Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1877)

Pascha erschien jetzt mit frischen Kräften auf dem Kampfplatz. 
Laut durch Kanonendonner und Flintengeknatter erklang der tür- 
tische Schlachtenruf: „Allah il Allah!" (Gott ist Gott!) und 
mischte sich mit dem dumpfen Hurrah der Russen. In grimmiger 
Wuth, ohne nur einen Schuß zu thun, stürmten die Türken nüt 
dem Bajonnet auf den so tödtlich gehaßten Feind ihres Glaubens 
und Vaterlandes. Nicht ein Kämpfen, sondern ein Morden, 
Mann gegen Mann, begann jetzt, und kein Kämpfer gab oder 
forderte Pardon, sondern suchte seinen Haß nur in dem Blute 
des Feindes zu löschen. Es soll entsetzlich auf dem engen Kampf- 
platz zugegangen sein, selbst Verwundete, die am Boden lagen, 
sollen noch mit Aatagan oder Bajonnet gegen feindliche Ver 
wundete, die zufällig in ihrer Nähe gefallen, gewüthet habe«. 
Die Russen verteidigten sich wohl über eine halbe Stunde lang 
mit äußerster Kraft gegen diesen wilden türkischen Ansturm, allein 
die türkischen Truppen waren frisch, die russischen aber schon 
von dem Erklimmen der steilen Abhänge des Aikirdij-Bel und 
dem vorhergehenden Kampf ermattet, und so fing ihr Widerstand 
eudlich zu erlahmen an, und gegen Sonnenaufgang, als die fen- 
rigen Strahlen 'der Sonne das bleiche Mondlicht verdrängten, 
traten sie ihren Rückzug den waldigen Bergabhang hiyunt-r an, 
eifrig dabei von den nachrückenden Türken verfolgt. 'Wie viele 
blutige Scenen der äußersten Wuth sind gewiß iu diesem Walde 
noch vorgefallen! Als jedoch die türkischen Bataillone jetzt aus 
dem Walde vordringen und gegen die russischen Schanzen auf 
der freien Ebene des Joches anstürmen wollten, schmetterten die 
russischen Geschütze aus den daselbst errichteten Batterien so ge- 
waltig in ihre Reihen, daß sie mit großen Verlusten eilig um- 
kehren und sich in den Schutz des dichten Waldes Zurückziehen 
mußten. Wiederholt versuchten die Türken nun noch am Morgen 
des 26. August einen solchen Angriff, wurden jedoch stets zurück- 
gewiesen und gaben nun endlich den nutzlosen Versuch, sich der 
russischen Befestigungen auf den Höhen des Joches zu bemäch- 
tigen, auf. So beschränkte sich der Kampf am 26. nur eigentlich 
auf eine gegenseitige Kanonade und gelegentliches Tirailleur-Ge- 
secht, sobald kleine Abtheilungen einmal aus ihren Verschanznngen 
hervorgingen und beide Parteien haben seitdem vollständig ihre 
Stellungen behauptet. Es stößt eine Kette kleiner Bergkuppen 
in ziemlich rechtem Winkel gerade auf die etwa eine englische 
Meile lange Ebene des Joches, und diesen Umstand haben die 
Russen mit Geschick benutzt, um auf die vordersten Kuppen Ge- 
schütze zu bringen und Erdschanzev und Verhaue von dicken 
Baumstämmen davor anzulegen ebenso wie die Türken wieder 
die Hügel, welche links der Straße liegen die vom Dorfe Schipka 
auf die Höhe des Joches führt, mit Kanonen armirten. So 
stehen sich beide Heere in ihren Verschanznngen etwa in der 
Entfernung von 2—3 Kilometer gegenüber und unterhalten häufig 
eine lebhafte Kanonade gegen einander. Da sowohl die Russen 
als die Türken in diesen Verschanznngen nur leichte Feldgeschütze 
aufgestellt haben — denn schwere Belagerungsgeschütze die jähen 
Steigungen der engen Straße hinaufzuschleppeu, dürfte geradezu 
eine Unmöglichkeit sein — so richtet dieser Geschützkampf nicht 
den Schaden an den man sonst eigentlich erwarten sollte. Da 
die Russen jetzt von Gabrowa bis zur Jochhöhe mindestens 
10—12,000 Mann Truppen haben, fortwährend auf allen 
Höhen Verschanzungen anlegen und solche mit so vielen Ge- 
schützen armiren als sie nur immer herbei bringen können, so hege 
ich die Ansicht daß es jetzt Suleiman Pascha nimmer gelingen 
wird sich des Schipka-Passes zu bemächtigen. Auf der andern 
Seite verschanzen und versperren auch wieder die Türken den 
südlichen Abhang des Passes so vollständig, daß den Russen dessen 
Eroberung und somit die Benutzung der Straße für eine aber- 
malige Uebersteigung des Balkan äußerst schwierig sein dürfte. 
So stehen beide Gegner in verschanzten Lagern sich jetzt hier in 
ziemlicher Unthätigkeit, die nur hin und wieder durch eine 
gelegentliche Kanonade oder ein kleines Vorpostengefecht unter- 
Krochen wird, gegenüber, und, täusche ich mich nicht, dürfte dieser 
Zustand noch sehr lange so fortdauern. 
Verschiedenes. 
* Amerika. Eine verbesserte Nähmaschine von vielseitiger 
Leistungsfähigkeit, von L. M. H eery in Hinsdale, Masse,, 
erfunden, ist patcntirt worden. Die Heery'sche Nähmaschine 
ist mit drei Nadeln (anstatt mit einer wie bei gewöhnlichen 
Maschinen) versehen, die nicht blos einen beliebigen Stich (Ket- 
tenstich, Steppstich n. s. w.) machen, sondern auch unabhängig 
von einander in einer beliebigen Richtung nähen, so daß es mög- 
lich ist, auf dieser Maschine die komplizirtesten Ornamente auf 
Eorsets, Schuhe, Handschuhe und auch ganze Hemdenbusen in. 
erstaunlich kurzer Zeit zu nähen, wobei das Material nur ein 
einziges Mal durch die Maschine zu Passiren braucht. Die Zahl 
der Nadeln kann nach Belieben vermehrt und der sehr einfache 
Mechanismus, welcher die Nadel bewegt und führt, mit Leichtig- 
keit gehandhabt werden. 
* Der bekannte Mormonenhäuptling Bringham Doung ist 
in letzter Zeit gestorben. Er war zu Whittingham in Vermont 
1801 geboren als Sohn eines Landmanns. Er ward Geistlicher 
bei den Anabaptisten und schloß sich 1831 den unter Leitung 
von Joseph Shmith stehenden Mormonen an. Hier- gelangte er 
bald zu der Würde eines Heiligen und ward 1835 einer der 
zwölf Apostel, endlich „das Haupt der Apostel". Er war mit 
den Mormonen in allen ihren Nöthen und führte sie auf jener 
Wanderung, die sie vor dreißig Jahren unternahmen, um eine 
ruhige Stätte für ihre religiösen und sozialen Anschauungen zu 
suchen. Im Juli 1847 kam er mit seiner Gemeinde an der 
Stelle tfn, wo jetzt die Great-Salt Lace-Eity liegt. Im Jahre 
1859 gründeten die Ansiedler einen Staat und ersuchten um 
Zulassung zur Union. Diese ward ihnen abgeschlagen, aber das 
Territorium von Utah ward eingerichtet und Brigham Donng 
ward Gouverneur desselben. Die Auswanderung nach Utah 
nahm zu, der ueue, nicht zu den Marmonen gehörige Gouverneur 
ward mit dem Tode bedroht und Präsident Bnchanan sandte 
Truppen dahin. Ein Abkommen ward getroffen und die Mor- 
monen blieben in ungestörtem Frieden. Im Jahre 1852 ward- 
die Polygamie proklamirt und Aonng hatte mehrere wirkliche 
Ehefrauen und andere sogenannte Kistliche Weiber. Sein fünf- 
zehntes Weib verließ ihn 1874 und stellte einen EHescheidungS- 
prozeß an. Der Gatte hatte damals 3000 Dollars Gerichts- 
kosten und 900 Dollars monatlich an die Klägerin zu zahlen. 
Sein ganzes Leben — meint die „Morn. Post" — beweise aufs 
Neue die Wahrheit des dem Kanzler Oxenstjerna zugeschriebenen 
Ausspruches: „Du siehst, mein Sohn, mit wie wenig Weisheit 
die Welt regiert wird." 
Verantwortlicher Redakteur «.Herausgeber: vr. Rudolf Schädler. 
Thermometerstand nach Reaumur in Badnz. 
Monat 
Morgen« 
7 Uhr 
Mittags 
12 Uhr 
Abends 
6 Uhr 
Witterung. 
Sept. 19 
+ 4 % 
+ 11 
+ 10 
halb hell 
„ 20 
+ 7 
+ Hl/4 
+ 10 
trüb 
„ 21. 
+ 7% 
+ 14 
+ 9% 
fast trüb 
„ 22 
+ 6 
+ 7% 
+ 6 
trüb 
. 23 
-f- 6 
+ 10 
+ 6 
halb hell 
. 24 
+ 3% 
+ 11 
+ ?'/2 
»/ H 
^ 25. 
+■ 6 
+ 8 3 / 4 
+ 6 
trüb. 
Telegrafischer Kursbericht von Wien. 
27. Septbr. Silber 104.45 
20-Frankenstück 9.43 
100 Reichsmark ....... 58.— 
London 117.70 
Druck von Heinrich Graff in Feldtirch.
	        

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