breit Raumes gewonnen, während die bedenklich gelichteten Reihen
seiner Bataillone verriethen mit welch ungeheuren Schwierigkeiten
seine Soldaten zu kämpfen gehabt hatten. Etwas besser, oder
wenn man das Endergebnis betrachtet, noch sehr viel schlechter,
erging es auf der russischen Linken dem General Schachowskoi,
der erst gegen Mittag-seinen Angriff auf Radisowo begann. Es
gelang ihm einer türkischen Redoute gegenüber, die ein rückwärts
gelegenes stark verschanztes Dorf vertheidigte, vier Batterien in
Stellung und nach einstündigem Feuern die türkischen Artilleristen
zum Schweigen zu bringen. Die 32. Jnfanterie-Division ging
nunmehr zum Sturm vor und nahm nach langem und blutigem
Ringen die Redoute und das Dorf. Dahinter aber lag die
zweite türkische Vertheidigungsliuie, nämlich abermals eine Re-
doute und eine Anzahl stark verschanzter Weinberge. Auch diese
wurden gewonnen aber unter solch entsetzlichen Verlusten, daß
ihr Werth dadurch keineswegs aufgewogen wurde. Kaum aber
hatten sich die Russen in den genommeneu Stellungen festgesetzt,
so begann von der zeitig zurückgegangenen türkischen Artillerie
solch ein vernichtendes Feuer, daß die Russen zu wanken begannen.
Fürst Schachowskoi mußte die letzte Reserve-Brigade ins Feuer
führen und begann nun den Angriff geradezu gegen den Ort
Plewna selbst, oder vielmehr gegen die letzte türkische Verthei-
digungslinie welche diesen Ort deckte. Dort stand die türkische
Infanterie in dicht gedrängten Massen, während fortlaufende
Schützengräben sich vor ihrer Front hinzogen. Von Nachmittags
4 Uhr bis Sonnenuntergang rangen die Russen mit verzweifelter
Tapferkeit, aber die türkischen Schützen wankten auch nicht einen
Augenblick. „Sie lagen da wie die Klötze und feuerten wie
Maschinen," schreibt ein Berichterstatter. Zwei russische
Compagnien waren gegen Abend durch die türkischen Schützen-
grüben hindurch bis zu den ersten Häusern von Plewna vorge-
drungen, dort aber mußten sie, zwischen zwei Feuer genommen
wieder Reißaus nehmen und unter großen Verlusten die offene
Höhenkette hinanklimmen, auf der sie vorher herabgestiegen waren.
Auch machten die russischen Batterien einen kühnen Versuch sich
in der von der Infanterie genommenen Sellung festzusetzen und
von dort das türkische Granatenfeuer zum Schweigen zu bringen;
binnen kurzem aber sahen sie sich zum Verlassen des gefährlichen
Ortes genöthigt. Und als nun das erste Abenddunkel herein-
brach, folgte auf der ganzen Linie ein allgemeiner Bajonnett-
Angriff der noch ziemlich frischen türkischen Infanterie. Im
Sturm nahm Osman Pascha jene zweite Verteidigungslinie
wieder, deren die Russen niemals vollständig Meister geworden
waren. Die decimirten und ermüdeten Russen versuchten
mannigfach Stand zu halten, aber die Überlegenheit auf der
andern Seite war allzu groß, und als es vollständig dunkel ge-
worden war, war kein Fuß breit mehr von dem anfänglich so
mühsam erkämpften Terrain in den Händen der Hussen. Damit
war aber der Kampf noch keineswegs zu Ende. Die Russen
versuchten sich auf den Radisowo gegenüberliegenden Höhen, von
wo sie ihren Angriff begonnen hatten, wieder festzusetzen. Die
Vaschi-Bozuks aber bemächtigten sich des ganzen Landstriches
hinter ihrem Rücken und nöthigten sie auch von "dort zum Rück-
zug. Hierauf fußte wohl die Bemerkung des Berichterstatters der
«Daily News," welche derselbe allerdings wohl nur auf Hören
sagen gemacht hat, daß nämlich die Baschi-Bozuks alle auf dem
Schlachtfelde liegen gebliebenen Verwundeten erschlagen hätten. Des
russischen Befehlshabers muß sich nun nach dieser Niederlage
eine gewisse Verzweiflung bemächtigt haben, denn anders ist es
kaum zu erklären daß er am folgenden Tage dem 31. Juli,
abermals einen Angriff unternahm. Dreimal gingen die Russen,
nach der Meldung eines in Lowatz weilenden Berichterstatters
des Daily Telegraph, zum Angriff vor, und dreimal wurden sie
unter schweren Verlusten zurückgeworfen. Als sie aber zum
viertenmal vorgingen, kamen ihnen die Türken mit dem Bajonett
entgegen und richteten unter den Fliehenden ein furchtbares Blut-
bad au. Im höchsten Grad schwankend sind die Angaben über
ihre Verluste. Der „Presse" wird gemeldet daß General Krü-
dener nur über drei schwache Infanterie-Divisionen und eine Ca-
vallerie-Brigade, also im Ganzen etwa 40,000 Mann, verfügt
habe, während ein Berichterstatter des „Daily Telegraph" die
Russen auf 42,000, ein anderer aber allein ihre Infanterie auf
60,000 Mann beziffert. Die Verluste der Türken waren, nach
den übereinstimmenden Meldungen aller Berichterstatter verhält-
nißmäßig sehr gering, die der Russen werden in dem zweifellos
stark übertreibenden Bericht Osman Pascha's auf 8000 Todte
'und annähernd das Doppelte an Verwundeten angegeben. Ein
Bericht der „Potft. Eorr." gibt den russischen Verlust auf 2000
Todte und Verwundete an.
Die Niederlage bei Plewna hat auf russischer Seite eine
große Panik hervorgerufen. Ein Telegramm der „Times" meldet
darüber aus Bukarest, 1. August: „Letzte Nacht herrschte in
Simnitza volle Panik, die sich auch auf Bukarest ausdehnte. Die
Veranlassung war die Niederlage einer russischen Abtheilung
(man kannte am 1. in Bukarest noch nicht die ganze Bedeutung
des Kampfes. D. R.) in der Richtung von Plewna uud die
Ankunft der Kosaken in Sistowa, welche sagten: die Türken
kommen in großer Masse nach. Das schreckenerfüllte Volk floh
-nach Simnitza hinüber, gefolgt von Kosaken die weiter flohen.
Unterwegs stießen sie auf einen Convoi russischer Transport-
wagen und verbreiteten den Schrecken auch unter den Fuhrleuten,
welche ihre Fuhrwerke im Stiche ließen und nach allen Richtuu-
gen hin flohen." Und der „Deutschen Ztg " berichtet man auf
indirektem Weg aus Bukarest, 2. August: „Heute hat sich mit
Windeseile das Gerücht verbreitet, Baschi-Bozuks und Tscher-
kessen seien in der verflossenen Nacht nach Alexandria eingefallen
und haben alles niedergemacht und verbrannt; auch die Brücke
bei Simnitza soll angeblich durch Monitors zerstört worden sein.
Es ist mir unmöglich zu sagen, was daran Wahres sein mag.
Thatsache ist, daß die ganze Nacht hindurch die Minister und
Präfecten mit den im Boulevard-Hotel logirenden russischen Ge-
neralen lebhaft verkehrten, worauf letztere, nachdem sie sämmt-
liche hier weilenden Offiziere gesammelt, mit diesen noch in der
Nacht Bukarest verließen. In. Folge dessen, sowie wegen des
Ausbleibens aller Nachrichten vom Kriegsschauplatze, herrscht
unter der Bevölkerung eine schreckliche Panik. Alles bereitet sich
zur Flucht vor. Gegen den Fürsten, die Regierung und die
Russen herrscht große Erbitterung, weil im Moment der größten
Gefahr die rumänische Armee in die Aktion hineingezogen wurde."
Ueber die Kämpfe und Operationen seit dem 31. Juli liegen
keinerlei zuverlässige Nachrichten vor. Namentlich stehen solche
aus über die Aktion des türkischen Generalissimus Mehmed Ali
Pascha, der sich wohl so wenig als Osman Pascha die Aus-
nutzung der russischen Niederlage entgehen lassen wird. Osman
Pascha kann auf Tirnowa losstoßen, wie er auch nach der Rich
tung von Sistowa sich wenden könnte. Vor allem werden Os-
man Pascha und Ali Pascha Fühlung oder . Verbindung mit
einander zu gewinnen suchen und ihren Rücken frei zu machen
haben, wenn sie einen Vorstoß gegen die Donau ausführen sollen.
Die Russen werden ihrerseits zunächst alles thuu um ihre zer-
streuten Korps fester aneinanderzuschließen. In den nächsten
Tagen sieht man jedenfalls großen Ereignissen entgegen. Aus
dem russischen Lager wird über große Verpflegungsschwierigkeiten
geklagt. — Der Sieg Snleiman Pascha's über die Truppen
des Generals Gurko bei Eski Sagra wird ofsiziell bestätigt.
Suleiman Pascha, dessen Truppen bei dieser Gelegenheit fünf
russische Geschütze eroberten, rückte am Dienstag in Eski-Sagra
ein, wo die Türken noch einen erbitterten Kampf mit der bul-
garischen Bevölkerung zu bestehen hatten, die auf die Truppen
durch die Fenster schoß und sich in Häusern und Kirchen aufs
äußerste vertheidigte. Da Suleiman Pascha seinen Vormarsch
auf Kazanlik fortsetzt, so dürfte der militärischen Promenade
Gurko's bald ein ziemlich unangenehmes Ende bereitet werden
Seine Leute werden in fortgesetzten Gefechten denmirt.