine Herren Einsender, doch im verwunschenen Silber- 
.guldenlande, wie sie daS Ländchen zu nennen belieben, bin ich 
schwach und matt geworden, was selbst den mehreren Bürgern 
von Ruggell auch noch begegnen kann. 
WaS die wohlwollende Weisung anbelangt, welche die vorge- 
schobenen mehreren Bürger von Ruggell im speziellen dem Hof- 
kaplan von Schaan und zugleich allen hochwürdigen Herren 
auS Graubünden, da6 spöttisch die mehreren Aürger von Rüg- 
gell nur daa Blutzgerland nennen, so sei mir gütigst erlaubt, 
den weisen Rathgebern von Ruggell zu bemerken, daß ein Hof- 
kaplan in Schaan sowohl als alle die übrigen hochwürdigen 
Herren aus dem Blutzgerland, nicht auf Schleichwegen in 
Liechtenstein angestellt worden seien, sondern daß wir den kirch 
lichen und staatlichen Gesetzen durch den öffentlichen Konkurs 
nachkamen, ergo per oitium Intravimus, d. 6. durch den streng 
gesetzlichen Weg kamen wir in den Besitz unserer Psrundbene- 
fizie«. Wenn nun die hochwürdigen Herren aus Liechtenstein 
auf die heimathlichen Pfrundbenefizien nicht aspirirten, wer ist 
deun da Schuld? Wenn dieselben hochw. Herren die Gemüth- 
lichkeit deS italienischen Sprichwortes: „Chi sta bene, non si 
move* d. i. „Wer bequem ruht, sitzt, rührt sich nicht", genießen, 
wer wollte dieselben doch aus ihrer behaglichen Ruhe aufstören! 
Die mehreren Bürger von Ruggell sollen sich merken, daß man 
anderSwo auch noch vergnügt lebt und sein ordentliches AuS- 
kommen findet, und daß in Liechtenstein nicht nur lauter „fette" 
Pfründen sind, sondern mitunter ziemlich „ magere", um die 
die im Auslände sich befindlichen hochw. Herren auS Liechtrn- 
stein, die Herren auS dem Blutzgerlande, welche dieselben Psrün- 
den gegenwärtig besetzen, sicher nicht beneiden werden. Oder 
drückt eS denn den Herren Ruggeller-Bürgern gar so schwer 
auf den Magen, daß an Geistlicher auS dem Blutzgerlande 
daS fürstliche Hoskaplanei-Benefizium von Schaan besetzt haltet? 
Der Hofkaplan von Schaan darf schon sagen, ohne die Be- 
schetdenheit dadurch zu verletzen, daß sein Magen mit einem 
Gehalte von ungefähr 500 entwertheten österreichischen Silber- 
gülden, die er zum größten Tbeile noch der Oekonomie abgewinnen 
muß, ganz und gar nicht überfüllt ist, und daß er in den 11 
Jahren, die er auf dem fürstlichen Hofkaplanei-Benefizium zu 
Schaan ist, weder körperlich noch ökonomisch fett geworden ist, 
waS Jeder bekennen muß, der denselben persönlich kennt und 
mit seinen ökonomischen Verhältnissen bekannt ist. Aspirirten 
aber Einer und Anderer der hochw. Herren aus Liechtenstein 
auf ein heimathlicheö Pfrundbenefizium und zogen Seine Durch- 
laucht, unser gnädigster Fürst, und die anderen Tit. Patrone 
einen Geistlichen aus dem Blutzgerlande vor, so ist daS daS 
schönste VertrauenS-Votum seitens Seiner Durchlaucht unseres
	        

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