Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1877)

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erwarteten die Drei den Zug und etwa um 10 Uhr 30 Minu- 
ten legte sich Sch. zwi 
heran und die Freunde 
chen die Schienen. Der Zug brauste 
standen sprachlos, starr nach dem sich 
dunkel vom Erdboden abhebenden Körper blickend. Wenige Au- 
genblicke der höchsten Aufregung — der Zug ist zur Stelle, 
saust vorüber und entschwindet in der Ferne. Eine Weile noch 
stehen die beiden Zuschauer in athemloser Erstarrung, dann stür- 
zen sie auf ihren Freund zu und finden denselben anscheinend 
unverletzt, aber ohne Bewußtsein. Sie rütteln ihn und schnell 
gelangt Sch. wieder zu sich, höchst vergnügt über das Gelingen 
des an Wahnsinn grenzenden Streiches. Der Verlierer der 
Wette zahlte sofort den Betrag derselben, 75 Mark, aus, worauf 
die Gesellschaft in ihrem Wagen nach Berlin zurückfuhr, um 
daselbst ihre „That" unter lustigem Pokuliren zu feiern. In 
der Nacht kehrte Sch. sehr angeheitert nach Hause zurück und 
in seiner seligen Stimmung erzählte er seiner Frau von dem 
Wagstück. Sie erwiederte kein Wort, wie lebhaft ihr Gatte auch 
die Gefahrlosigkeit seines Beginnens zu beweisen suchte. Selbst 
Morgens, als er sie verließ, blieb sie schweigsam, und als Sch. 
Nachmittags nach Hause zurückkehrte, fand er einen Brief von 
der Gattin vor, in dem sie ihm mittheilte, daß sie sich vorläufig 
zu ihren Eltern begebe, denn unmöglich könne ein Mann, welcher 
solche Streiche verübte, seine Familie lieben. 
* Graubünden. (Brand in SchulS.) Am 5. Nov. 
Mittags IV/i Uhr brach im Hause des Bäckers Linz in Schuls 
Feuer aus, ob durch Fahrlässigkeit oder in Folge eines schlechten 
Kamins ist noch unermittelt. Das Feuer griff furchtbar schnell 
um sich. Die Häuser standen dort hart aneinander, die Ställe 
waren voll Futtervorräthe. Die Schulser Spritze war bald zur 
Stelle, aber es standen schon vier Häuser in hellen Flammen. 
Jede Anstrengung, dem Feuer Einhalt zu thun, war vergeblich. 
Bald erschien Hilfe der umliegenden Gemeinden SinS, Fettan, 
dann die übrigen eine nach der andern. Vereinter Kraft gelang 
es endlich, gegen 2% Uhr das Feuer zu bewältigen. Immer- 
hin aber sind 18 Häuser mit eben so viel Ställen, alle Futter- 
vorräthe, viele Lebensmittel, besonders Kornfrucht, Mobiliar ic. 
ein Raub der Flammen geworden. Versichert ist leider wenig. 
Die meisten Beschädigten sind kleine Bauern. Einige sind durch 
den Brand ganz arm geworden. 
Bttduz. Im Krebs-Zeichen. 
Der Nachtwächter. 
„Merk't auf, was ich euch nun will sagen: 
Der Hammer hat Elf Uhr geschlagen! 
Ich mach' euch also kund 
Die liebe Polizei-Stund." 
„Nach welcher Zeit?" wollt ihr mich fragen, 
Nach welcher Uhr soll ich euch sagen? 
! Den richtigen Meridian 
Ich euch nicht nennen kann. 
Zuerst sollt' d'Wiener Zeit hier gelten; 
„Das ist zu früh!" so hört man schelten, 
ES soll nur bayrisch sein, 
Das richtig ist allein! 
„Da solle ich all'weil regulieren 
Und Tag und Nacht die Zeit verlieren, 
Um einen Henkerslohn 
Und böser Zungen Hohn!" 
So ruft der Uhren-Regulierer, 
Der ungeduldig' Lamentierer. 
Jetzt steh'n wir hinter Bern! 
Wir schlafen halt so gern! 
Was nützt also das Telegraphen — ? 
Was in der Nacht das Photographen! 
Die Uhr doch immer geht, 
Wenn sie nicht stille steht, 
Bald z'früh, doch mehr zu spät! 
Ich muß indeß den KrebS-Gang machen: 
ES ist fürwahr nicht ganz zum Lachen! 
Statt Fortschritt — Krebsen-Bahn, 
Wie Jeder merken kann. 
Wer durch die Uhr sich läßt betrügen, 
Der kommt zu spät zu den Bahnzügen.' 
D'rum mach' nach eig'ner Uhr 
Die Dir beliebte Tour! 
Diese nachtwächterlichen Knittelverse werden durch neueste 
Thatsachen illustrirt. Ein Mann laus Vaduz war mit Fuhrwerk 
in Schaan, als es gerade 11 Uhr schlug und Mittag läutete. 
Als er in Vaduz ankam, hatte er das Vergnügen auch hier 11 
Uhr schlagen und Mittag läuten 'zu hören. Ein Anderer ging 
durch Schaan, da es dorten zwei Uhr schlug, er kam nach Va- 
duz und hörte auch hier zwei Uhr schlagen. Von Schaan nach 
Vaduz braucht man also keine Zeit! — Daß die Kirchen- 
Uhr von Schaan genau nach der Bahnzugs-Uhr daselbst gerichtet 
werde, ward wiederholt behauptet. Nach welcher Bahn- oder 
Telegraphen-Uhr soll und wird die Kirchen-Uhr von Vaduz ge- 
regelt? — Sie erscheint im Krebs-Zeichen, weil sie nicht einmal 
der spätesten Zeit, d. h. dem Telegraph von Bern nachkommt. 
Die Zeit-Verwirrung durch diese Uhr ist eine schon mehrjährige 
Thatsache. Woher dieser Mißstand? Man schiebt die Schuld 
oft auf den Regulierer derselben. Ganz ohne ist es zwar nicht. 
Aber der Hauptfehler liegt entschieden an der Uhr selbst. ES 
ist ein sehr schönes und für einen andern Platz auch solides 
Werk, das viel Geld gekostet, und wofür man dem großmüthigen 
Landesfürsten zum größten Dank verpflichtet ist. Allein dieses 
Werk ist im Thurms sehr unzweckmäßig aufgestellt. Die Leitung 
für die 8 Zeiger und für das Schlagwerk hat eine Höhe von 
wenigstens 30' nebst den notwendigen und verwickelten Trans 
lationen oder Übersetzungen. Eine solche Leitung muß jede Uhr 
unsicher machen und in kurzer Zeit verderben; zudem wird sie 
dadurch den äußern Einflüssen, z. B. dem Winde und Wetter 
zu sehr ausgesetzt. Daher die oft erfahrenen Uebelstände, die 
kein Doktor kurieren kann, solange das Uhrenwerk in der gegen- 
wärtigen Lage bleiben muß. Die allzu hohe Leitung könnte und 
sollte um etwa 20' abgekürzt werden, wenn man für die Uhr 
und für eine geregelte Zeitangabe sorgen will. Besser keine 
Kirchen-Uhr als eine solche, auf welche Niemand sich verlassen 
kann und man dafür nur den Spott hören muß. 
Des Weiteren kann es gleichgültig jfcta, nach welchem Me 
ridian oder Telegraphen-Uhr in Vaduz die Zeit bestimmt wird; 
aber man sollte fest bei einer Zeitbestimmung bleiben und nicht 
alle Monat oder 14 Tage variiren. Am bequemsten erscheint 
doch die mittlere Zeit, d. h. die bayerische — zwischen der 
Wiener und Pariser oder Berner Zeit. Nichts für Ungut! 
Ein Feind der Unordnung. 
Verantwortlicher Redakteur «.Herausgeber: vr. Rudolf Schädler 
Thermometerstand nach Reaumur in Baduz. 
Monat 
Morgens 
7 Uhr 
Mittags 
12 Uhr 
Abends 
6 Uhr 
Witterung. 
Nov. 
7. 
+ 3% 
+ 93/ 4 
-f~ 7 
hell 
t 
8 
-j~ 7 
+ 10 Vi 
4" 6^/2 
* 
m 
9. 
+ 5 
+ IOV4 
+ 6% 

m 
10. 
+ 5 
+ 10-/i 
-f~ 8 
trüb 
m 
11. 
+ 6 
+ 
+ 6^/2 
fast trüb 
m 
12 
+ 4 
+ 
-j- 11 
trüb; Fhwd. 
* 
13. 
+ 5% 
+ 6 
+ 4% 
Reg. 
Telegrafischer Kursbericht von Wien. 
14. Novemb. Silber 106.10 
20-Frankenstück ...... . 9.58 % 
100 Reichsmark ....... 58.95 
London 119.15 
Druck von Heinrich Graff in Feldtirch.
	        

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