Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1877)

ihres Angriffes verdoppelten. Um fünf Uhr räumte der Feind 
Hahdarkiöi, und Pferde trabten herbei, um die Kanonen aus der 
Batterie wegzuführen. Die türkische Batterie, welche glänzend 
arbeitete, feuerte gerade als die Kanonen weggeführt wurden, 
und ein Geschütz wurde von der letzten Granate getroffen. Die 
Türken jubelten und stürzten durch das brennende Dorf und von 
da links nach Popkiöi wie ein Rudel Hunde. Die Russen 
räumten eilig ihre Lagerplätze. Zwei Kanonen deckten trefflich 
ihren Rückzug; aber Türken und Aegypter setzten die Verfolgung 
fort. Die Russen befanden sich nunmehr in vollem Rückzug in 
jeder Richtung, und gegen Sonnen-Untergang hatten die Türken 
zum zweitenmal bewiesen, daß sie nicht allein, fähig sind den 
Russen auf offenem Felde zu begegnen, sondern auch sie aus 
Park verschanzten Stellungen zu vertreiben. Es ist unmöglich 
zu sagen, welche russische Truppen engagirt waren, noch können 
die Verluste bis jetzt geschätzt werden. Wahrscheinlich waren 
dieselben nicht bedeutend, ausgenommen in der Umrunde von 
Karahassankiöi, mit welchem Namen diese Schlacht von den 
Türken bezeichnet werden wird." 
Was. das Gefecht Osman Pascha's bei Peli schat (3—4 
Stunden östlich von Plewna) betrifft, so bezeichnen die Meldungen 
aus dem russischen Hauptquartier die dortigen Verluste der 
Türken als ungeheure, und geben die eigenen auf 40 Offiziere 
ANd 1020 Soldaten an. Letztere Angabe differirt nicht wesent 
lich von der offiziellen türkischen; um so größer ist aber der 
Widerspruch zwischen dem russischen Hauptquartier und Osman 
Pascha über den eigentlichen Erfolg des Tages. Nach jenem 
wären die Türken endgültig zurückgewiesen worden, nach diesem 
wären du: Russen vollständig geschlagen und aus drei ihrer Ver- 
schanzungen hinausgeworfen worden. Das „N. W. Tagbl." 
meint hiezu: daß Osman Pascha in seinen Berichten stets die 
Wahrheit gesagt habe, daß die Niederlage der Russen bei Peli- 
schat dadurch für dieselben um so empfindlicher sei, als sie ge- 
rade von hier aus ihre Offensive gegen Plewna einleiten wollten, 
und hieher die schweren Geschütze, die ursprüuglich gegen Ruft- 
schuck bestimmt waren, geschafft hatten. — Ueber die Operation 
Osman Paschas werden noch folgende Einzelheiten gemeldet: 
Osman Pascha begann seine Offensive von Grivitza aus mit 
einer Kanonade, worauf er (am Freitag) drei oberhalb von Peli- 
schat gelegene russische Redouten im Sturm nahm. In dieser 
für die Russen kritischen Situation eilten denselben von Poradim, 
Trstenik und Wladina drei starke Colonnen, welche dem 4. nnd 
9. Korps angehörten, zu Hülfe, um die verlornen- .Positionen 
wieder zu erobern. - Doch die Türken behaupteten sich in den 
eroberten Verschanzungen, und. schlugen, nachdem auch Osman 
Pascha Verstärkungen an sich gezogen ffatte, nach 'einer sechs- 
stündigen Feldschlacht die Russen so grundlich, daß dieselben de- 
routirt sich theils nach Nord, theils nach Süd zurückzogen. Die 
Russen ließen einige tausend Gewehre, 1500 bis 2000 Todte 
und Verwundete und zahlreiches Kriegsmaterial' in 'den Händen 
der Türken. Außerdem sind zahlreiche unverwundete Russen in 
türkische Kriegsgefangenschaft geratheu. 
Ueber den Ausfall der Rustschuker Garuisou berichtet ein 
Telegramm des „N. >W. Tagbl." aus dem Hauptquartier Ras- 
grad, 2. September: 
„Achmed Kaiserli Pascha machte am 30. Aug. Abends mit sieben 
Bataillonen unn sechs Feldgeschützen einen brillanten Ausfall von 
Said Pafahan, überrumpelte die 'feindliche Brigade in Kadikiöi 
welches er noch kurzem blutigen Gefecht nahm, überschritt den 
Lom, erstürmte das stark von Feinden besetzte Jowän-Tschistlik, 
worauf er auf den linkseitigen Höhen vorwärts marschirend, in 
Bnzisma und Krisua die feindlichen Belagerungsarbeiten ganz- 
lich zerstörte, dann über den Lom zurückging, die russische Kaval- 
lerie-Abtheilnng, die ihm den Rückzug uach Rustschuck abschneiden 
wollte, bei Bassarowa zersprengte und sammt den Gefangenen 
And drei eroberten Geschützen am 31. Abends nach Rnstschttk 
Zurückkehrte. Der Verlust der Russen beträgt 500 bis 600 
Mann; ihre Arbeiten wurden fast alle zerstört und mehrere grö- 
ßere Geschütze durch Sprengung complet unbrauchbar gemacht. 
Gleichzeitig verjagten Tscherkessen die Russen von der Bahnstation 
Tscherwenawoda. Die direkte telegraphische Verbindung nach 
Schumla ist wieder hergestellt. Die türkischen Verluste sind nicht 
sehr bedeutend." 
Ueber die Lage im Schipka-Paß berichtet eine Depesche 
des zweiten Korrespondenten der russenfreundlichen „Daili News". 
Es geht aus dieser Darstellung hervor, daß die Vertheidiger des 
Schipka-Passes von den Türken beinahe cernirt sind. Auch eine 
russische Depesche bestätigt diese Sachlage, da sie meldet: Baschi- 
Bozuks hätten das Dorf Selenedrewo besetzt, welches nördlich 
des Passes liegt. Die neuesten Berichte Suleimau Paschas 
meldeten selbst Reeognoseirungen von seiner Seite bis vor Gabrowa. ° 
Ueber den Eintritt Rumäniens in den Kampf schreibt 
man der „polit. Korrespondenz" unter dem 27. Angnst: 
„In diesem Augenblick dürfte der Uebergang der ganzen 
rumänischen Armee über die Donau sich bereits vollzogen haben. 
Es herrscht hier und, wie man mit Bestimmtheit sagen kann, 
im ganzen Lande große Besorgniß über diese Wendung der Dinge, 
denn wenn man auch — und das mit vollem Recht — über 
zeugt ist, daß der rumänische Soldat als Soldat seine Pfl'cht 
mit aller Aufopferung thun wird, so gehören doch bekanntlich 
noch andere Dinge als Persönliche Tapferkeit des Soldaten dazu 
um aus einem schweren Kampfe siegreich hervorzugehen, und 
gerade sehr viele dieser anderen Dinge fehlen hier noch gar sehr. 
Ernster denkende Politiker gehen noch weiter, und fragen sich: 
was mit dem Lande geschehen werde wenn dem Fürsten, der sich 
persönlich an die Spitze seines Heeres jenseit der Donau stellt, 
etwas menschliches begegnen sollte, was bei der von ihm schon 
wiederholt und namentlich auch bei Kalasat an den Tag gelegten 
Todesverachtung, um nicht zu. sagen Tollkühnheit, immerhin als 
möglich gedacht werden kann. Da es notorisch ist, daß der 
Bruder des Fürsten, welcher nach der rumänischen Verfassung in An 
betracht der bisherigen Unfruchtbarkeit der Ehe des Fürsten Carolznr 
Thronfolge berufen ist, diesen Thron in keinem Falle zu besteigen 
fest entschlossen ist, so müßte, nach dem Wortleute des Art. 84 
der Constitution, zur Wahl eines neuen Fürsten, „aus einer 
souveränen Familie des.occideutalen Europa's" durch die gesetzge 
benden Kammern geschritten werden, und eben eine solche Neu- 
wähl bei den gegenwärtig in Rumänien herrschenden, von außen 
her geschaffenen Verhältnissen ist es was unsere denkenden politi- 
schen Kreise mit reger Besorgniß erfüllt, und es kann gesagt 
werden, daß diese Besorgniß in allen politischen Sphären, ohne 
Unterschied der Parteischattirung> herrscht, seitdem man nun posi- 
tiv weiß, daß Fürst Carol persönlich in den Krieg zieht. Wenn 
auch selbst vom Schlimmsten abgesehen wird was ihm wider- 
fahren könnte, befürchtet man nach den bisher gemachten Erfah- 
ruugeu, daß am rechten Donau-Ufer sehr leicht Dinge sich ereig 
nen können, die den in dieser Richtung sehr resoluten Fürsten 
veranlassen würden mit dem Feldherrn stäb gleichzeitig auch das 
Scepter niederzulegen. Die Stimmung hier läßt sich nach dem ' 
Gesagten leicht begreifen, ganz abgesehen von den sonstigen bangen 
.Erwartungen mit welchen 'man der nächsten Zukunft, und der 
Entwicklung der Ereignisse auf dem rechten Donau-Ufer ent« , 
gegensieht. . 
,Die Theilnahme Serbiens am Kriege an der Seite Ruß- 
lands ist nach den neuesten Nachrichten zu schließen, als wahr- 
scheinlich anzunehmen, doch glaubt man vieler Orts, daß die 
Serben mit ihrer kampfeslustigen Armee noch zuwarten wollen, 
bis die Türken von den Russen geschlagen werden, weil sie in 
diesem Falle leichtere Lorbeeren zu pflücken hoffen. 
Sollten aber die Türken fortfahren zu siegen, so würden die 
Serben lieber zu Hause bleiben; weil sie nach den letztjährigen 
Erfahrungen vor dem „Geklopftwerden" einen bedeutenden Re- 
spekt noch besitzen. 
Rußland. Der kaiserliche 'Ukas über Einberufung der
	        

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