Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1877)

erlitte», so daß der Wasserpegel jetzt ein relativ niedriger ist. 
Bei dem gleichen abfließenden Wasserquantum zeigt z. B. bei 
Vaduz und Schaan der Pegel gegenwärtig beinahe um % 4 we 
niger als vor 6 Jahren. 
Bekanntlich wurde schweizerischerseits die sehr zweckmäßige 
Einrichtung getroffen, daß bei Rheinhochwassern der jeweilige 
Wasserstand von Reichenau aus, wo die beiden Rheine oberhalb 
der dortigen Brücke sich vereinigen, telegraphisch auf die Sta- 
tiouen im Rheinthale bekannt gegeben wird. Dadurch wird es 
uns ermöglicht um 4—6 Stunden voraus von der Höhe des 
herannahenden Hochwassers unterrichtet zu sein, wenn wir uns 
mit den schweizerischen Telegraphenstationen diesfalls in Ver- 
bindung zu setzen uns bemühen wollen. Wir können also schon 
um einige Stunden früher annähernd die Gefahr bemessen, welche 
allfällig im-Anzüge oder in Abnahme begriffen ist. Wenn der 
Pegel in Reichenau 7 4 zeigt (Winterwasser) so steht er bei Va- 
duz und Schaan auf 0, bei Balzers auf 1' und bei Bendern 
auf 1, 5 '. Ferner zeigen die genannten Pegel 12, 13 und 
15,5', wenn in Reichenau das Wasser auf zk. 24' schw. M. 
steht. In Reichenau muß also das Wasser 17' = 16,j' W. 
Maß steigen, bis es bei uns um 12' anwachst, woraus erfolgt, 
daß bei einem Steigen oder Fallen des Rheines in Reichenau 
um 1', wir gleichfalls nach Verlauf von 4—6 Stunden ein 
Wachsen oder Fallen des Rheines von nur %' zu gewärtigen 
haben. 
Wir kommen zu dem weiteren Schlüsse — ohne merklichen 
Rechnungsfehler zu begehen — daß, wenn der Rhein nochmals 
die größte von diesem Jahrhundert bekannte Höhe 
erreichen sollte, (in Reichenau — 30') der Wasserstand bei uns 
in Liechtenstein um 4—4%' höher als am 16. Juli 1877 
steigen dürfte. Der Pegel bei Balze, s würde dann auf 17% 
bis 18', bei Vaduz und Schaan auf 16—.16 V2' und bei Ben 
dern auf 18—19' stehen. Nach diesen Ziffern haben wir auch 
die erforderliche Höhe unserer Hochwuhre und Binnendämme zu 
bemessen. 
Die Rheinschutzbauten haben die Hochwasser im Ganzen 
gut überdauert und die Probe zur Befriedigung bestanden. Zu- 
gleich wurde auch die erfreuliche Bemerkung gemacht, daß die 
neuen Hoch- und. Halbhochwuhre den Erwartungen und Anfor- 
derungen entsprochen haben. Nur jene Halbhochwuhre (an der 
Schaan-Eschner-Grenze), welche noch nicht in entsprechender Höhe 
hergestellt waren, haben der hohen Ueberfluthung und der starken 
Abströmung des Wassers im Rücken derselben (zwischen Wnhr 
und Damm) nicht widerstanden und haben erhebliche Beschädi- 
gungen erlitten^ R. 
Vaduz, den 30. Juli. (Eingesendet). Zum Eapitel: Schul- 
Erziehung. 
In einer Bezirks-Lehrerkonferenz zu Nikolsbnrg in Mähren 
wurde am Ii. dieses die Zulassung körperlicher Züchtigung be- 
rathen. Der Referent Oberlehrer Prinz begründete, wie die 
„Nikolsb. Wochenschr." berichtet, seine Ansicht in überzeugender 
Weise mit folgendem Vortrage, der auch bei uns Aufmerksam- 
keit verdient; er sprach: 
„Bewährte Pädagogen, wie Milde und Dittes, bezeichnen 
die körperliche Züchtigung in einzelnen, obwohl seltenen (—?—) 
Fällen als zweckdienlich, ja sogar nothwendig und nicht er- 
zogeneu Kindern gegenüber als das angemessenste Mittel zur 
Bekämpfung des Eigensinnes und des Trotzes. Wenn 
man bei der Austreibung böser Neigungen das Kind da zu 
fassen beginnt, wo es am empfindlichsten ist, dann, sagt Milde, 
ist ein solches Verfahren verdienstlich, dann wird sich's 
zutragen, daß Leute in ihren reiferen Jahren es den Lehrern 
Dank wissen, daß es ihnen gelang, den bösen Sinn zu beugen 
und den angehenden Taugenichts auf rechte Wege zu führen. 
In der Schulpraxis lernt man Jungen kennen, die so oft 
lügen, als sie den Lehrer ansehen, die ihm frech in's Gesicht 
lachen, wenn er sie zurechtweist, die den Lehrer aushöhnen 
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u. s. w., die bei Ermahnungen laute Nachreden erwiedern u. s. w. 
"und allem dem gegenüber hat der Lehrer nichts als Worte 
und immer Worte und — die Disziplinarmittel. Wird ein 
solcher Bursche nach der Schule eingesperrt, so muß der Lehrer 
bei ihm bleiben, muß also die Strafe mitleiden; wird er vor 
die Bank herausgestellt, so treibt er allen möglichen Unfug, um 
selbst den bravsten Schüler zum Lachen zu reizen, uud schwindet 
dem Lehrer endlich die Geduld und sollte er es wagen, den 
Buben anzugreifen, so schreit er ihm zu: „Mei.Muoter Hot 
g'sogt, Sie derf'n mi net schlog'n, sonst zoagt's Jhnar oan!" 
(d. h. Sie dürfen mich nicht schlagen, sonst-zeig ich Sie an!) 
„Trotz der um jeden Preis humanisirenden liberalen Presse 
müssen wir Lehrer sür das Züchtigung s recht der Schule eintreten; 
denn sollen wir die Elternstelle in der Schule bezüglich der Erziehung 
vertreten, so müssen uns auch die Rechte der Eltern zugestanden 
werden. Der Schuljunge soll und muß es wissen, daß, wenn 
er sich in boshafter, frecher, lügnerischer Weise gegen seinen 
Lehrer vergeht, er von demselben wie von seinem eigenen Vater eine 
empfindliche Strafe erwarten kann; und die Eltern es wissen, 
daß ihre Kinder, falls sie ihnen die nöthige Erziehung nicht 
geben lassen, von dem Lehrer gezüchtigt werden dürfen. Wir 
Lehrer schwärmen nicht für die körperliche Züchtigung von 
früher, wir wollen nicht, daß man sie wegen geringen Leistungen 
im Lesen, Schreiben, Rechnen u. s. w. anwenden, sondern daß 
sie nur in den erwähnten Fällen zu vollziehen sei." — 
Die Konferenz beschloß darauf, es soll dem betreffenden § der 
Schulordnung folgende Fassung gegeben werden: „Die körper- 
liche Züchtigung darf bei Aeußerungen von Bosheit, bei aus 
Trotz und Eigensinn hervorgehendem Ungehorsam, bei Verstößen 
gegen die Sittlichkeit in Anwendung kommen." 
Ob solche Berathungen, Erwägungen und Anträge bei Schul- 
konferenzen hierzu Lande — nach Erfahrungen — auch ange 
zeigt wären, wird jeder eifrige Lehrer, dem die Erziehung am 
Herzen liegt, wohl einsehen! 
A u s l a n d. 
Vom Kriegsschauplatze. Am 17. Juli fand bei 
Plewna ein größeres Treffen zwischen Türken und Russen statt, 
in welchem letztere eine große Niederlage erlitten haben. Ein 
Korrespondent der „A. A. Ztg " schreibt unterm 22. Juli hier- 
über folgendes: Das Kriegsglück ist veränderlich. Ich muß 
Ihnen heute von einem unglücklichen Tage berichten, welcher 
aber trotzdem von der Bravour der russischen Truppen Zengniß 
gibt. 
Dem 17. und 19. Regiment wurde am 17. d. der Auftrag 
gegeben auf der südlich nach Plewna führenden Straße vorzu- 
gehen und Plewna zu nehmen. Größere Truppenmassen konnte 
man nicht als schon lange in Plewna anwesend voraussetzen, da 
solche jedenfalls die Truppen von Nikopoli vor einer Katastrophe 
hätten retten müssen. Aus diesem Grunde schien es nur noth- 
wendig einer Brigade den obigen Auftrag zu geben. 
Am Nachmittag des 19. langte die Brigade des 17. und 
19. Regiments mit einer Sotnie Kosaken und 5 Batterien vor 
Plewna an. Man fand Plewna besetzt und begann nun einen 
erfolglosen Gcschützkampf bis zum Abend. 
Am 20. drangen 4 Kompagnien des 17. Regiments in 
Plewna ein und setzten sich in demselben fest. Die sämmtliche 
Infanterie, unterstützt von der Artillerie und dem nachgeschickten 
18. Regiment, schritt zum Angriff auf die türkischen Stellungen, 
und Theile des 19. Regiments drangen sogar in die türkischen 
Batterien ein. Es waren keine Meldungen von der Flanke ein- 
getroffen, daß noch größere Truppenmassen der Türken im An- 
marsch seien, und von Widdin aus war dies auch undenkbar. 
Da meldeten sich die Truppen selbst an. Das Terrain bei 
Plewna ist sehr coupirt, und die Abhänge sind voll kleiner 
Büsche. Die Brücke über die Vid war in den Händen der 
Türken,' und man hatte, wie es scheint, russischerseits nichts ge-
	        

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