sicheres Zielen ungemein erschwert. Trotz dieser im Ganzen
ziemlich unschädlichen Kanonade von beiden Seiten zweifle ich
nicht, daß sowohl die russischen als die türkischen Depeschen,
im edlen Wettstreit deS unverschämtesten LügenS. gan; ge-
waltige SiegeSberichte über die errungenen Erfolge gebracht
haben. Der Pöbel in Et. Petersburg, und Moskau steht auf
ganz gleicher Stufe mit dem in Aonstantinopel, und verlangt
heißhungrig, wie der Löwe im Menagerie-lkäfig nach seinem
Futter, nach SiegeSdepeschen und imm<r neuen SiegeSdepeschen;
und da in Wirklichkeit keine zu melden sind, so müssen die
offiziellen türkischen, rumänischen und russischen Berichterstatter,
meist Griechen, Armenier und jüdische Literaten, welche in
der Unverschämtheit des LügenS daS größtmögliche leisten,
solche geradezu erfinden. Ich habe mir vorgenommen weder
türkische noch russische offizielle Berichte mehr zu lesen; denn
alles was darin steht, ist doch nur ans das unverschämteste
gelogen und auf ein Aörnlein Wahrheit kommt immer ein
ganz gewaltiger Berg von Lügen.
Zwei in Wirklichkeit für die Russen stegreiche und für die
Türken höchst traurige Ereignisse hier auf der Donau muß
ich jedoch erwähnen, nämlich den Verlust der beiden türkischen
Panzerschiffe. In der Thal, eS ist dies ein harter Schlag
für die türkische Marine und wirft böse Schatten schon jetzt
auf die zukünftigen Ereignisse. Und doch hätte bei nur einiger
Aufmerksamkeit und Wachsamkeit der türkischen Marine«Offiziere
alles so leicht vermieden werden können. Die türkische ge-
panzerte Eorvette „Lufti Dschellil", welche durch eine russische
Granate getroffen in die Lust ging, soll — wie mir glaub-
würdig verfichert wurde —- auf ihrem Verdeck eine große
Masse von Munition offen gelagert haben, statt solche, wie es
vorschriftsmäßig ist, in der. feuerfesten Pulverkammer zu ver-
wahren, aber die gewöhnliche türkische Sorglosigkeit fand eS
bequemer die Munition oben in der größten Nähe zu haben,
und da der Zufall die Russen begünstigte und einer ihrer
Schüsse das Verdeck traf, so fing diese Munition Feuer, und
eine gewaltige Explosion schmetterte daS ganze Schiff fu*
fammen, so daß eS mit Mann und MauS unterging. ES ist
dieß ein sehr harter Verlust für die türkische Marine, denn
diese neue erst kürzlich auS England bezogene Korvette war
ein in jeder Hinficht vortreffliches Fahrzeug und bei geschickter
Führung entschieden dem besten Schiff überlegen, welches die
Russen im Schwärzen Meer besitzen. Z» seinen Folgen aber
noch weit bedenklicher ist die Jndieluftsprengung deS türkischen
Monitors „Chifse Ruchmann" durch die rttsstfchen Torpedos.
Ich gestehe gern zu, daß den Offizieren und den Matrosen
der russischen Barcassen, welche diese Torpedos an den Moni,
ter befestigten, das Lob der größten Tapferkeit und Geschick-
lichkeit gebührt und eS für sie ein äußerst gefahrvolles Unter-
nehmen war, jedoch nur durch die scheußliche Sorglosigkeit
und Indifferenz der Mannschaft deS Monitors konnte ein
solcher Erfolg erzielt werden. Statt Tag und Nacht die größte
Wachsamkeit auszuüben, den ganzen Umkreis des HchiffeS
ftetS durch elektrisches Licht zu erhellen und besonders unauf
hörlich Wachboote auszusenden, welche die Annäherung feind
licher Barcassen rechtzeitig entdecken und deren Entern am
Schiff verhindern konnten, lag der Monitor so ruhig und sorg-
los vor Anker als ankere er im tiefsten Frieden im Bos
porus. ES war dazu den Türken noch am Abend durch
einen Tscherkessen, der stch mit seinem Pferd in die Donau
stürzte und solche biS zu einer Znsel durchschwamm, wo ihn
dann türkische Boote aufnahmen, mitgetheilt worden, daß die
russischen Barcassen noch in der Rächt die Monitors mit
Torpedos angreifen wollten und die größte Wachsamkeit deß-
halb nöthig sei; allein trotzdem hielt die türkische Sorglosigkeit
dies für überflüssig. Auch nachdem eine Schildwache aus dem
Verdeck die erste Annäherung der feindlichen Barcassen ent-
deckt und Allarm gemacht hatte, worauf die Russen sich eiligst
zurückzogen, hielt man auf dem Monitor jegliche Gefahr bt*
feitigt und überließ sich wieder sorglos der besten Ruhe. So-
konnten die russischen Boote, die mit eben so viel Kühnheit wie
Geschicklichkeit kommandirt und geführt wurden,. zum zweiten-
mal sich unbemerkt nähern und ibr Werk ausführen. Wenn
die übrigen türkischen Monitors, die noch auf der Donau
sind, ihr Amt nicht besser ausüben und nicht mit größerer
Wachsamkeit fahren oder ankern, so sind sie freilich jetzt nutz-
loS geworden, und die Türkei hat eineS ihrer besten Ver-
theidigungSmittel, um die Russen an dem Uebergang zu ver-
hindern, eingebüßt. Und doch, fürchte ich, wird dies nicht
der Fall sein, und die nun einmal den Türken angebsrne
unvertilgbare Gleichgültigkeit gegen jegliche Vorsicht wird sich
sehr bald von neuem zeigen. „Znschallah, eS war daS KiSmet
(Schicksal) deS Schiffes, daß eS in die Luft fliegen sollte",
sagte mir ein alter türkischer Oberst mit dem ich darüber
sprach, und strich sich dann gleichgültig mit der Hand durch
seinen langen weißen Bart. Eine etwas größere Wachsamkeit
scheint jedoch die türkische Donau-Flottille jetzt zu besitzen,
und hoffentlich wird den Russen eine abermalige derartige
Unternehmung nicht gelingen. ES sind übrigens von den
Türken jetzt ebenfalls viele Torpedos ge egt worden, um die
russischen PontonS, welche eine Schiffbrücke bilden solle«,
damit in die Luft zu sprengen, und so scheint eS wirklich als
ob diese heimtückischen Dinge jetzt von beiden Parteien al<
die gefährlichste Waffe benützt werden sollen. Die Donau
wird noch lange nach beendetem Krieg ein äußerst gefährliches
Wasser für alle friedlichen Schiffe bleiben, denn weder die
Russen noch die. Türken werden im Stande sein auch nur die
Hälfte der vielen hundert Torpedos, welche sie jetzt um die
Wette aussetzen, jemals wieder aufzufinden, um sie gefahrlos
wieder herauszunehmen. DaS Aussetzen geschieht von russi-
schen wie türkischen Barcassen gewöhnlich in der dunklen
Nacht und in größter Eile: eS' wird kein System dabei beob-
achtet, und so ist daS Wiederauffinden fast ganz unmöglich
und alleS muß dem Zufall überlassen bleiben.
(Schluß folgt.)
Verantwortlicher Redakteur ».Herausgeber: vr. Rudolf Schädler.
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