halben Stunde war dieß große Werk vollbracht und um ja
nichts von dem Großartigen einzubüßen, behielt der Strom die
einmal angenommene Weit? und Stärke bis zum Abend bei
und erst gegen stacht' zeigte dexselk eine Mäßigung. Menschen-
leben sind Gottlob nicht zu beklagen, keine Häuser und keine
Brücken find dem wüthenden Elemente zum Opfer gefallen,
obschon 26 Familien mit dem Vieh und der unentbehrlichsten
Fahrhabe auswanderten, da Wohnungen und Ställe schon tief
im Wasser standen. Es war ein wehmüthiger Anblick, als in
den ersten Stunden des TageS mit Hülfe herbeigeeilter Nach-
barn die Gefährdeten, Karawanen gleich, mit Vieh und Ge
schirr auszogen, unerschrocken sich Bahn brechend durch daS
sich drohend entgegenstellende Wasser. Einen traurigen Anblick
aber bieten unsere verwüsteten Gefilde dar und mit Angst und
Bangen sehen wir der Zukunft entgegen; denn mit der Ueber-
fluthung unserer Fluren sind auch alle Produkte derselben un
ter Wasser und dem Verderben ausgesetzt worden. Und Alle
sind von diesem Schlag betroffen worden, d^r Taglöhner mit
seinen wenigen Quadratfuß, wie der begüterte Bauer. Für
Alle ist die Ernte ein bedeutungsloses Wort geworden.
Im Kanton Zürich ist namentlich auch die Gemeinde Wülf-
lingen schwer mitgenommen worden. Der Schaden an Stra-
ßen, Brücken, Stegen, Wuhren beträgt jedenfalls über Fr.
100,000 — jeder Privatschaden ausgeschlossen Von 6 Brücken
und Stegen hat die Eulach fünf weggerissen. — In Klein-
und Groß-Andelfingen sind in Folge von Beschädigung der
Wasserleitung plötzlich alle Brunnen abgestanden — Wasser-
noth und Wassermangel zugleich. Der „Landbote" ruft mög-
lichst rascher und energischer Hilfe deS Staates
Nach der „N. Z Z." ist alle Aussicht vorhanden, daß der
durchgehende Bahnbetrieb auf der ganzen Strecke Zürich-Win-
terthur am 13. d. wieder eröffnet werden kann. Ebenso wird
Winterthür-Romanshorn (mit beschränkter FÄhrordnung) in den
nächsten Tagell wieder befahren werden; zwischen JSlikon und
Frauenfeld wird ein Omnibusdienst organisirt.
Die fahrplanmäßigen Züge zwischen Winterthur, Singen
und Stein haben am 15. begonnen. Die angeordneten Arbej-
ten lassen hoffen, daß der Betrieb schon am Samstag jeden-
falls aber am Sonntag bis Steckborn ausgedehnt werden
kann.
Der Rhein ist am Mittwoch rasch gesunken, so daß die
Gefahr für die Rheinbrücke in Basel vorübet ist. Die über-
schwemmten Straßen wurden Mittwochs durch die Hydranten
gereinigt und am Donnerstag begann man mit der Entwässe-
rung der Keller vermittelst der neuen, großen Dampsspritze des
PompierkorpS. Ganz bedeutend ist der Schaden in Groß-
- und Kleinhüningen. Das Wasser stieg in Kleinhüningen
bis zur Wiesenbücke; die Häuser gleichen Inseln; die dortigen
Brücken, die Schiffbrücke und die im Bau begriffene Eisenbahn-
brücke sind total zerstört. Bei den Rettungsarbeiten bei der
letztern sollen einige Menschen umgekommen fein.
Mit Schiffen befahren wurden während der Ueberfchwem-
mung in Basel die obere und untere Rheingasse, die Schiff-
lände mit angrenzenden Gassen und einTheil des St. A/ban-
thaleS. Wiewohl der Mazimalstand des Wassers noch einige
Zoll unter dem von 1852 zurückblieb, so ist doch vermöge ihrer
Dauer die Ueberschwemmung eine weitaus intensivere. Jetzt
noch, wo die hölzernen TrvttoirS entfernt werden, wo man auf
dem obern Rheinquai wieder trockenen FußeS schreiten kann,
ist die Wafferabnahme doch nur eine sehr langsame. Die trau-
rige Folge wird die sein, daß in den betroffenen Wohnungen
und Kellern der Schaden viel nachhaltiger ist. Aufbrechen der
Trottoirs konnte man an der Schiffslände bemerken; Private
werden noch lange genug von den Einflüssen zu reden Und zu
leiden haben, die ihnen das eingedrungene Wasser verursachte.
AuS der Wasseramtei schreibt man dem „Soloth. Landbo
ten" über die dortigen Wasserbeschädigungen: Buchstäblich je
des Bächlein und jeder Bach war angeschwollen und über die
Ufer getreten, Stege und Wege verwüstend An steilen Orten
sind die Zwischen- und Ackerfuhren zu förmlichen Bächen ge-
worden. An Stellen wo viel GraS war ist die Ueberfchwem-
mung weniger sichtbar geworden, indem es in den Matten
stagnirte. Empfindlicher wird es dafür im beginnenden Heuet
werden; das Wasser beginnt zu modern und ungesunde AuS-
dünstungen zu verbreiten; der zurückbleibende Schlamm wird
sich in Staub verwandeln und dem Futter mittheilen.
Unterhalb Utzenstorf ist die Emme ausgetreten und hat bei
der Station Gerlafingen die Emmenthalbahn unfahrbar ge-
macht, ohne jedoch an dieser viele Beschädigung zu verursachen.
Größer als an der Emmenthalbahn sei der Schaden an Pri
vateigenthum bei Biberist gewesen, wo die Emme oberhalb der
Brücke über das linke Ufer ausgetreten ist. Die Wassermas-
fen haben sich zwischen der Säge und Oele durchgewälzt, so
daß sich die Anwohner flüchten mußten.
Die Feuerwehren von DegerSheim, St. Gallen und Fla-
wyl haben in rühmlicher Weise gewetteifert, während der furcht-
baren Ueberschwemmung den bedrohten Unglücklichen Hülfe zu
bringen. Solche Nächstenliebe ist anerkennenSwerth. Erst
seitdem die Waffer sich wieder etwas verlaufen, sieht man das
Elend in seiner ganzen Grausenhastigkeit. Die unzähligen Erd-
schlipfe haben manche üppige Halde arg mitgenommen. An
der Sonnenhalde, in Glatthal, FriedenSthal und a a. O. sieht
eS traurig aus. Ein doppeltes Wohnhaus oberhalb des Dor-
feS kann stündlich umstürzen Keller und untere Räumlichkei-
ten waren mit Wasser gefüllt. Sticklokale, Webkeller und
Werkstätten müssen feiern bis die Ordnung der Dinge wieder
hergestellt ist. Dagegen hat die Sängerhütte nicht gelitten.
Trauernd steht sie da und schaut demüthig auf den nahen
Bahnhof, wo arbeitende Hände die Verheerungen gut zu machen
suchen.
Auch aus dem Aargau gehen schlimme Berichte ein. Laut
,den Aarauer Nachr." find der Rhein, die Aare, die Reuß,
die Limmat, die Wyne, die Suhre, die Wigger, die Brienz
ac. vielerorts über das Ufer getreten und haben an Straßen,
Brücken, Häusern, Wiesen und Feldern großen Schaden ver-
ursacht. Der Rhein sei drei Fuß höher als im Jahre 1852.
Koblenz steht größtenteils unter Wasser; ein großer Theil
der Bevölkerung mußte ihre Wohnungen auf Weidlingen, die
leider nicht in großer Zahl vorhanden sind, verlassen Die Fluth
brach gegen Mittag mit solcher Schnelligkeit ein, daß das
Vieh nur noch aus den Ställen geführt werden konnte, Men-
schen aber aus den Häusern getragen oder mit Weidlingen ge-
rettet werden mußten. Der Rhein ist bedeckt mit schwimmenden
Balken, Brettern, Gerätschaften, Gartenzäunen, entwurzelten
Bäumen tt, wodurch Häuser beschädigt und dem Einsturz nahe
gebracht wurden. Besonders hart wurde die Familie Häfliger
betroffen. Ihre neugebaute, jetzt mitten im reißenden Strome
stehende Mühle war der Gefahr am meisten ausgesetzt. AbendS
6 Uhr wurde der untere Anbau weggerissen, wodurch 1400 Ztr.
Getreide ein Raub des entfesselten Elementes wurden, im obern
Anbau leidet der Mehlvorrath ebenfalls. Die Mühle und die
dem Rheine zunächst liegenden Häuser lassen das Aeußerste be
fürchten. Unter- und oberhalb Klingnau, zwischen Koblenz und
WaldShut, Rietheim und Kadelburg alles ein See.
Laut Berichten, welche dem eidgen. Eisenbahndepartement zu-
gestellt worden sind, ist der Bahnbetrieb aus nicht weniger denn
11 Bahnen und Bahnstrecken unterbrochen worden und zwar
außer: Nationalbahn (ganz), TöSthalbahn (ganz), Emmenthal
bahn, Zürich-Winterthur, Uster-Wetzikon, Appenzeller-Schmal-
spurbahn, Goßau«Wyl, Zürich-Luzern, Hedingen-Zug (hier sind
nicht weniger denn 4 Durchbrüche), Sulgen-Frauenfeld, Sulgen-
BischofSzell, Schaffhausen-Winterthur. Letzteres wird fast ganz
von den Verbindungen mit auswärts abgeschlossen sein. Doch