stürzung hervorgerufen sondern auch in ganz Europa eine emi-
nente Sensation erregt. Für die republikanische Partei ist sein
Tod unmittelbar vor den Wahlen als ein großer Schlag an-
zusehen.
Das Leichenbegängniß ist, wie voraus zu sehen war^ unt.er
einer ungeheuren Betheiligung vor sich gegangen. Am Grabe
wurden mehrere Reden gehalten; diejenige des Herrn Jules
Simon lautete in ihren Hauptstellen:
„Hr. Thiers hat. uns durch die Geschichte seines Lebens ge-
lehrt daß man niemals verzweifeln soll; er hat sein Vaterland
und die Wahrheit geliebt. So sage er selbst in seinem Testa-
ment, und diese Worte wird man auch auf sein Grab schreiben.
Der Patriotismus leuchtet aus allen seinen Werken hervor, mit
ihm aber auch der Entschluß immer nur das Mögliche zu ver-
suchen. 1830 setzte er sein Leben aufs Spiel um gegen die
persönliche Regierung zu kämpfen. Als Minister bietet er den
Schwierigkeiten Trotz und überwindet sie. Er dient einem König,
jedoch nur unter den Bedingungen daß dieser König selbst der
treue Diener der Verfassung sei die er beschworen hat. Sein
ganzes Leben war ein Kampf gegen die persönliche Gewalt.
Unter dem Kaiserreich sah er früher als alle andern wohin uns
eine unsinnige auswärtige Politik führte. Als 73 jähriger Mann
machte er sich, wie die Regierung der Landesvertheidigung nur
ein Wort an ihn richtete, auf den Weg und bereiste alle Höfe
Europas. Ihm fiel dann die Aufgabe zu den Frieden zu schlie-
ßen. Während der Unterhandlungen sagte er: das ist eine Ago-
nie! Aber darum schritt er doch unverdrossen zu der inneren
Neugestaltung des Landes. Man vergißt schnell. Sechs Jahre
trennen uns' von jener Zeit. Die Aufgabe des Hrn. Thiers
war eine furchtbare. Alles wollte von ihm selbst gethan sein,
alles ging durch seine Hand. Oftmals fürchtete er der Vertrag
könnte zerrissen werden; denn man ersparte ihm keine Schwie-
rigkeit. Nach drei Jahren hatte er die Verwaltung, die Fi-
nanzen, die Armee ganz und gar wiederhergestellt, das Vertrauen
zurückgeführt, das Lösegeld bezahlt und das Landesgebiet befreit.
Als die Nationalversammlung erklärte: Hr. Thiers habe sich
um das Vaterland wohlverdient gemacht, erhob sich in der ganzen
Welt keine Stimme des Einspruchs. Gleichwohl fiel er am 24.
Mai, von den Eonservativen im Stich gelassen, er, der viel
conservativer war als sie. Er hätte nach dem Gesetz am Ruder
bleiben, sich sogar ein Jahr vorher die Präsidentschaft auf Le
benszeit zuerkennen lassen können; aber er trat vor einer Mehr-
heit von wenigen Stimmen zurück, treu seiner eigenen Maxime
daß das Parlament das letzte Wort haben muß. Nun ward
Hr. Thiers eine Leuchte und ein Schutz für ganz Frankreich;
bei jeder Gelegenheit fragte man sich: Was meint Hr. Thiers?
Bis zu seinem Tode war diese Dankbarkeit des Volkes ein tröst-
liches Schauspiel. Hr. Thiers hatte ihm gleichwohl nicht ge-
schmeichelt, aber das Volk sah in ihm nur den .Befreier des
Landesgebiets, den Gründer der Republik ; es gedachte und ge-
denkt noch heute seines Ausspruchs: „Der Sieg gehört dem Maß-
vollsten." Indem ich nun von dem hochverehrten Freund Ab-
schied nehme, sei es mir gestattet ihm auch, im Namen der
Männer, die seinem Herzen am nächsten standen, der HH.
Mignet, Barthölemh Saint Hilake, Ealmon, Roger, Emanuel
Arago, Senard, ein letztes Lebewohl zuzurufen, und endlich in
Ehrfurcht an die Frau zu erinnern welche seinen Ruhm, aber
auch seine patriotischen Bedrängnisse und Sorgen theilte und ihm
die Last derselben durch Zärtlichkeit, Muth und unvergleichliche
Hingebung erleichterte. Ein Lebewohl im Namen des Landes
dem Geschichtschreiber der Revolution, ein Lebewohl dem Kämpen
der Freiheit, ein Lebewohl dem Befreier des Landesgebiets, ein
Lebewohl dem ersten Präsidenten der Republik!"
Vom Kriegsschauplätze.
Der Schlachtendonner nimmt kein Ende mehr auf den blut-
getränkten Gefilden Bulgariens. Die Entscheidungsschlacht ist
im Gange. Dieselbe hat am 7. bei Plewna begonnen und bis
zur Stunde noch kein entscheidendes Resultat geliefert, obschon
russische Telegramme den Sieg schon verkündet haben. Ueber
den zweiten Tag dieser Schlacht wird der „N. Fr. Presse" ge
schrieben : Am Samstag, meldet der Großfürst, habe der russi-
sche linke Flügel die Anhöhen südlich von Plewna mit einem
Verluste von 500 Mann genommen, während das Centrum und
der rechte Flügel sich den türkischen Befestigungen auf 600 bis
700 Faden genähert' haben sollten. Da hier offenbar russische
Faden (Saschehe) gemeint sind, welche 7 Fuß haben, so sind
das russische Centrum und der rechte Flügel noch immer 5000
Fuß oder 2000 Schritte von den türkischen Stellungen entfernt.
Der Jnfanterie-Angriff war somit von dieser Seite gestern (9.
Sept.) noch unmöglich. Uebrigens ist es begreiflich, daß sich
Osman Pascha einem so überaus wuchtigen Angriff gegenüber
nur für eine gewisse Zeit behaupten kann. Wenn ihm nicht von
anderer Seite Hülfe kommt, so wird dieser tapfere General
schließlich gezwungen sein d e Position von Plewna, welche wahr-
lich in diesem Krieg ihre Aufgabe erfüllt hat, zu räumen. Eine
glückliche Offensive Mehemed Alfs auf Bjela und die Forcirung
der Jantra-Linie würde den Großfürsten Nikolaus zwingen von
seinem Angriff auf Plewna abzulassen. Osman Pascha könnte
übrigens auf viel direktere Weise degagirt werden, wenn es sich
bestätigt, daß Suleimau Pascha bereits vor längerer Zeit aus
Kesanlik ausgebrochen ist, den Balkan westlich des Schipka-
Passes, auf dem Rosalita- und Trojan-Paß, überschritten hat,
. und daß sich seine Vorhut bereits vor einigen Tagen in Trojan
selbst befand. Ein Flankenangriff Snleiman Paschas über Lo-
watz in der Richtung auf Plewna würde die Russen zwingen
nicht nur den Angriff auf Osman Paschas Positionen anfzu-
geben, sondern auch sich eiligst hinter die Osma zurückzuziehen.
Suleiman Paschas Armee zählt gegenwärtig 60,000 Mann, und
er ist somit stark genug die oben angedeutete Operation auszu-
führen, da er 20,000 Mann bei Schipka zurücklassen und noch
immer mit 40,000 Mann in Flanke und Rücken der russischen
Westarmee marschiren könnte."
Ueber das Treffen bei Low atz, welches am 5. September
stattgefunden hat und in welchem die Türken geschlagen worden,
schreibt ein Korrespondent der „Polt. Corr.":
„ Die russische Offensive auf dem westlichen Kriegsschauplatze
hat mit dem Angriff und der Einnahme von Lowatz begonnen.
Der Angriff wurde vou zwei Seiten eingeleitet. Die Eolonne
des Generals Fürsten Jmeretinski rückte am 4. September von
Wladina über Kara-Hasan das Osem-Thal entlang und nahm
nach einem kurzem Kampfe den Ort Smotzan (nordöstlich von
Lowatz) ein. Während dieser Zeit rückte General Skobeleff mit
seiner fliegenden Colonne, welche mit drei Schützen-Bataillons
und einem Jnfanterie-Regimente verstärkt war, auf der Straße
von Selvi vor. Am 5. September beschloß aber Adil Pascha
mit seiner ganzen Streitmacht (20,000 Mann) den Angriff der
Russen nicht zu erwarten und ging offensiv vor. Die Türken
griffen mit Ungestüm und Siegeszuversicht die vordringenden
russischen Colonnen an; es gelang ihnen sogar anfänglich dieselben
momentan zu durchbrechen. Der Mangel an Cavallerie that
aber ihrem Vorgehen Abbruch. Die russische Cavallerie unter
General Skobeleff chargirte mit unwiderstehlicher Wucht in die
Flanke der türkischen Colonnen, und nach einem mehrstündigen
Kampfe wurden die Türken auf Lowatz zurückgeworfen. Beide
russischen Colonnen attakirten nun nach einem starken Artillerie-
kämpf im Sturmschritte die türkische Stellung, welche von einer
starken Abtheilung Cavallerie und reitender Artillerie des Gene-
rals Skobeleff umgangen war. Der Sturmangriff gelang, und
die Türkeil wichen langsam und in guter Ordnung zurück, in-
dem sie sich auf Ugerescheni (einem westlich von Lowatz am
Ogartschin-Flusse gelegenen Orte) zurückzogen. Die Verluste
waren auf beiden Seiten groß, besonders verloren die Türken
während ihres Rückzugs. Es wurden ihnen über 2000 Mann