Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1877)

obern Landschaft ihre Abneigung gegen daS erwähnte Gesetz 
unverholen zur Aeußerung bringt. 
Um nun Angesichts dieser Thatsachen allen weitern etwaigen 
ordnungswidrigen Demonstrationen und Aufregungen zum Vor- 
hinein die Spitze zu brechen, ferner um dem Lande Gelegenheit 
zu verschaffen, den Ausdruck seiner Gestnnung durch Neuwahlen 
unverfälscht äußern zu können, endlich in Anbetracht daß die 
fürstliche Regierung unter den obwaltenden Umständen kaum 
in der Lage sein dürfte, der Durchführung deS neuen Gesetzes 
den nöthigen Nachdruck zu geben, haben die unterfertigten Land- 
tagSmitglieder beschlossen: 
1. ihr Mandat als Landtagsabgeordnete in die Hände deS 
Landesfürsten nieder zu legen und 
2. die fürstl. Regierung zu ersuchen, bei Seiner Durchlaucht 
dahin zu wirken, daß der gegenwärtige Landtag aufgelöst 
und Neuwahlen angeordnet werden. 
Folgen die Unterschriften der oben genannten Abgeordneten. 
Laduz, 16. Jänner. Der bisherige Weihbischof undCoad- 
jutor Caspar Wille, ist mit 23 gegen 1 Stimme zum Blschof 
von Chur erwählt worden. 
Vaduz, den 17. Jänner. Die in der heutigen Nummer 
der „Feldk. Ztg." gebrachten Mittheilungen über Liechtenstein 
beruhen insoweit auf unrichtiger Quelle: als 1. die Gemein 
den des Oberlandes als solche weder dem Proteste noch der 
Petition der Eschnerberger beigetreten stnd. 2. War man im 
gnnzen Oberlande nie und für keinen Fall für Auf- 
geben unserer staatlichen Selbständigkeit; und 
haben auch sämmtliche Borsteher deS Unterlandes die Erklärung 
abgegeben, daß die Deputation über ihren Auftrag hinaus ge 
sprochen habe, wenn jfe mit dem Anschluß an Oesterreich drohte. 
Die übrigen Berichtigungen ergeben stch am besten aus 
unserem Leitartikel von heute. 
Ausland. 
DaS Ergebniß der deutschen ReichStagSwa hlen 
ist, soweit sich die« bis heute übersehen läßt, im Ganzen fol- 
gendeS: 
Die Sozialdemokraten haben relativ einen unerwartet weit- 
greifenden Erfolg zu verzeichnen und zwar in ganz großartiger 
Weift, besonders in Berlin selbst. Die Anzahl ihrer Vertreter 
bärste stch im Ganzen auf circa 15 belaufen. 
Die übrigen Veränderungen in dem deutschen Parteiwesen 
find weniger groß. Etwas vergrößert hat stch die konservative 
und die deutsche Reichspartei. Die Vertreterschaft der großen 
(katholischen) EentrumSpartei ist fast ausnahmslos von den 
Wählern aufs neue bestätiget worden. — Die großen liberalen 
Parteien: der „Fortschritt" und die „Nationalliberalen" haben 
bedeutsame Einbuße erlitten. 
Im O r i e n t wird stch, nach allen Berichten zu schließen, 
dieser Tage die Conferenz auflösen und zwar wahrscheinlich 
ohne Resultat. Sodann wird, wie eS heißt, Rußland allein 
-in Ultimatum an die Pforte stellen. Jede einzelne Macht 
erhält wieder ihre volle ActionSfreiheit. 
Die Würfel dürften also bald fallen. 
Oesterreich. Betreffs der Ausweisung TschernajeffS 
aus Prag geht der „N. Fr. Pr." von dort folgender nähere 
telegraphische Bericht zu: „Der tschechische Schwindel mit 
Tschernajeff wurde heute durch Einschreiten der Behörde abge- 
brochen. In Folge Auftrags von Wien erschien heute um 
halb 1 Uhr Nachmittags eine polizeiliche Commisston, bestehend 
aus dem Polizeirath Kreutzer, Ober-Commiffär Hutzelmann und 
Commiffär KatzerovSky, in der Wohnung TschernajeffS und 
übergab einen französtsch verfaßten Ausweisungsbefehl, dahin 
lautend, der General habe Prag und Böhmen zu verlassen und 
um 6 Uhr AbendS abzureisen. Kommissär KatzerovSky blieb 
zur Ueberwachung im Salon. Chuvonoff telegraphirte ver- 
gebenS an den russischen Botschafter in Wien, den Auswei 
sungsbefehl rückgängig zu machen. Auf die Nachricht von der 
Ausweisung TschernajeffS sammelte stch in den Abendstunden 
eine große VolkSmasse auf dem Roßmarkt. Tschernajeff er- 
schien trotz Abmahnung der Beamten wiederholt und demon» 
strativ am Fenster. Der Pöbel schrie mit Ural und Ziviot 
die Kehlen heiser, stimmte abwechselnd Nationallleder an und 
schwenkte die Hüte unter infernalem Gejohle. Die Sicher- 
heitSwachmänner suchten vergebens den Pöbel zurückzudrängen. 
Zahlreiche Verhaftungen wurden vorgenommen. Um halb 7 
Uhr Abends mußte Militär requirirt werden. Ein Bataillon 
vom Regiment Erenneville, mit Major Haufchka, stellte stch 
mit der Front vor das Hotel. Das Publikum trat lärmend 
zurück. Polizei-Commissär KatzerovSky forderte Tschernajeff 
vergebens auf einzupacket». Dieser erklärte, stch lieber erschie- 
ßen zu lassen, als Prag zu verlassen. Die Beamten hotten 
BerhaltungSbefehle ein; darauf wurde Tschernajeff erklärt, daß 
er gewaltsam entfernt werden müßte. Um 7% Uhr führte 
Chudonbff den Renitenten zum Hotelwagen. Tschernajeff suchte 
den Polizeibeamten zurückzudrängen, dieser ließ stch jedoch nicht 
abhalten, stieg ein und der Wagen fuhr durch die Mariengasse 
zum StaatSbahnhofe. Dort waren inzwischen sämmtliche Zu- 
gangSstraßen von einem Bataillon Pu'nz von Sachsen und 
durch die Sicherheitswache von den Menschenmassen gesäubert 
und abgesperrt worden. Auf dem Bahnhofe trat Tschernajeff 
in die Restauration, sodann wurde er in einen Wagen erster 
Klaffe geführt. Reben ihm stieg Polizei-Commissär Hlawat- 
schek ein, welcher den Zug bis Bodenbach begleitet. Der Po- 
lizei - Direktor, der Platz - Oberst und zahlreiche Polizeibeamte 
waren auf dem Bahnhof anwesend. Kurz vor der Ab- 
fahrt deS Zugs wurde der Wenzelsplatz durch Dragoner 
vollends gesäubert. Nachmittags wurden Deputationen deS 
tschechischen akademischen LesevereinS, des Balltomit6'S dieses 
Vereins, ebenso Rieger und Julius Gregr, die Tschernajeff be- 
suchen wollten, von der Polizei zurückgewiesen. DaS tschechische 
Theater, wo Tschernajeff vergebens erwartet wurde, war über- 
füllt. Nach dem ersten Akt erfolgten Ura- und Ziviorufe auf 
Tschernajeff. Ein Polizeibeamter betrat die Bühne, und for- 
derte die Tumultuanten auf ihre Demonstration einzustellen, 
widrigenfalls die Vorstellung geschlossen würde. Hierauf trat 
Ruhe ein und die Vorstellung wurde fortgesetzt." 
Verantwortlicher Redakteur u. Herausgeber: vr. Rudolf SchSdler. 
Thermometerstand nach Reanmur in Vaduz. 
Monat 
Morgens 
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Jänner 10. 
+ 8 
+12 
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hal b hell 
. 11- 
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-J— 3 
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hell 
. 12. 
+ 3 3 /< 
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trüb; etw. Reg. 
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+ 1% 
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trüb 
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hell 
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trüb 
. 16- 
+ % 
+ 3 
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halb hell. 
Telegrafischer' Kursbericht von Wie«. 
17. Jänner Silber. . 116.- . 
20-Frankenstücke ....... 9 98 Vi 
Oruck von Heinrich Graff in Feldkirch.
	        

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