Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1877)

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Goldwährung hatte zur Folge, daß die österreichischen Gulven 
und Viertplguldea ihren Münzwerth ganz verloren und auf 
den bloßen Metallwerth heruntersanken. 
In Oestexreich herrscht bekanntermaßen die Papiervaluta; 
die österreichischen Gilbergulden und Viertelgulden werden nur 
noch im Fürstenthum Liechtenstein voll angenommen. Die Folge 
davon ist, daß diese Münzsorten in großen Massen in'S Land 
strömen und jede andere Münze verdrängen. Liechtenstein kann 
den österreichischen Gulden und Viertelgulden im Berkehr mit 
Süddeutschland gar nicht mehr und im Verkehr mit der 
nachbarten Schweiz nur mit einem Verluste von 8% anbringen. 
Wenn Oesterreich den SilberkurS einführen würde, würden seine 
Gulden und Viertelgulden im Verkehr mit dem Auslände 
wieder den vollen Münzwerth erlangen. In nächster Zeit ist 
jedoch dazu keine Aussicht vorhanden und Liechtenstein sieht sich 
daher genölhiget, um sich vor weiteren Münzverlusten sicher zu 
stellen, die österreichischen Silbergulden und 'Viertelgulden außer 
KurS zu setzen. Nur die österreichischen VereinSthaler!, welche 
in der Schweiz und im deutschen Reiche voll gelten, können 
aiS gesetzliches Zahlungsmittel im Lande beibehalten werben. 
Die Regulirung des LandeSmünzwesenS ist nicht nur nothwendig, 
sondern auch sehr dringlich, weil jeder Tag den LandeSbewoh» 
nern im Verkehre mit der Schweiz und Deutschland Verluste 
bringt. 
Durch den Artikel XI? deS österreichisch - liechtensteinischen 
Zollvertrages vom 23. Dezember 1863 ist zwar Liechtenstein 
an das österreichische Münzsystem gebunden; allein da Oesterreich, 
wie verlautet, im Begriffe steht, die Zölle in Gold statt in 
Silber einHeben zu lassen, wird eS dem Fürstenthum Liechten 
stein kaum die Zumuthung machen können, die entwertheten 
österreichischen Silbergulden und Viertelgulden als Landesmünze 
beizubehalten." 
Per Landtag nahm dann einstimmig diesen Beschluß an.^ 
Die darauf erfolgte höchste Resolution des Fürsten ging 
aper dahin, daß der noch in Wirksamke t stehende an das öfter, 
reichische Münzsystem gebundene Zollvertrag jetzt noch keine 
Aenherung deS MünzwefenS gestatte. 
In der LandtagSsitzung vom 19. Oktober 1875 wurde so- 
dann mit allen gegen 4 Stimmen eine Adresse an Seine 
Durchlaucht in Sachen deS LandeömünzwesenS beschlossen. 
In derselben werden die Gründe, welche die Landesvertretung 
bewogen, schon wieder die Angelegenheit deS MünzwefenS vor- 
führen zu müssen, angegeben, und vorerst dahin erörtert, daß 
für daS Jahr 1876 die Möglichkeit einer Prolongiruug deS 
bestehenden Zollvertrages vorliege und daß für diesen Fall doch 
jener Artikel 12 deS Zollvertrages von 1863, welcher das 
Fürftenthum an daS österreichische Münzsystem bindet mit 1. 
Januar 1876 außer Kraft gesetzt werde. Die hauptsächlichsten 
Motive waren kurz folgende: 
1. Sowohl im Jahre 1852 und 1863 bei Gelegenheit der 
damaligen Zollvertragsverhandlungen wurde bei Feststellung des 
Artikels 12 deS Vertrages die Beibehaltung deS damals noch 
vollwerthigen Silbergeldes gegenüber der den CurSschwankungen 
unterworfenen Banknote für daS Fürstenthum zugesichert. Dem- 
nach erscheinen die Gründe, welche damals für die Erhaltung 
einer stabilen Münze sprachen, auch jetzt gegenüber dem ent- 
wertheten österr. Silbergulden als stichhaltig. 
2. Wird angeführt, daß Liechtenstein die meisten zum Ex- 
port gelangenden Produkte und hauptsächlich die Lebwaare zum 
größten Theil nach der Schweiz absetze. ES konveniere daher 
auch am Besten die Annahme der in der benachbarten Schweiz 
bestehenden Krankenwährung. 
3. Wird der Nachweis geliefert, daß durch die Entwertung 
deS österreichischen SilberguldenS der F. L. Sparkassa, den öf 
fentlichen LandeSfonden und den im Lande angelegten Kapita 
lien älteren Datums bedeutende Verluste drohen. Der Verlust 
nur mit 10% berechnet, welcher dem Privatkapital der Kirchen 
und Pfrundfonden mit einem Schlage durch die Güldenen^ 
werthung droht, wird auf circa 100,000 ff. (refp. b. 20% 
auf 200,000 ff) (Ich belaufend angegeben. — 
Auf diese Adresse lautete dieZhohe fürstliche Antwort; daß 
die Atünzfrage mit den unmittelbar bevorstehenden ZollvertragS- 
Verhandlungen abgewickelt werden solle. Die Verhandlungen 
zogen sich länger, alS man erwartet hatte, hinaus, und der 
Entscheid resp. der Abschluß deS neuen Zollvertrages mit der 
dieSbeWglichen Abänderung, laut welcher dem Fürstenthum 
Liechtenstein die Freiheit in der Regelung seiner Landeswährung 
gewährleistet wird, erfolgte erst gegen Mitte vorigen Monates. 
Svgleich legte die hohe fürstl. Regierung dem Landtage einen 
Münzgesetzentwurf vor. Mittlerweile hatte die untere Land- 
schaft eine Petition gegen die Münzreform vorbereitet und die- 
selbe dem Landtage eingereicht. Auf Grund dessen wurde die 
Beschließung dieses Gesetzes im Landtage vertagt, und mit den 
vier gegnerischen Abgeordneten vom Unterlande in der Kom 
mission Ssi Jung vom 20. Dezember folgende Abänderungen ver- 
einbart. 
1. Der Einführungstermin der neuen Währung vom 1. 
Januar wird auf den 1. Februar 1877 verlegt. 
2. Art. 3 deS Münzgesetzes wird dahin abgeändert, daß 
Gelddarlehen, welche im Jahre 1876 auf österreichische Silber- 
Währung lautend gemacht wurden, bis zum 16 Juli 1877 mit 
österreichischen Silbergulden tm Vollwerthe zurückbezahlt werden 
können Die vier Abgeordneten deS EschnerbergeS (Oehri, 
Heeb, Matt und Kaiser) gaben auf Grund diescS CompromisseS 
mit Handschlag das Versprechen ab, in der folgenden Land- 
tagSsttzung unter den von der Commission beantragten Abän- 
derungen für den Münzgesetzentwurf zu stimmen. 
In der kozymenden LandtagSsitzung (23 Dezember) wurde 
daS Münzgesetz einstimmig angenommen; jedoch waren die 
obigen vier Abgeordneten nicht erschienen, sondern hatten statt 
dessen die Anzeige ihrer MandatSniederlegung eingebracht. Die 
Bestätigung der MandqtSniederlLguW wurde nicht ertheilt, weil 
die Begründung als nicht stichhaltig genug angesehen' wurde, 
„insofern die Aufgabe deS Abgeordneten mehr an seine perfön- 
liebe Ueberzeugung alS an gewisse Volksstimmungen gebunden 
sein soll." — 
Am 3l. Dezember ist daS neue Münzgesetz, auch von Sn 
Durchlaucht dem Fürsten sanktioniert worden. — 
So hatten unserFürst, dieRegierung undder 
Landtag durch ihr verfassungsmäßiges Zusam 
menwirken endlich dasjenige erreicht und gefetz- 
lich bestimmt, waS vor 2 und 3 Jahren daS Volk 
allgemein wünschte und der Landtag einhellig 
im Ju»vl 1874 anstrebte, waS dann mit überwie- 
gender Mehrheit (11 gegen 4) vor einem Jahre (19. 
Oktober 1875) in der Adresse an unseren Fürsten 
zum Ausdruck gtb racht und e« M:i c& mit Ende 1876 
durch einhelligen Beschluß deS Landtages und 
durch die hohe fürstl. Sanktion vom 3l.Dezember 
1876 zum Gesetz erhoben wurde. 
Daß bei der Kürze der^ schließlichen BerathungSzeit und bei 
dem Mangel der hinreichenden Erfahrung, die vollständig, erA 
die Durchführung deS Gesetzes bringen konnte, daS betreffende 
Gesetz nicht sogleich alS vollkommen und makellos dastehen 
werde, war voraus zu sehen. 
Diesem Umstände wurde aber auch insoweit 
vollständig Rechnung getragen, indem in dem be- 
züglichen Commissionöberichte ausdrücklich er- 
klärt wurde, „daß eS der nächsten Landtags saifon 
vorbehalten bleibe, den sich herausstellenden 
Mängeln abzuh elsen." 
DaS neue Jahr sollte unS aber in kurzer Z?it ganz uner- 
wartete Ereignisse bringen. Die Stimmung des Volkes und 
zwar vorerst besonders der unteren Landschaft trat in einem
	        

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