Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1877)

Landwehr sott in Rußland sehr niederdrückend wirken, indem von 
demselben gerade diejenigen Theile der Bevölkerung getroffen 
werden, die bei den vorhergegangenen Rekrntirungen ein Freitoos 
gezogen hatten und deshalb nicht in das stehende Heer, sondern 
in die Landwehr-Reserve eingetragen wurden. Die Armen haben 
sich, für militärfrci haltend, beinahe ausnahmslos einen Hans- 
stand gegründet und nun ist der Jammer der verlassenen Frauen 
und das laute Klagen der Betroffenen selbst geradezu unerträg- 
lich. Die bisher ruhige und zuversichtliche Stimmung ist einer 
dumpfen Verzweiflung gewichen, die sich nur allzuoft in Ver- 
wünschungen gegen die bisherige leichtsinnige Kriegführung Luft 
macht. 
Wenn schon früher über Mangel an Arbeitskraft für das 
'Einbringen der Ernte geklagt wurde, so kann man sich leicht vor- 
stellen, welche Verwirrung das Entziehen von wenigstens 300,000 
Mann Arbeitern neuerdings angerichtet haben mußte. Es ist 
eine Thatsache, daß trotz des fabelhaft reichen Ausfalles der 
Ernte in den Gouvernements des Südens dort nur ein Theil 
des Ertrages eingebracht werden konnte, da für den Rest keine 
Arbeiter aufzutreiben sind. Die Arbeiternoth in dem Gebiet der 
Don'schen und Kubanischen Kosaken, wo die gesammte wehrfähige 
männliche Bevölkerung von 17—60 Jahren sich unter Waffen 
an der Donau oder an der asiatischen Grenze befindet, ist eine 
unbeschreibliche. Die reiche Ernte fault auf den Feldern, da die 
allein zurückgebliebenen Weiber, Kinder und schwachen Greise 
nicht im Stande sind, dieselben einzubringen. Aehnliche Ver- 
Hältnisse drohen im Norden und lassen die ernstesten Befurch* 
tnngen für. die Ernte aufkommen. Das schlimmste ist hierbei, 
daß man ohne Polizei, Kanzleidiener, Bahnpersonal :c. bleibt, da 
alle diese Stellen durch verabschiedete oder beurlaubte Solda- 
ten ausgefüllt waren. In kompetenten Kreisen wird die Ver- 
Mehrung von Eisenbahnunglücksfällen befürchtet, da gegen 13,000 
Mann wohlgeschulter Eisenbah'nbediensteter einberufen worden sind 
und diese Stellen durch des Dienstes ungewohnte und in den 
meisten Fällen unfähige Arbeiter ersetzt werden müssen. 
Neueste Nachrichten. 
^Wien, 4. Sept. Die „N. Fr. Pr." berichtet aus Si- 
stowa, 2. Sept.: Mehemed Ali Pascha .setzt seinen Marsch 
auf Tschairkiöi und Osikowa (bei Popkiöi) fort. — 15,000 
Mann aus Rustschuk marschiren gegen Pirgos. Osman Pascha 
hat die russischen Befestigungen von Zgalintze und Pelischat voll- 
ständig zerstört. Es ist nicht die Rede davon, daß er in seine 
ursprüngliche Aufstellung zurückgekehrt sei. — 110 Wagen mit 
Verwundeten aus dem Gefechte bei Kara-Hassankiöi sind hier 
eingetroffen. — Der Kaiser verläßt Bulgarien und begibt sich 
nach Frateschti. 
Wien, 4. Sept. Das „N. W. Tagbl." meldet aus dem 
türkischen Hauptquartier in Rasgrad, 2. Sept.: Die äghp- 
tischen Jnfanterie-Regimenter griffen gestern das von den Rus- 
sen verschanzte Popkiöi an und besetzten die Stadt und die 
Schanzen, nachdem die Russen letztere geräumt und die Stadt 
in Brand gesteckt hatten. 
Paris, 4. Sept. Den Morgenblättern zufolge ist T h i e r s 
gestern Abend plötzlich in Saint-Germain (en-Laye) gestorben. 
Paris, 4. Sept. Der Tod Thiers' erfolgte gestern Abend 
6 Uhr 10 Minuten durch einen Schlaganfall. Nachdem Thiers 
des Morgens noch im besten Wohlsein promenirt und mit. sei- 
ner Umgebung sich über die bevorstehenden Wahlen lebhaft un- 
Verhalten hatte, war nach dem Frühstück ein sich fortwährend 
steigerndes Unwohlsein eingetreten. 
A'l 
Verschiedenes. 
^ Stand der Weinberge an dcr italienischen. 
Grenze. (Ein Korr. vom Bund aus Brusio) schreibt: In 
dem berühmten Weinlande an den Ufern der Adda ist eine seltene 
^raubenfülle vorhanden. Schon am Anfange dieses Monats, 
also etwa drei Wochen früher als voriges Jahr, erfreuten viele 
gescheckte Trauben die Beschauer. Wenn das Wetter weiter so 
günstig bleibt, wird es eine herrliche Weinlese geben. Da auch 
in den andern Provinzen der Lombardei und in Piemont die 
Weingelände zu gleichen.Hoffnungen berechtigen, so darf man 
nicht nur gute, sondern auch wohlfeile Veltliner-Tropsen erwarten. 
Möchte es überall den Menschen vergönnt sein, den Siebenund-^ 
siebenziger im Frieden zu genießen und zu guten Werken sich 
zu stärken! 
* * 
* 
* Die Petroleumlampe verdient um die Jetztzeit, wo 
sie nach längerem Nichtgebrauch wieder hervorgeholt werden muß, 
ganz besondere Beachtung. Sobald Petroleum, besonders schlecht 
raffinirtes, Wochen- oder gar monatelang im Bassin der Lampe 
eingeschlossen steht, entwickelt es Petroleumnaphta, ein sehr leicht 
entzündliches Gas, welches schon oft zur Explosion von Lampen, 
die lange nicht im Gebrauch waren geführt hat. Auch empfiehlt 
es sich, nach längerem Nichtgebrauch den Docht zu erneuern, 
denn meistens ist er inzwischen filzig geworden, saugt nicht mehr 
an, sondern kohlt und schwehlt, statt zu leuchten. Ueberhaupt ist 
Reinlichhaltnng bei einer Petroleumlampe die vornehmste Bedin- 
gung, wenn sie nicht explodiren soll, denn jede Schnuppe, die 
vom Docht herunter und neben den Brenner in die Lampe fällt, 
kann eine Flamme herbeiziehen, die Bekleidung der Bassinöffnung, 
und damit diese selbst erhitzen und so das im Bassin befindliche 
Petroleum explosibel machen. Würden die angeführten Vorsichtsmaß- 
regeln überall beobachtet, wir würden sicherlich nicht in jedem 
Spätsommer von so vielen Unglücksfällen durch Petroleumlampen- 
Explosionen hören. 
Verantwortlicher Redakteur ».Herausgeber: vr. Rudolf Schadler. 
Thermometerstand nach Reanmur in Badnz. 
Monat 
Morgens 
7 Uhr 
Mittags 
12 Uhr 
Abends 
6 Uhr 
Witterung. 
August 
29. 
+14^ 4- 21'/z 
:+ is 
fast hell 
tt 
30 
+ 12 Vi 
+ 19 k 
+ 18 
tt tt 
tt 
31 
■ H-14 4 /, 
+ 18 
+ 13 Vi 
trüb; regnet 
Sept. . 
1 
+ 12 
+ 17 
4" 14% 
fast trüb 
tt 
2 
+ ll 3 /4 
+ 13 
+11% 
trüb; etw. Reg. 
tt 
3 
+ 11 
+ 16«/ 4 
+ 18 Vi 
halb hell 
u 
4. 
+ 10 
+ 13>/z 
+ 11% 
fast hell. 
Telegrafischer Kursbericht von Wien. 
6. Septbr. Silber 104.45 
20-Frankenstück 9.56 
100 Reichsmark > 58.60 
London 119.25 
Dttlck von Heinrich Graff in Feldkirch.
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.