Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1877)

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um sich zu schlagen; was liegt ihnen an der Kälte und dem 
Regen der Gebirge, der Hitze oder Dürre der Ebenen, sie mar- 
fchiren ohne sich zu beklagen, gehen wohin man ihnen befiehlt, 
und sterben in der Hoffnung eines besseren Looses, des Para- 
dieses Mohammeds. Die Bewohner von Adrianopet und die 
Consuln haben dem Obergeneral beim Durchmarsch der Truppen 
ihre Bewunderung für das gute Verhalten und dieMännszucht 
der Soldaten bezeugt, welche während des letzten Winters hel- 
denhaft den Unbilden der Jahreszeit und den wüthenden An- 
griffen eines muthigeu Feindes wiederstanden." 
Ein nicht minder günstiges Zeugniß wird den türkischen 
Truppen von der Armee Mehemed Ali's in einem Bericht der 
„Köln. Ztg." aus Schumla, 10. Aug., ausgestellt. Darin 
heißt es: 
„Dfc Witterung ist seit dieser Nacht auffallend kühl ge- 
worden: bis jetzt litten wir unter einer Sonnengluth wie sie 
wahrlich in Afrika nicht schrecklicher sein kann. Am Tage konnte 
man ohne Gefahr einen Sonnenstich zu bekommen kaum aus- 
gehen, alle Gänge und Arbeiten mußten daher am frühen Morgen 
ober am Abend besorgt werden. Trotz dieser großen Hitze ist 
bei den Türken der Gesundheitszustand vortrefflich. Ich lerne 
diese braven Soldaten immer mehr schätzen und bewundern. 
Selten werden die Leute beköstigt, denn eine Beköstigung kann 
man den Zwieback der ihnen geliefert wird, nicht nennen; nie 
werden sie bezahlt — wenigstens bis jetzt noch nicht — und doch 
murrt auch nicht ein einziger. Die türkischen Truppen, euro- 
päisch ausgebildet und von intelligenten Führern befehligt, müß 
ten die beste Armee der Welt abgeben. Em türkischer Soldat 
Hütt aus und arbeitet wie ein Pferd, ohne andere Nahrung als 
etwas Pilaw (Reis) und Zwieback zu sich zu nehmen. Fleisch 
kennen die türkischen Truppen schon seit Monaten nicht mehr. 
Ich möchte wissen, was aus einem europäischen Heere geworden 
wäre wenn dasselbe bei einer derartigen Verpflegung vier Mo- 
näte unter Zelten und freiem Himmel hätte zubringen müssen! 
Würde dasselbe, auch ohne einen Feind, überhaupt noch epstiren? 
Und doch entbehrt der türkische Soldat nicht nur Wohnung, 
Essen und Kleidung, sondern er schlägt sich trotzdem 36 Stunden 
lang, wie bei Plewna, ohne zu essen und zu schlafen. . . ." 
Neueste Rachrichten. 
Wien, 27. Aug. Das „N. W. Tagbl." meldet aus 
Schumla: Gestern Nacht traf Prinz Hassan hier ein und ward 
am Bahnhof von Rens Pascha und Tesik Bey empfangen. Er 
übernimmt das Commando in Eski-Dschuma. Die Türken sind 
bis Popkiöi vorgedrungen. — Aus Belgrad: Es verlautet die 
Regierung beabsichtige die Einberufung einer außerordentlichen 
Skupschtina, welcher die Entscheidung über die Frage „Krieg 
oder Neutralität?" anheimzugeben sei. Die Vorbereitungen zur 
Actiou dauern fort. Die Entfernung der Militärpflichtigen von 
ihren Wohnorten ist verboten; die Corpskommandanten sind zu 
einem Kriegsrath einberufen worden; die Verhandlungen mit 
dem russischen Hauptquartier werden fortgesetzt. — Die „Presse" 
meldet aus Tiflis: Nachdem General Alchosoff den Fluß Kodor 
überschritten hatte, räumten die Türken ihre befestigte Position 
bei Draud und zogen sich nach Kellafuti zurück. Der Anführer 
des Restes der aufständischen Abchasen hat sich bereit erklärt die 
Waffen zu strecken. 
Sonbott, 26. Aug. Reuters Bureau meldet aus Konstant!- 
nopel, 26. Aug.: Eine Depesche Suleimau Pascha's zeigt an, 
er habe zwei Hauptforts des Schipka-Passes genommen. Eine 
weitere Depesche aus Adrianopel will wissen, Suleiman habe 
auch das dritte Fort genommen und Gabrowa angegriffen. 
Ferner liegen Nachrichten über einen großen Sieg Mukhtar 
Paschas in offenem Felde bei Kürükdara vor, wobei 4000 
Russen kampfunfähig gemacht wurden. Nähere officielle Nach- 
richten fehlen noch. 
St. Petersburg. 26. Aug. Offizielle Meldung aus 
Gornji-Studen (russisches Hauptquartier) 26. Aug.: Ge- 
stern begann der Kampf um den Schipka-Paß um 9 Uhr Mor- 
gens und dauert jetzt den fünften Tag mit furchtbarer Heftigkeit. 
Unsere Truppen behaupten ihre Stellung; mehrere kräftige An- 
griffe sind zurückgeschlagen. Heute fand General Doroschinsky, 
welcher die drei ersten Tage die Verteidigung deS Schipka-Passes 
leitete, den Heldentod. 
St. Petersburg, 26. August, Abends 10 f / 4 Uhr. Den 
letzten Nachrichten aus dem Hauptquartier Gornji-Studen 
zufolge haben unsere Truppen ihre Stellungen im Schipka-Paß 
auch nicht einen Zoll breit aufgegeben. Die Konstantinopeler 
Nachrichten über die Wegnahme mehrerer Befestigungen im Schip- 
ka-Passe dnrch die Türken sind nach den bis jetzt vorliegenden 
Nachrichten durchaus unbegründet. 
Konstautinopel, 26. August. Telegramm Suleiman 
Paschas vom Donnerstag, 23. August: Der Angriff gegen den 
Schipka-Paß ward am Mittwoch unternommen, am Donnerstag 
fortgesetzt und dauerte am Donnerstag den ganzen Tag. Die 
Russen widerstehen, sind aber cernirt. Wahrscheinlich befindet 
sich der Schipka-Paß bald in den Händen der Türken. — Tele 
gramm Derwisch Paschas aus Batum: Die Türken griffen 
am Freitag die russischen Befestigungen bei Knssuban an, zer- 
störten dieselben und schlugen die Russen mit einem Verlust von 
300 Man». Der Verlust der Türken beträgt 15 Todte und 
40 Verwundete. — Ein Telegramm Mukhtar Paschas vom 
25. August meldet eine große Schlacht in der Ebene von Kars 
bei Jedikler. Die Türken griffen zuerst die Hügel bei Kisil an 
und nahmen dieselben in der Nacht vom Freitag auf den Sam- 
stag. Ein russisches Corps, das von Badrian kam, wollte am 
Samstag Morgen die Hügel wieder nehmen. Der Kampf um 
dieselben nahm große Proportionen an und dauerte bis 5 Uhr 
Abends. Die ganze Ebene von Kars war ein ungeheures 
Schlachtfeld. Mehr als 200 Kanonen feuerten. Drei Angriffe 
der Russen gegen die Kisil-Hügel wurden von den Türken zu- 
rückgewiesen, welche Herren des Schlachtfeldes blieben. Mukhtar 
Pascha schätzt den Verlust der Russen auf 3—4000 Todte. 
Der türkische Verlust beträgt 1200 Mann an Todten und Ver- 
wundeten. General Ali, ein türkischer Oberst und das Pferd 
Mukhtar Paschas wurden verwundet. Der Kommandant der 
russischen Kavallerie, General Zozowajoff, ist gefallen. 
Verantwortlicher Redakteur u. Herausgeber: Dr. Rudolf Schädler. 
Thermometerstand nach Reaumnr in Baduz. 
Monat 
Morgens 
7 Uhr 
Mittags 
12 Uhr 
Abends 
6 Uhr 
Witterung. 
August 
22 
+14 % 
+ 19 % 
+ 16 
halb hell 
» 
23 
"+18% 
+ 13% 
+ ii V2 
trüb; Reg. 
n 
24 
+ 9 
+ 16% 
+ 15 
fast hell 
tr 
25 
-j-11 
+ 18'% 
4- 17% 
hell 
tr 
26 
+ 15 
+ 21 Vi 
+ 18 
fast hell 
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27. 
+ii'/« 
+ 19% 
+ 17 
hell 
H 
28. 
+13 
+ 19% 
+ 19 
hell. 
Telegrafischer Kursbericht von Wie». 
29. August Silber.... - 104.70 
20-Frankenstück 9.59 % 
100 Reichsmark 58.85 
London 119.75 
Druck von Heinrich Graff in Feldkirch. 
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