Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1877)

lich unbrauchbar stnd: sie sind entweder von außen angebrannt, 
oder inwendig roh oder schmutzig, oder mit Asche und der- 
gleichen gemischt. Großes Aufsehen erregt auch daS bedeutende 
Defizit von t % Million bei der vom Finanzministerium be- 
sonders patrowsirten Gesellschaft deS gegenseitigen Kredits, 
welche sogar eine Zeitlang den Gouverneur der Bank, H?n. 
ZamanSkv, zum Direktor hatte. Die Untersuchung ist einge- 
leitet. Die Gerüchte vom Rücktritte deS russischen Finanz- 
Ministers Reuter erneuern sich. Die Konturse mehren siih in 
geradezu schreckenerregender Weise. 
Türkei. Konstantinopel. Bon England, Frankreich 
und Belgien langen täglich Massen von Waffen hier an. Die 
Pforte hat die Aushebung einer neuen Armee von 140,000 
Mann angeordnet; dieselbe soll innerhalb zwei Monaten an 
den Balkanpassen konzentrirt sein. Der Sultan und seine 
Brüder haben 25 Millionen Franken auS ihren Privatmitteln 
zur Verfügung des KriegSministerS gestellt Aus der hiesigen 
Bevölkerung werden 6 HKüillone Freiwillige gebildet. 
Auf dem russisch-türkischen Kriegsschauplatz 
hat fich die Lage in der letzten Zeit zn Gunsten der Türken 
verändert. Mit dem Vordringen der Russen in Asien ist es 
nichts. Dieselben sind im Gegentheil tüchtig gehauen worden 
und befinden sich in vollem Rückzug. Der Uebergang über 
diesen Fluß hat nicht diejenige Bedeutung, welche man ihr 
russischerseits zuschrieb, wenigstens hat der türkische Befehls- 
Haber Abdul Kennt nach Konstantinopel berichtet, daß dieses 
von keiner Bedeutung sei. daß er nur um so besser verhindern 
könne, daß die Russen lebendig wieder nach Rußland zurück- 
kommen. Welche geheimen Pläne dieser General verfolgt, 
weiß man nicht. In Konstantinopel scheint man der Sache 
doch nicht ganz zu trauen und will der Kriegsminister Rebif 
Pascha zur Donauarmee abgeben, um sich über den Stand 
der Angelegenheitau der Donau Klarheit zu verschaffen. Eiye 
neuere Depesche meldet, daß der Kriegöminister plötzlich ge 
storben (worden?) sei. Die Niederlagen der Russen im Kau 
kasus haben in Petersburg keine geringe Aufregung hervor- 
gerufen. Bereits tritt das Haupt der panslavistischen Partei 
mit der Forderung auf, eS seien fähigere Leute an die Spitze 
der Armee zu stellen. Sollten die Russen auch an der Donau 
geschlagen werden, so dürste die im russischen Volke schon 
lange währende Gährung und Unzufriedenheit zu einem AuS- 
bruch kommen und daS wäre doch wenigstens eine gute Seite 
dieses blutigen Krieges. Eine Revolution in Rußland, Sturz 
deS Despotismus und Einführung zivilisirterer Zustände wäre eine 
Wohlthat für das- russische Volk und sür Europa. Daß die Russen 
in Wahrheit noch rohe Barbaren sind, zeigt gerade der gegen 
wärtige Krieg, welcher von den russischen Truppen mit einer 
dem türkischen VandaltSmus völlig gleichstehenden Grausamkeit 
geführt wird. 
Neueste Nachrichten. 
Wien, 16. Juli. Der »Deutschen Zeitung" wird auS 
Simnitza, 15. Juli, gemeldet: DaS Hauptquartier deö Czaien 
geht morgen nach Zarewitza, südöstlich von Sistowa. — Ein 
ernsteres Gefecht soll bei Radantzi in der Nähe von Gabrowa 
stattgefunden haben. 15,000 Russen sollen auf 6000 Türken 
gestoßen sein, welche die Avantgarde eineö zur Verteidigung 
der Straße von Gabrowa nach Kasanlyk bestimmten KorpS 
von 25,000 Mann b lden. Die Russen ssllen mit großen 
Verlusten gesiegt haben. -- Die „Neue Freie Presse" meldet 
auS Schumla, 14. JuliDas Vorrücken der Russen gegen 
RaSgrad wird erwartet. Der internationale Telegraphendienst 
ist in Rustschuk seit mehreren Tagen eingestellt. Die End- 
station der Eisenbahn nach Varna ist von Tscherwenawooa 
nach Rasgrad verlegt. 
Wien, 16. Juli. Die ,P*lit. Korr." meldet aus St. 
Petersburg, 16.-Juli: Die russische Armee ist im Anmarsch 
gegen den Balkan. Gestern Abend erstürmten die Russen das 
stark befestigte und hartnäckig vertheidigte Dorf Simowitz bei 
Nikopoli. Die Türken wurden von den Nikopoli beherrschen- 
den Höhen vertrieben und zogen sich sammt der dortigen 
Garnison von Nikopoli zurück, welches heute von den Russen 
besetzt wurde. — Ferner meldet die „Polit. Korr." auS Zara, 
15. Juli: Suleiman Pascha hat sich in Antivari nach Kon, 
stantinopel eingeschifft. — Weiter berichtet dieselbe auS Sign 
(Sinj) in Dalmatien, 15. Juli: 3000 Insurgenten unter 
DeSpotowitsch verbrannten gestern die jenseitS von Sign ge- 
legenen Ortschaften Clebitsch, Kowatschitz, Strubnitz und 
Radonitz und führten das Vieh weg. 
Bukarest, 16 Juli. Seit heute früh 7 Uhr weht die 
russische Flagge in dem von den Türken verlassenen Nikopoli. 
Bukarest, 16. Juli. DaS fünfte russische ArmeeeorpS, 
welches seit einige» Tagen im Lager von Banesso angekommen 
ist, marschirt sofort nach Sistowa. — Die Russen haben eine 
zweite Brücke über die Donau in der Entfernung von zwei 
Kilometern von Sistowa gegen Turn-Magurelli geschlagen. 
LondStt, 16 Juli. „ReuterS Bureau" meldet aus Kon- 
stantinopel, 16. Juli: Achtzehn russische Bataillone überschritten, 
von Bulgaren geführt, auf dem Engpaß von SchiKa den 
Balkan und kamen in Jeni-Sagra an. 
St. Petersburg, 16. Juli. Offiziell wird aus Tirnowa, 
15. Juli gemeldet: Der Vorttab der russischen Armee hat am 
13 Juli, halb 6 Uhr AbendS, den Balkan ohne Schuß passirt. Am 
1-4. Juli, Nachmittags 2 Uhr, besetzte General Gurta Khaniöy. 
300 vort überraschte Ntzams flüchteten sich. Die Türken zogen 
sich gegen daS Dorf Kanaru zurück. RussischerfeitS beträgt 
der Verlust nur einen Todten und sünf Verwundete. 
Koustantinopel, 16. Juli. Alle disponiblen Truppen 
werden schleunigst nach Adrianöpel dmgirt: russische Truppen 
besetzten Jeni-Sagra, bisher aber ohne Artillerie. 
Konstantinopel, 16. Juli. Die Russen haben die 
Eisenbahnstation Jeni-Sagra besetzt. Sie sollen den Balkan 
in der Richtung gegen das eiserne Thor (Tirnowa-Sllwno) 
passirt haben. Reuf Pascha, der Kotnwatidar:: der Armee von 
Adrianopel, schickt sich an die Russen anzugreifen. 
Die Ausschreitungen gegen die Muselmanen werden Haupt- 
sächlich von den durch die Russen bewaffneten Bulgaren ver- 
übt. Die Russen bilden bulgarische Bataillone. 
Verschiedenes. 
— Ueder die Lebensmittelsiilschlmgen, wie sie nicht nur 
in Berlin, sondern fast überall vorkommen, hat die „Land- 
wirthschaftliche Presse" eine interessante Zusammenstellung ge- 
macht. Sie berechnet das Quantum Wasser, welches allein 
in Berlin als Milch verkauft wird, auf 3 bis 4 Millionen 
Liter, den Konsum an Milch aus 36^ Millionen Liter, d. 
h. 38 3 Liter pro Kops. Dem Mehle setzt man Schwerspath, 
GypS, Kreide, Marmorstuub hinzu. Dem Brodteig wird 
Alaun oder Kalkwasser beigemengt, um das Brod weißer zu 
machen und 'Jalappelnwurzeln, um die verstopfende Wir- 
kung deö Alauns zu heben. Schlechter, verdorbener Kasse wird 
gefärbt, sogar mit giftigen Farbstoffen. Im Stampskaffe finden 
sich Cichorien und Roggen. Im Cichorienpulver hat man 
wiederholt Ocker, Eisenoxyd, Ziegelmehl, im Eichorienkuchen 
mitunter alten Kaffesatz, Baumrmve, ja Erde nachgewiesen. 
Zur Chokoladenbereitung verwendet man mitunter anstatt der 
theuren Kakaobohnen als Zusatz Perubalsam oder Storax, 
anstatt des Zuckers Melassesyrup oder Stärke. Zur Vermeh- 
rung der Masse führt man derselben Mehl von Getreide, 
Hülsenfrüchten, Kastanien, gepulverte Kakaoschalen, Gummigips, 
Kreide hinzu. Anstatt der Kakaobutter, welche man aus der 
Masse entfernt, wird Schmalz, Fett und Pflanzenöl genommen. 
Gewürze werden in großem Maßstabe mit mineralischen und
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.