Pascha erschien jetzt mit frischen Kräften auf dem Kampfplatz.
Laut durch Kanonendonner und Flintengeknatter erklang der tür-
tische Schlachtenruf: „Allah il Allah!" (Gott ist Gott!) und
mischte sich mit dem dumpfen Hurrah der Russen. In grimmiger
Wuth, ohne nur einen Schuß zu thun, stürmten die Türken nüt
dem Bajonnet auf den so tödtlich gehaßten Feind ihres Glaubens
und Vaterlandes. Nicht ein Kämpfen, sondern ein Morden,
Mann gegen Mann, begann jetzt, und kein Kämpfer gab oder
forderte Pardon, sondern suchte seinen Haß nur in dem Blute
des Feindes zu löschen. Es soll entsetzlich auf dem engen Kampf-
platz zugegangen sein, selbst Verwundete, die am Boden lagen,
sollen noch mit Aatagan oder Bajonnet gegen feindliche Ver
wundete, die zufällig in ihrer Nähe gefallen, gewüthet habe«.
Die Russen verteidigten sich wohl über eine halbe Stunde lang
mit äußerster Kraft gegen diesen wilden türkischen Ansturm, allein
die türkischen Truppen waren frisch, die russischen aber schon
von dem Erklimmen der steilen Abhänge des Aikirdij-Bel und
dem vorhergehenden Kampf ermattet, und so fing ihr Widerstand
eudlich zu erlahmen an, und gegen Sonnenaufgang, als die fen-
rigen Strahlen 'der Sonne das bleiche Mondlicht verdrängten,
traten sie ihren Rückzug den waldigen Bergabhang hiyunt-r an,
eifrig dabei von den nachrückenden Türken verfolgt. 'Wie viele
blutige Scenen der äußersten Wuth sind gewiß iu diesem Walde
noch vorgefallen! Als jedoch die türkischen Bataillone jetzt aus
dem Walde vordringen und gegen die russischen Schanzen auf
der freien Ebene des Joches anstürmen wollten, schmetterten die
russischen Geschütze aus den daselbst errichteten Batterien so ge-
waltig in ihre Reihen, daß sie mit großen Verlusten eilig um-
kehren und sich in den Schutz des dichten Waldes Zurückziehen
mußten. Wiederholt versuchten die Türken nun noch am Morgen
des 26. August einen solchen Angriff, wurden jedoch stets zurück-
gewiesen und gaben nun endlich den nutzlosen Versuch, sich der
russischen Befestigungen auf den Höhen des Joches zu bemäch-
tigen, auf. So beschränkte sich der Kampf am 26. nur eigentlich
auf eine gegenseitige Kanonade und gelegentliches Tirailleur-Ge-
secht, sobald kleine Abtheilungen einmal aus ihren Verschanznngen
hervorgingen und beide Parteien haben seitdem vollständig ihre
Stellungen behauptet. Es stößt eine Kette kleiner Bergkuppen
in ziemlich rechtem Winkel gerade auf die etwa eine englische
Meile lange Ebene des Joches, und diesen Umstand haben die
Russen mit Geschick benutzt, um auf die vordersten Kuppen Ge-
schütze zu bringen und Erdschanzev und Verhaue von dicken
Baumstämmen davor anzulegen ebenso wie die Türken wieder
die Hügel, welche links der Straße liegen die vom Dorfe Schipka
auf die Höhe des Joches führt, mit Kanonen armirten. So
stehen sich beide Heere in ihren Verschanznngen etwa in der
Entfernung von 2—3 Kilometer gegenüber und unterhalten häufig
eine lebhafte Kanonade gegen einander. Da sowohl die Russen
als die Türken in diesen Verschanznngen nur leichte Feldgeschütze
aufgestellt haben — denn schwere Belagerungsgeschütze die jähen
Steigungen der engen Straße hinaufzuschleppeu, dürfte geradezu
eine Unmöglichkeit sein — so richtet dieser Geschützkampf nicht
den Schaden an den man sonst eigentlich erwarten sollte. Da
die Russen jetzt von Gabrowa bis zur Jochhöhe mindestens
10—12,000 Mann Truppen haben, fortwährend auf allen
Höhen Verschanzungen anlegen und solche mit so vielen Ge-
schützen armiren als sie nur immer herbei bringen können, so hege
ich die Ansicht daß es jetzt Suleiman Pascha nimmer gelingen
wird sich des Schipka-Passes zu bemächtigen. Auf der andern
Seite verschanzen und versperren auch wieder die Türken den
südlichen Abhang des Passes so vollständig, daß den Russen dessen
Eroberung und somit die Benutzung der Straße für eine aber-
malige Uebersteigung des Balkan äußerst schwierig sein dürfte.
So stehen beide Gegner in verschanzten Lagern sich jetzt hier in
ziemlicher Unthätigkeit, die nur hin und wieder durch eine
gelegentliche Kanonade oder ein kleines Vorpostengefecht unter-
Krochen wird, gegenüber, und, täusche ich mich nicht, dürfte dieser
Zustand noch sehr lange so fortdauern.
Verschiedenes.
* Amerika. Eine verbesserte Nähmaschine von vielseitiger
Leistungsfähigkeit, von L. M. H eery in Hinsdale, Masse,,
erfunden, ist patcntirt worden. Die Heery'sche Nähmaschine
ist mit drei Nadeln (anstatt mit einer wie bei gewöhnlichen
Maschinen) versehen, die nicht blos einen beliebigen Stich (Ket-
tenstich, Steppstich n. s. w.) machen, sondern auch unabhängig
von einander in einer beliebigen Richtung nähen, so daß es mög-
lich ist, auf dieser Maschine die komplizirtesten Ornamente auf
Eorsets, Schuhe, Handschuhe und auch ganze Hemdenbusen in.
erstaunlich kurzer Zeit zu nähen, wobei das Material nur ein
einziges Mal durch die Maschine zu Passiren braucht. Die Zahl
der Nadeln kann nach Belieben vermehrt und der sehr einfache
Mechanismus, welcher die Nadel bewegt und führt, mit Leichtig-
keit gehandhabt werden.
* Der bekannte Mormonenhäuptling Bringham Doung ist
in letzter Zeit gestorben. Er war zu Whittingham in Vermont
1801 geboren als Sohn eines Landmanns. Er ward Geistlicher
bei den Anabaptisten und schloß sich 1831 den unter Leitung
von Joseph Shmith stehenden Mormonen an. Hier- gelangte er
bald zu der Würde eines Heiligen und ward 1835 einer der
zwölf Apostel, endlich „das Haupt der Apostel". Er war mit
den Mormonen in allen ihren Nöthen und führte sie auf jener
Wanderung, die sie vor dreißig Jahren unternahmen, um eine
ruhige Stätte für ihre religiösen und sozialen Anschauungen zu
suchen. Im Juli 1847 kam er mit seiner Gemeinde an der
Stelle tfn, wo jetzt die Great-Salt Lace-Eity liegt. Im Jahre
1859 gründeten die Ansiedler einen Staat und ersuchten um
Zulassung zur Union. Diese ward ihnen abgeschlagen, aber das
Territorium von Utah ward eingerichtet und Brigham Donng
ward Gouverneur desselben. Die Auswanderung nach Utah
nahm zu, der ueue, nicht zu den Marmonen gehörige Gouverneur
ward mit dem Tode bedroht und Präsident Bnchanan sandte
Truppen dahin. Ein Abkommen ward getroffen und die Mor-
monen blieben in ungestörtem Frieden. Im Jahre 1852 ward-
die Polygamie proklamirt und Aonng hatte mehrere wirkliche
Ehefrauen und andere sogenannte Kistliche Weiber. Sein fünf-
zehntes Weib verließ ihn 1874 und stellte einen EHescheidungS-
prozeß an. Der Gatte hatte damals 3000 Dollars Gerichts-
kosten und 900 Dollars monatlich an die Klägerin zu zahlen.
Sein ganzes Leben — meint die „Morn. Post" — beweise aufs
Neue die Wahrheit des dem Kanzler Oxenstjerna zugeschriebenen
Ausspruches: „Du siehst, mein Sohn, mit wie wenig Weisheit
die Welt regiert wird."
Verantwortlicher Redakteur «.Herausgeber: vr. Rudolf Schädler.
Thermometerstand nach Reaumur in Badnz.
Monat
Morgen«
7 Uhr
Mittags
12 Uhr
Abends
6 Uhr
Witterung.
Sept. 19
+ 4 %
+ 11
+ 10
halb hell
„ 20
+ 7
+ Hl/4
+ 10
trüb
„ 21.
+ 7%
+ 14
+ 9%
fast trüb
„ 22
+ 6
+ 7%
+ 6
trüb
. 23
-f- 6
+ 10
+ 6
halb hell
. 24
+ 3%
+ 11
+ ?'/2
»/ H
^ 25.
+■ 6
+ 8 3 / 4
+ 6
trüb.
Telegrafischer Kursbericht von Wien.
27. Septbr. Silber 104.45
20-Frankenstück 9.43
100 Reichsmark ....... 58.—
London 117.70
Druck von Heinrich Graff in Feldtirch.