Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1877)

Ottigen Interessen der betreffenden Sta tten erheischen eine solche 
lokale Verwaltung, welche die Rechte aller unverletzt anerkenne 
und aufrechterhalte; eS empfehle sich deßhalb eine'sorgfältige 
gleichmäßige Wahrung der Interessen beider Racen, und die 
loyale aufrichtige Unterwerfung unter die Verfassung und die 
StaatSgesetze als die sicherste Grundlage einer solchen Selbst- 
Verwaltung, Auch sei dieser Frage gegenüber jeder Parleihader 
zu vermeiden. In den Süvstaaten handle eS stch lediglich 
darum, die Herrschaft der sozialen Ordnung wieder herzustellen 
ober in die Barbarei zurückzusinken. Republikaner und Demo 
kraten müßten in dieser Frage vereint zusammengehen. Um 
die Wohlfahrt deS Landes weiter zu entwickeln und zur Ver 
besserung der moralischen Lage der Bevölkerung erscheine die 
Errichtung von Freischulen sehr geeignet, ^eine (HayeS') Po- 
litik gehe dahin: den Unterschied von Race und Farbe im Nor- 
den und Süden für immer zu vernichten um daS ganze Land zu 
größerer Einheit zu führen. Weitere Ziele seiner Regierung 
feien: eine radikale Reform deS bureaukratifchen Systems, die 
Aenderung der Staatsverfassung dahin, daß der Präsident 
künftig für sechs ^ahre gewählt werde, aber nach Ablauf seiner 
ÄmtirungSperiode m'cht wieder wählbar sein solle. Das Da- j 
niederliegen der Industrie, womit das Land seil 1873 kämpfe, 
daure jetzt noch fort, doch seien einzelne Zeichen erkennbar, 
welche daS Wiederaufleben derselben hoffen ließen. Durch daS 
uneinlösbare Papiergeld werde Unsicherheit im Handel hervor- 
gerufen, als daS einzige sichere Pap ergeld fei das auf Hagjg| 
geld basirte anzusehen; daher sei eine Gesetzvorlage zur Wieder-'^ 
aufnähme der Hartgelozahlungen ganz unerläßlich. Bezüglich 
der auswärtigen Angelegenheiten erwähnt HayeS die inter- 
nationalen Verwicklungen, welche den europäischen Frieden be- 
drohen, und betont: die Politik der Union, sich in die Ange 
legenheiten anderer Mächte nicht einzumischen, müsse ausrecht 
erhalten werden. Er gedenkt dann rühmend der Politik seines 
AmtSvorgängerS, welcher ernste Streitigkeiten durch SchledS- 
gerichte zum Äuötrag bringen ließ — eine Politik, welche den 
andern Nationen als nachahmenSwertheS Beispiel dienen fönne 
und daS er selbst befolgen werde, falls während seiner Ver 
waltung Streitigkeiten entstehen sollten. Die Botschaft schließt 
mit der Ermahnung zur Einigkeit, damit Religion, Friede, Glück, 
Wahrh.-lt unr Gerechtigkeit für immer in der Nation zur Herr- 
schaft gelangen möchten. 
Bezüglich des Ganges der orientalischen Frage ist 
Wieder ein biSchen „Probierstillstano" eingetreten. IgnatieH^ 
hat seine Rundreise an ote europäischen Höfe bereits angetretM 
und zuerst in Berlin Rast gehaltet! und man wird also an- 
nehmen dürfen, daß noch einmal sonvirt werden soll, entweder 
wie sich Europa einem sofortigen Losschlagen Rußlands gegen- 
Über stellen würde, oder zu lvelcher , Aktion" eS sich herbei- 
lassen möchte, um dieses Losschlagen zu verhüten. 
Ein Korrespondent der „AugSb. Allg. Ztg." berichtet sehr 
zutreffend über die jetzige Lage Rußlands: 
„Rußland kommt auS dem Dilemma nicht herauS: eS kann 
nicht abrüsten seiner europäischen Machtstellung wegen, ohne 
irgendwelchen Erfolg durch die Bewilligung sei eS noch so ge» 
ring-r, wenn nur thatsachlicher, Garantien seitens der Türkei 
erreicht zu haben — und es muß andrerseits den Krieg unter- 
nehmen ohne selbst die moralische Unterstützung vielleicht auch 
nur einer einzigen andern Großmacht. Die russische Politik 
hat sich in eine Sackgasse verfahren, über deren Schwierig- 
kMn auch die notorische und zweifellos aufrichtige Friedens- 
liebe deS Kaisers Alexander nicht hinwegzukommen vermag. 
Rußland goldene Prücsen deS Rückzuges zu bauen, ist vielleicht 
ganz Europa bereit; allein wie und wer soll eine Pression aus 
bis Türkei in dieser Richtung ausüben nach all den gescheiterten 
Versuchen? Wir wünschen und hoffen den Frieden; aber die 
Alternative deS KriegS scheint unvermeidlich. Alle die diplo- 
matischen russischen Schachzüge und Unterhandlungen der letzten 
Zeit haben, unserer Ansicht nach, den einen Zweck im Auge, 
eine Friss'biS Mni Frühjahr, bis zur besseren IahreSzeit, zy. 
gewinnen — und dann rollen die eisernen Würfel. Ob dann 
nach den ersten militärischen Erfolgen der einen oder der andern 
Seite ein Halt gebietendes Einschreiten Europas erfolgen wird, 
ob dteß auf einfachem diplomatischen Wege überall noch möge, 
lich sein kann, oder ob dann der entfesselte Racenkampf der 
Russen und Türken um die Existenz der Türkei selbst streiten 
wird, wer will dieß jetzt wissen? Lange jedoch kann dieses. 
Hangen und Bangen nicht mehr dauern. Gewehr bei Fuß 
die „Setbstauflösung" der Türkei abwarten zu wollen, hat viel- 
leicht die Auflösung Rußlands selbst mit im Gefolge. Abrüftey 
oder Krieg — die nächsten Wochen müssen die Entscheidung 
bringen." 
Verschiedenes. 
* Geflügelzucht in Frankreich. Nach dem „Cultsi 
vateur du Midi" besitzt Frankreich etwa 40 Millionen Hennetz, 
die, zu Fr. 2. 50 geschätzt, schon einen Werth von 100 Dil 
lionen Fr. darstellen. Von den Hennen wird alljährlich ei» 
Fünftel, also 8 Millionen, verzehrt, wozu noch 5 Millionen 
Hähne kommen, die zusammen ein Gewicht von 35 Millionen 
Pfund im Werthe von 32—33 Millionen Fr. ergeben. Obige 
40 Millionen Hennen liefern alljährlich mindestens 100 Mil 
lionen junge Hühnchen, wovon etwa 10 Prozent zur Aufzucht 
ko-umen, wahrend etwa ebensoviel durch Krankheit ic. vor der 
Zeit verloren gehen; es bleiben immerhin noch 80 Millionen 
Höhnen und Hühner, welche im jüngern Alter verzehrt, einen 
Werth von 120 Millionen Fr. ergeben; hierzu kommen noch 
' ungefähr 6 Millionen alS Mehrwerth für solche Thiere, die 
zu Kapaunen, resp. Poularven gemacht werden und ein erheb- 
lich stärkeres Gewicht, sowie ein schmackhafteres Fleisch ertan- 
gen Somit betragt der Fleischnutzen allein zusammen ein Ge- 
wicht von 35 Millionen Pfund im Werth von 158 Millionen 
Frtn oder für den Kopf der Bevölkerung 4 Fr. Die 40 
Millionen Hennen legen durchschnittlich 100 Eier, zusammen 
also 4 Milliarden, die zu etwa ö CtS. daS Stück gerechnet 
einen Werth von 40 Millionen Fr. ergeben. Beide Nutzungen 
zusammen machen die Summe von nahezu 400 Millionen 
Franken. 
* Die Rinderpest kam im Zahr 1707 aus der Tar- 
tarei über Rußland nach Polen und Dalmatien, verbreitete stch 
dann in Italien, Frantreich und auch von Littauen und Kur- 
land in Preußen, Pommeru, Mecklenburg, Holstein :c. Im 
Jahr 1713 brach sie auch in Holland aus und eS wurden 
allein in diesem Lanoe über 300,000 Rinder getödtet, wählend 
sie tn England in demselben Jahre, von Holland aus einge 
schleppt, in wenigen Monaten beseitigt wurde. Im Jahr 1717 
mußten »m Kirchenstaat etwa 2(5,000 R nder, in Piemont fqst 
daS Dreifache dieser Zahl getövtet werden. In den Jährest. 
1745—50 verlor Dänemark allein 280,000 Rinder an der 
Pest Im Laufe des 18. Jahrhunderts wülhete diese schreck^ 
liche Seuche in fast allen Ländern Europa'S und man nitprnt 
nach einer mäßigen Berechnung an, daß im Verlaufe dieses 
Jahrhunderts allein in Deutschland an 28 Millionen, in 
Europa aber an 2000 Millionen Rinder getödtet worden 
sind. 
* Ein billiger The?. Ein ebenso billiger wie ge<- 
sunder Thee sind die Blätter der kleinen Walderdbeere. Man 
sammelt dieselben in den Monaten Mai und Juni, trocknet sie 
an der Sonne und bewahrt sie wie 'oftindischen Thee aus. 
Beim Gebrauch gibt man drei bis 4 Theelöffel voll in eine 
Kanne, setzt ein wenig schwarzen chinesischen Thee hinzu und 
gießt etwa 4 bis 5 Tassen kochendes Wasser auf die Mischung, 
welche nicht allein einen angenehmen Geschmack hat, sondern 
auch gesünder und wohlschmeckender ist, alS der so oft mit 
schädlichen Stoffen versetzte ausländische Thee. Man kann
	        

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