Zar und den Sultan, obwohl sie über alle Fragen übereinstim-
men mögen, verhindern, den gewünschten Frieden herbeizuführen.
Man sagt, das militärische Ansehen Rußlands erheische die Fort-
setzung des Krieges; meines Erachtens hängt das militärische
Ansehen nicht von einem einzelnen Siege ab, denn ein solcher
kann vom Zufall oder vom Glück abhängen, und kann selbst bei
fähigen Befehlshabern von vorübergehenden Umständen abhängen.
Aber die wahre Grundlage des militärischen Ansehens ist meines
Erachtens: wenn ein großes Land und eine Mächtige Regierung
über die militärischen Dienste einer braven, entschlossenen, diszi-
plinirten Nation verfügt. Welche Zufälligkeiten auch in die-
fem Kriege vorkommen mögen, so kann doch Niemand von dem
russischen Soldaten sagen, daß er sich nicht ausdauernd, diszi-
plinirt und muthvoll erwiesen habe; die Russen seien selbst tapfer
bei Niederlagen. Unter allen Umständen kann ich nicht ver-
stehen, daß das militärische Ansehen Rußlands. gelitten habe.
Sie werden mir. sagen: „Wenn Sie wirklich keine sichere Hoff-
nung haben, wie können Sie dann die Bürger Londons ermuthi-
gen, indem Sie nur eine problematische Hoffnung auf die Wie-
derherstettung des Friedens geben?" Ich antworte auf jene Frage,
wie Walpole einem Mann antwortete, der ihm seine Drangsale
klagte und sagte: er habe keine Hoffnung. Walpole sagte ihm:
»Versuchen Sie es ein wenig- mit Geduld." Hinsichtlich des
Krieges habe die Regierung Hoffnung und Geduld, und er hoffe,
daß die Zeit nicht sehr ferne sein dürfe, wo wir mit den übri-
gen Mächten Europas zur Lösung der Schwierigkeiten beitragen
können, um nicht nur den Frieden, sondern auch die Unabhängigkeit
Europa's zu sichern. (Beifall.) Lord Beaconsfield schloß mit
den Worten: Das englische Volk dürfe stolz sein auf seine per-
sönlichen Privilegien und politischen Rechte, auch stolz darauf,
einem Reiche anzugehören, welches durch die Energie der Vor-
fahren geschaffen worden, uud das es entschlossen sei aufrechtzu-
erhalten.
Frankreich. Die französischen Kammern sind am 7. d.
eröffnet worden, ohne daß eine Botschaft des Präsidenten verle-
sen wurde.
Das bisherige Ministerium ist auf seinem Posten geblieben,
Am vor den Kammern seine bis jetzt eingehaltene Politik zu
vertheidigen.
Die schroffe und bis zur Spitze getriebene feindselige Hal-
tung zwischen den Republikanern und Conservativen, dann die
unglückselige. Zersplitterung in der konservativen Partei selbst,
lassen eine sehr bedeutungsvolle Krisis in Frankreich erwarten.
Die Kammer hat sich bereits constitüirt und es werden da-
her entscheidende Ereignisse in Bälde eintreten können.
Oesterreich. Der in Aussicht gestellte „Gesetzentwurf be-
treffend den allgemeinen Zolltarif des österr.-ungar. Zollgebietes"
ist vom „Wiener Tagblatte" veröffentlicht worden und wird
nunmehr im Reichstage zur verfassungsmäßigen Behandlung
kommen. Der Entwurf hat eine ausgesprochene schutzzöllnerische
Tendenz. Nach demselben sind von Neujahr 1878 an die Zölle
in Gold zu entrichten. Hauptsächliche Erhöhungen haben die
sogen. Finanzzölle (d. h. jene Zölle, die auf Verbrauchsgegen-
stände gelegt werden, welche im eigenen Lande nicht erzeugt wer-
den, oder die wenigstens so beschaffen sind, daß sie nicht zur un-
mittelbaren Nothdurft des Lebens gehören) erfahren. Dahin
gehört z. B. der Kaffee. Auch das Petroleum soll eine wesent
liche Zollerhöhung erfahren. Es ist vorderhand abzuwarten,
welche Stellung der Reichsrath gegenüber dieser übermäßigen
Erhöhung der Finanzzölle einnehmen wird.
Verschiedenes.
* Eine Eisenbahn durch die Sahara. Wir leben
in der Zeit der Ausführung von Riesen-Projekten, — schreibt
die „Didaskalia"; Werke, deren Fertigstellung wir für unmög-
lich gehalten, sind ausgeführt worden --- denken wir nur an
die Legung des Kabels zwischen Europa und Amerika, die Durch
bohrung des ^ Mont Cenis, den 22 Meilen langen Suezkanal
und an die riesenhafte Eisenbahn, welche, den ganzen amerikani
schen Kontinent durchschneidend, den Atlantischen und den Stillen
Ozean miteinander verbindet. Obgleich zuerst mit Mißtrauen
aufgenommen, haben wir uns nach und nach an solche Nene-
rungen gewöhnt, und so wird man nichts Übermenschliches darin
finden, wenn wir möglicherweise in einem Jahrzehnt nicht mehr
auf schwankendem Schiff, sondern im behaglichen Eisenbahncoupe
durch einen mächtigen Tunnel unter dem Meeresboden vom Kon-
tinent nach Albions reichen Gefilden reisen. Ein Riesenprojekt,
welches neuerdings anfgetaucht ist, betrifft die Erbauung einer
Eisenbahn durch die Wüste Sahara.
Gerhard Rohlfs, der berühmte Afrikareisende, ist es, welcher
die Erbauung einer Eisenbahn von Tripolis nach den überaus
reichen Ländern, die den Tsad-See im Herzen von Afrika um-
geben, zuerst angeregt hat und heute noch befürwortet. Dieser
berühmte Reisende hat die 300 Meilen lange Strecke, auf welcher
die Eisenbahn anzulegen wäre, selbst begangen. Nach seinen
Ausführungen bestehen die Hauptschwierigkeiten bei der Anlage
dieser Bahn 1) in örtlichen Hindernissen, 2) in Kohlenmangel,
3) in. der Feindseligkeit der Eingebornen. Alle diese Schwierig-
keiten seien jedoch durch die geeigneten Mittel, wenn auch mit
Mühe und großen Kosten, zu heben. Was den ersten Punkt
anbelangt, so sind z. B. die Terrainverhältnisse der Eingangs
genannten Pacific-Eisenbahn noch ungünstiger gewesen. Oem
Kohlenmangel will Gerhard Rohlfs dadurch abhelfen, daß er
vermittelst sehr großer drehbarer Brennspiegel die Sonnenstrahlen
zum Sieden des Wassers benützt. So befremdlich das dem Un-
eingeweihten auch klingen mag, so ist dies doch keinesfalls ein
Hirngespinst, denn man hat schon vor Lahren die Sonnen-
strahlen als Ersatz für Feuer ^u benützen gesucht und französische
Techniker haben die Möglichkeit der praktischen Ausführung durch
Experimente erwiesen. Wenn den letzteren dies sozusagen mit
französischer Sonne schon möglich war, um wie viel mehr muß
dies unter den intensiven Sonnenstrahlen des nie bewölkten Him-
mels der Wüste Sahara möglich sein! Was schließlich den
letzten Punkt, nämlich die Feindseligkeit der Bewohner, anbelangt,
so glaubt unser Gewährsmann mit wenigen Forts, resp. den auf
diesen befindlichen Kanonen, diesem Uebelstande vollständig ab-
helfen zu können. Einer Frage jedoch, welche besonders in un-
serer nach Gewinn trachtenden Zeit zuerst aufgestellt wird, müssen
wir schließlich gedenken, nämlich der der Rentabilität. Auch hier-
auf weiß uns Gerhard Rohlfs zu antworten. Allein schon durch
die Ausfuhr von Produkten aller Art, welche in den überaus
reichen Ländern um den Tsad-See vorkommen und welche ihrer
Menge halber fast werthlos sind, wäre die Rentabilität gesichert;
es sind dies hauptsächlich.Schwefel, Natron, Indigo, Getreide,
Baumwolle, Nutzholz, Rinder, Häute, Elfenbein, Straußenfedern
u. s. w. Nicht vergessen dürfen wir aber, daß außer dem ma-
teriellen Nutzen, der uns durch die Ausfuhr, den die Bahn ver-
mittelt, erwächst, auch die zivilisatorische Bedeutung einer solchen
Eisenbahn für das innere Afrika von unberechenbaren Folgen wäre.
* In Berlin ist eine unsinnige Wette, trotzdem der erste
Versuch durch das Einschreiten der Frau des Uebermüthigen ver-
eitelt wurde, nun doch zum Austrag gebracht worden. Ein Mann
hatte nämlich gewettet, zwischen den Eisenbahnschienen liegend
einen Eisenbahnzug über sich hinfahren lassen zu wollen. Er
wurde wegen der Intervention seiner Frau von seinen Bekannten
geneckt und glaubte selbst nicht eher beruhigt sein zu können, bis
er den Streich vollführt hätte. Nur zwei Bekannte, von denen
er einen Verrath nicht zu fürchten hatte, erfuhren von seinem
Entschluß, und nun am Dienstag Abend begab sich das' Kleeblatt
zu Wagen von Steglitz nach Südende, weil man auf dem Bahn
körper der Dresdener Bahn sicher von einer erneuerten Ueber-
raschung durch die Frau zu sein glaubte. Zwischen Südende
und Marienfelde wurde die dunkelste Stelle herausgesucht, damit
der Lokomotivführer das Vorhaben nicht entdecke. Mit Spannung
V