Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1877)

steht daher zu erwarten, daß Brandegger's KinderglobuS überall 
eine recht freundliche Aufnahme in gebildeten Familien finden 
wird. Er zeichnet sich zunächst durch eine ganz praktische Ein- 
richtung aus , durch welche seine Handhabung den Kindern ge- 
läufig wird. Zu den Vorzügen gehört auch die deutliche Schrift, 
bie das Auge nicht anstrengt, dabei ist er frei von unnöthigem 
Material, so.daß sich die Vertheilung von Land und Meer 
vor dem jugendlichen Beschauer instruktiv entwickelt, wie die ge- 
genseitige Begrenzung des Starren und Flüssigen. Dadurch ist 
zugleich die wagrechte Gliederung der Continente markirt. Die 
Hauptgebirgszüge werden durch leichte Conturen angedeutet. Seine 
wahre Bedeutung erhält aber der Globus durch den beigegebenen 
„Leitfaden" von F. G. Schaehle, der den Gebrauch erläutert 
und 'in klarster, verständlichster Weise in die allgemeine Geographie 
einführt. Der Verfasser desselben wählte hiefür eine Form, die 
nicht nur der jugendlichen Fassungskraft entspricht, sondern auch 
dem reiferen Verstände Gelegenheit bietet, etwaige Lücken auf 
dem interessanten Gebiete auszufüllen. "Im Uebrigen macht der 
Kinder-Globus einen äußerst empfehlenden Eindruck, er ist ebenso 
schön und zierlich als dauerhaft und in der That sehr wohlfeil. 
München, im Oktober 1877." 
Vom Kriegsschauplätze 
ist die bedeutungsvolle Nachricht vom Falle Plewnas eingetroffen 
Die „A. A. Ztg" widmet diesem wichtigen Ereignisse nachfol- 
gende Worte: 
Plewna ist gefallen; Osman Pascha hat sich mit seiner 
tapferen Armee ergeben. Die Gründe dieser Katastrophe braucht 
man kaum anzuführen; sie liegen auf den Lippen aller, welche 
dem schrecklichen Kriegsdrama zwischen Donau und Balkan ge- 
folgt sind, und wer wäre demselben nicht gefolgt? Die Kata- 
strophe mußte eintreten, wenn die Vorräthe Osman Paschas 
aufgezehrt waren und nicht Rettung von außen kam. Die Vor- 
räthe gingen zu Ende, und die Hilfe^ von außen, vom Osten, 
Westen und Süden ist ausgeblieben. Weder Mehemed Ali Pascha 
ist im Stande gewesen sich den Weg bis vor Plewna zu er- 
zwingen, noch hat Suleiman Pascha rettend einzugreifen vermocht. 
Er führt nun schon über zwei Monate das Oberkommando über 
die türkische Hauptarmee, aber in dieser langen Zeit ist von ihm 
wenig genug geschehen; erst in den letzten Tagen hat er Vor- 
stoße begonnen, aber nicht kräftig und nicht rasch genug, so daß 
auch diese Operation, wenn sie überhaupt mit auf die Lage 
Plewnas berechnet war, im ganzen keine Erfolge brachte. Osman 
Paschas Einschließung ist seit dem 23. und 28. Oktober mit der 
Einnahme von Dabnik und Telisch vollständig geworden. Es 
sind seither sechs Wochen verflossen. Man hat in Konstantinopel 
also ziemlich lange Zeit vor sich gehabt, um die Armee von 
Sophia und Orkhanje in den Stand zu setzen, aktionsfähig zu 
werden; es geschah viel, aber nicht rasch genug, und die Russen 
hatten die Zwischenzeit selbst kräftig ausgenützt. Als Mehemed 
Ali heranrückte, befand sich der Feind in Stellungen von denen 
aus er ihn selbst gefährdete, ihm nicht blos den Vormarsch ver- 
legte. Noch war von einer Möglichkeit die Rede; man dachte 
daran, daß Osman Pascha, bevor er sich ergebe, Durchbruchs- 
versuche machen werde. Warum diese unterblieben, weiß man 
noch nicht mit Sicherheit; war der Muth der Soldaten Osman 
Paschas gebrochen? Oder war er der Ueberzeugung, daß seine 
Truppen zu schwach an Zahl dazu seien und diese Versuche nicht 
gelingen könnten und nnr zu nutzlosem Blutvergießen führen 
müßten? Wie dem sein mag; jedermann, welcher für Helden- 
muth und Ausdauer ein anderes Ende, einen anderen Lohn er- 
wartet als schließliche Waffenstreckung, wird tief bewegt sein über 
die Katastrophe, welche der Telegraph uns meldet. Seit dem 
Beginn des Sommers hat die kleine Armee Osman Paschas die 
Bewunderung der Welt erregt; fast so viele Feinde wie ihre 
eigene Zähl beträgt, hat sie in wiederholten schweren Schlachten 
zu Boden gestreckt, und ist aus ihren Stellungen, welche sie mit 
einer Kunst, die man den Türken nicht zugetraut, befestigt hatte, 
durch die Gewalt der Waffen, auch nicht einen Schritt abgedrängt 
worden. Die kleine Armee und ihr Führer haben sich mit Ruhm 
bedeckt. Jetzt ist alles zu Ende für diese tapferen Bataillone. 
In St. Petersburg herrscht Jubel. Mit Recht. Denn das 
Ende der Armee von Plewna bedeutet mehr als deren eigenes 
Ende. Die Armee des Großfürsten-Oberbefehlshaber ist nun frei. 
Sie wird einmal Mehemed Ali zurücktreiben, wenn dieser auf die 
Kunde von der Katastrophe sich nicht von selbst zurückzieht, sie 
wird die Armee des Großfürsten Thronfolgers verstärken, und 
nun die Operationsarmee Suleiman Paschas mit den überlegen- 
sten Massen bedrängen. Zahlreiche Bataillone werden frei wer- 
den, um nun ernstlich an den Balkan zu denken. Freilich nicht 
aller Widerstand der Türken ist niedergekämpft, aber die Russen 
haben mit dem Falle Plewnas nun an 100,000 Mann mehr 
zur Hand, als vor demselben. Wie vermöchte die Pforte das. 
Gleichgewicht der Kräfte dieser Lage gegenüber wieder herzustel- 
len, nachdem es ihr in sechs Wochen nicht gelungen war, Mehe- 
med Ali zu den Truppenbeständen von Ssphia und Orkhanje 
auch nur 30,000 Mann zuzuführen? Angesichts dieser Lage 
wie des Verlaufes der Dinge in Armenien erscheint es nicht un 
wahrscheinlich, daß man in Konstantinopel ernstlich an VerHand- 
lnngen denkt. Vielleicht treten nun auch die neutralen Mächte 
mit Vorschlägen hervor. Wird aber Rußland stehen bleiben 
wollen, wird es nicht erst seinen Erfolg vollständig militärisch 
ausnützen wollen? 
Nachschrift. Eben geht die militärische Meldung ein, daß 
Osman Pascha schließlich doch noch einen Durchbruchsversuch ge- 
macht habe, in der Richtung auf Widdin, daß dieser aber nach 
tapferem Kampfe mißlungen und daß Osman Pascha dabei selbst 
schwer verwundet worden sei. Den Hunger in den Eingeweiden 
und vom Froste geschüttelt, haben die Helden von Plewna noch 
einen letzten Kampf gewagt, bis ihnen die Waffe aus der er- 
matteten Hand fiel und sie erschöpft und blutend niedersanken. 
Neueste Nachrichten. 
Wien, 11. Dez. Der Club der Linken beschloß einstimmig 
folgende Erklärung abzugeben, daß der Beibehaltung der gegen- 
wärtigen Kriegsstärke von 800,000 Mann über 1878 hinaus 
nicht zugestimmt werde. Dieser Beschluß wurde einstimmig als 
bindender Clubbeschluß erklärt. Der Fortschrittsclub berieth das 
Wehrgesetz; sämmtliche Redner erklärten sich gegen die Vorlage 
und für die Notwendigkeit einer Reduzirung des Heeresaufwan-. 
des. Bei Besprechung der äußern Politik billigten sämmtliche 
Redner die Friedenspolitik Andrassy's, und alle dem Club ange- 
hörenden Delegaten erklärten; daß sie keinesfalls zu einem Ta- 
delsvotum gegen Andrassy mitwirken könnten, welcher Oesterreich 
vor einer Abenteurer-Politik bewahrt habe. 
London, 10. Dez. „Reuters Bureau" meldet aus Erze- 
r n m, 6. Dez.: General Loris-Melikoff ist mit seinem General- 
stab in Hassan-Kale eingetroffen. Sir Arthur Kemball ist noch 
in Parnakaban. 
London, 11. Dez. Die Morgenblütter, welche den Fall 
Plewna'6 besprechen, rathen der Pforte Frieden zu schließen. Die 
„Times" erachtet den Augenblick sehr günstig zu einer Mediation 
und hofft, die brittische Regierngg werde in dieser Richtung 
Schritte thun; der „Daily Telegraph" befürwortet eine gemein- 
same Mediation der Großmächte; „Standard" und „Morning 
Post" hegen ernste Besorgnisse für die Gefährdung der Interessen 
Englands. Das letztere Blatt plädirt eifrig für eine Interven- 
tion Englands zu Gunsten der Türkei. — Oberstlieutenant 
Methuen ist zum brittischen (nicht türkischen, wie neulich irrthüm- 
lieh gemeldet wurde. D. R.) Militär-Attache in Berlin ernannt 
worden. 
Paris, 10. Dez. Es ist unrichtig, daß der Senaispräsident 
Herzog d'Audiffret-Pasquier gestern Abend ins Elhsöe gegangen 
sei. Er that dieß vielmehr nur am Morgen und wurde da so-
	        

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