Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1877)

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Neueste Nachrichten. 
Wien, 5. August. Telegramme des „N. W. Tagbl." Aus 
Rasgrad: Suleiman Pascha verfolgte nach der Erstürmung 
von Eski-Sagra die Russen bis Derbent bei Kasanlik und machte 
viele Gefangene. — Aus Konstantinopel: Der Vicekönig 
von Aegypten wird noch 6000 Mann Hülfstruppen stellen. — 
Aus V a r n a: Mehemed Ali Pascha hat die Angriffe der Russen 
auf seine stark befestigten Positionen zurückgewiesen. 
Wien, 6. August. Der Kaiser ist gestern nach Ischl ab- 
gereist. — Das „Fremdenblatt" dementirt die Nachricht von 
einer angeblichen SpezialMission des österreichischen Militärbevoll- 
nlächtigten Frhrn. v. Bechtolsheim, die demselben von Seiten 
des russischen Kaisers aufgetragen worden sei. 
Wien, 6. August. Das „N. W. Tagbl." meldet aus 
Schumla: Suleiman Pascha besetzte gestern Kasanlik, welches 
die Russen räumten. Der Bahnverkehr zwischen Schumla und 
Rustschuk ist auf der ganzen Strecke hergestellt. — Osman 
Pascha erhielt vom Sultan das Großkreuz des Osmanie-Ordens, 
Adil Pascha einen Ehrensäbel. — Aus Belgrad: Der Mobi- 
lisirungsbefehl für die Milizklasse ist erfolgt. Die Aerzte müssen 
in 48 Stunden einrücken. — Aus Konstantinopel, 5. Aug. 
Ein Edikt des Sultans setzt den Gehalt aller Beamten um die 
Hälfte bis zum Ende des Kriegs herab. Der russische Dampfer 
„Konstantin" erschien vorigen Freitag Nacht vor Kilia am 
Bosporus, feuerte einige Schüsse ab und entfernte sich dann 
wieder. 
Konstantinopel, 5. August. Offiziell. Die Russen sind bei 
Jeni-Sagra vollständig geschlagen worden. Die Türken verfolgten 
den in Unordnung fliehenden Feind bis Hain-Bughaz. Suleiman 
Pascha besetzte dieses Defile. Der,russische Verlust ist beträcht- 
lich; es wurden zwei Kanonen und eine große Menge Monti- 
rungsstücke erbeutet. 
Konstantinopel, 5. August. Ein officielles Telegramm 
vom 5. August meldet: Suleiman Pascha hat, nachdem er die 
Russen bei Jeni-Sagra geschlagen, diese Stadt wieder genommen 
und den Feind über das Defile Hain-Bughaz hinaus zurückge- 
worfen, welches gegenwärtig wieder von den Türken besetzt ist. 
Die Türken nahmen den Russen zwei Kanonen ab. Wie versichert 
wird, wurde auch Kasanlik wieder von den Türken genommen. 
Das Journal „Stamboul" ist suspendirt worden, wogegen der 
„Levant Herald" die Erlanbniß wieder zu erscheinen erhielt. — 
Einer offiziellen Verlautbarung zufolge wurde Namff Pascha 
zum Präsidenten des Kriegsgerichts ernannt, welches mit der 
Aburtheilung Redif Paschas, Abdul Kerim Paschas, Echres 
Pascha's und anderer betraut ist. — Reuf Pascha ist heute vom 
Sultan empfangen worden und reist morgen ab. — Vorigen 
Freitag fand ein Bombardement zwischen Widdin und Kalafat statt. 
Wien, 6. August. Die „Polit. Eorr." bringt folgendes 
Telegramm aus Z a r a, 5. Juli: Gestern hat ein heftiges Ge- 
fecht zwischen den Insurgenten unter Despotowitsch und den 
Türken stattgefunden. Erstere wurden geschlagen und erlitten 
große Verluste. Despotowitsch und 300 Insurgenten mußten 
sich auf österreichisches Gebiet flüchten, woselbst sie entwaffnet 
und internirt wurden. — Eine weitere Depesche der „Polit. 
Eorr." berichtet aus Athen, 6. August: Die Nachricht, die 
Pforte habe ihren hiesigen Gesandten zur Erklärung ermächtigt, 
daß die Türkei eine Erhebung in den benachbarten griechischen 
Provinzen als casus belli betrachten würde, wird in griechischen 
Regierungskreisen als unbegründet bezeichnet. 
Wien, 6. August. Das „N. W. Tagbl." meldet aus 
Schumla: bei Popkoi griffen Tscherkessen drei russische Eaval- 
lerie-Escadronen an, welche zwei Geschütze hatten; die Russen 
wurden zurückgeworfen und die Türken besetzten Popkoi. — Aus 
Bukarest: durch Barboschi passirten große Truppentrans- 
Porte. — Die „Presse" meldet aus Tiflis: die Russe« er- 
griffen, neun Divisionen stark, am 3. August die Offensive in Ar 
menien und besetzten Ani-Magarberi und Digar. Der rechte 
türkische Flügel zog näher an Kars. 
Wien, 6. August. Nach Gerüchten, welche aus Bukarest 
hieher gemeldet werden, hätte Mehemed Ali Pascha Sistowa er- 
reicht und stünde die Donaubrücke in Gefahr. — Der Fall von 
Niksitsch und der Einzug des Fürsten Nikita gilt als bevorstehend. 
— Despotowitsch ist mit seinen Leuten auf dalmatinischen Boden 
geflohen und daselbst entwaffnet worden/ ' 
Belgrad, 6. August. Die beabsichtigte Mobilisirung wird in 
der Form von Lagerübungen der ganzen aktiven Armee ausge- 
führt. Anfangs werden Brigadelager gebildet. 
Kragnjewah, 6. August. Die Skupschtina wurde gestern 
Abend geschlossen. In der letzten Sitzung derselben waren noch 
Gesetze über die Ausgabe von Papiergeld und über die Unter- 
stütznng der bedrängten Distrikte angenommen worden. Zugleich 
ist der Regierung das vollkommene Vertrauen der Kammer aus- 
gesprochen und ihr vollständig freie Hand für jede mögliche 
Aktion gelassen worden. 
Konstantinopel, 6. August. Die Pforte drückte den Bot- 
schaftern ihre Geneigtheit zu einem Friedensschlüsse auf der Basis 
der Konferenzvorschläge aus. 
Verschiedenes. 
* Zürich. Attentat eines Tobsüchtigen. Ueber 
einen Vorfall ungewöhnlicher Art, welcher am 28. v. M. die 
Aufmerksamkeit eines Theils der innern Stadt auf sich zog, wird 
der „N. Z. Ztg." von nächstbetheiligter Seite, einem Studiren- 
den des Polytechnikums, geschrieben: Ich habe eben wie gewöhn- 
lich ein Bad im See genommen und war aus dem Nachhause- 
weg begriffen, als mich auf der Wühre, unweit der Meise, Plötz- 
lich eine kräftige Hand von hinten packte und eine wilde Stimme 
mich anbrüllte: „Wie heißst Du?" Ich drehte mich um und 
fah einen mir gänzlich unbekannten Mann mit einem drohend 
zum Schlage nach meinem Haupte erhobenen dicken Knüppel in 
der Hand. Ein einziger Blick in das wilde, starkgeröthete Ge 
sicht des Menschen sagte mir, daß ich einen Tobsüchtigen vor 
mir habe. Der Gedanke an die übermenschliche Kraft solcher 
Wesen, verbunden mit der Plötzlichkeit der über mich gekomme- 
nen außerordentlichen Gefahr raubten mir sofort einen Theil 
meiner Energie, wie meiner Besinnung überhaupt, und ließen es 
mir gerathen erscheinen, meinem Angreifer, der mich übrigens 
nicht losließ, vorläufig widerstandslos zu folgen. Ich begegnete 
mit dieser grauenvollen Eskorte nach einer kurzen Wanderung 
durch die um diese Zeit ganz menschenleere Gasse zwei Männern, 
denen, ich zurief: „Steht mir bei, der Mann da an meiner 
Seite ist ein Tobsüchtiger!" Sie sahen mich'an, sperrten die 
Mäuler auf und — rührten keine Hand zu meiner Befreiung. 
Weiter ging die entsetzliche Wanderung, während welcher mein 
Begleiter fortwährend den Knüppel drohend zum Schlage nach 
meinem Haupte emporhielt. Ein erster Versuch, mich durch 
einen Sprung in einen Laden zu flüchten, mißlang, da es nicht 
möglich war, die Thür hinter mir zu schließen. Er zerrte mich 
heraus und schleppte mich weiter. Auf der Gemüsebrücke schrie 
ich den zahlreichen, auf mich und meine Begleitung aufmerksam 
gewordenen Gaffern wieder zu: „Helft mir, rettet mich vor die- 
fem Tobsüchtigen!" Niemand rührte sich. In diesem Augen- 
blicke scheint mein Begleiter seiner bisherigen Passivität über- 
drüssig geworden zu sein, denn er gab mir einen furchtbaren 
Stoß mit der Faust und ich benutzte den Moment zur Flucht, 
— unglücklicherweise aber in meiner Todesangst und Verwirrung 
in den der Polizeiwache gegenüber liegenden Laden, dessen Thür 
mir wieder nicht zu schließen gelang. Wie der Blitz war der 
Tobsüchtige an meiner Seite und ein mit furchtbarer Kraft 
ausgeführter Schlag stürzte mich zu Boden — ich gab mich 
verloren! Im höchsten Stadium blutgieriger Erregtheit fiel nun 
das Thier in Menschengestalt über mich her, aber gleichwohl 
gelang es mir, aus mehreren Wunden blutend, mich durch einen
	        

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