Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1876)

Baden 1,505,531 
Hessen 882,3-19 
Mecklenburg Schwerin 553.734 
Hamburg 388.618 
Braun schweig 328.351 
Oldenburg 319,314 
Sachsen-Weinmar 292,933 
Anhalt 213,689 
Sachsen-Meiningen 194,463 
Sachsen-Koburg 182,673 
Sachsen-Altenburg 145,844 
Bremen 142,645 
Lippe 114,254 
Mecklenburg-Strelitz 95.648 
Reuß j. L. 92,375 
Schwarzburg-Rudolstadt 76,676 
Schwarzburg-SonderShausen 67,480 
Lübeck 56,912 
Waldeck 54,673 
Reuß ä. L. 46.985 
Schaumburg-Lippe 32,941 
Oesterreich. Das nun von beiden Delegationen einver- 
ständlich festgestellte Finanzgesetz für das Jahr 1877 weiStalö 
Ordinarium für das Ministerium deS Aeußern 3,141,680 fl., 
für das Heer 86,240,704 fl, für die Marine 8,048,410 fl., 
für daS Reichs-Finanzministerium 1,851,515 fl., für die Rech- 
nungSkontrolle 126,714 fl., zusammen 99,009,023 fl., im Ex- 
traordinarium für das Aeußere 38,800 fl., für das Heer 
10.585,006 fl., für die Kriegs-Marine 1,902.636 fl, für 
das Finanzministerium 1050 fl., zusammen 1,277,780 fl auS 
DaS Gesammt-Erforderniß stellt sich sonach auf 111,311,659 fl.; 
davon ab: gemeinsame Zotteinnahmen mit 11,000,000 fl., 
bleibt ein zu beveckendeö Gesammt-Erforderniß von 100,311,659 
ff, wovon 2 Perzent zu Lasten deS ungarischen Staatsschatzes 
abzuziehen sind mit 2,006,233 fl 18 kr. Von dem Reste per 
98,305,425 fl. 82 kr. entfallen 70 Prozent mit 68,813,798 
fl. 7V 2 kr. auf Oesterreich und 30 Prozent mit 29,491,927 
ff. 74^ kr. auf Ungarn. ES liegt hierin ein Gesammtabstrich 
von 2,937,549 fl. gegegenüber dem Vorschlage der Regierung. 
Türkei. Ueb?r den schon in der letzten Nummer unseres 
Blattes gemeldeten Selbstmord deS abgesetzten Sultans Abdul 
Aziz schreibt man der A. A. Ztg. aus Pera folgende Einzel- 
heiten: 
DaS Drama, welches am 11. Mai hier eröffnet wurde, 
hat gestern seinen tragischen Abschluß gefunden: der abgesetzte 
Sultan Abdul Aziz hat sich gestern Morgen gegen 10 Uhr 
entleibt. Schon seit Jahren, eigentlich schon seit seiner Kinv- 
heit, an Hirnkongestionen leidend, hatten die Anfalle schon 
Wiederholt zu tobsüchtigen Anfällen geführt, die sich zuletzt in 
immer kürzeren Intervallen wiederholten und nach seiner Ad» 
setzung in völlige Raserei ausarteten, weßhalb er auch m dem 
ihm angewiesenen Aufenthaltsorte scharf überwacht wurde. 
Nichtsdestoweniger gelang eS ihm gestern früh, nachdem er sich 
eingeschlossen hatte, sich mit einer Papierfcheere die Pulsadern 
zu durchschneiden, so daß er in Folge der Verblutung starb. 
Gegen Mittag wurde er unter Begleitung sämmtlicher Mini- 
ster und Hochwürdenträger zur letzten Ruhestätte geführt; seine 
Leiche ward neben dem Grabe seines Vaters Sultan Mahmud 
II. (in der Nähe der „verbrannten Säule") bestattet. Vor 
weniger als 15 Jahren, am 15. Juni 1861, bei seinem Re- 
gierungSantritt wie ein neuer Messias von dem allgemeinen 
Jubel der Nation begrüßt, brachte er eS in kurzer Zeit dahin, 
daß er allgemein gehaßt wurde und alö der Präses deS Mili- 
tärkonseilS Redif Pascha ihm in der Nacht vom 29./30. Mai 
seine Absetzung ankündigte und seine Ueberführung nach dem 
alten Serail leitete, erhob weder unter der zahlreichen Bevöl- 
kerung deS Palastes noch unter der Bevölkerung der Haupt 
stadt, weder in der Armee noch in der Marine, irgend jemand 
seine Hand oder auch nur seine Stimme zur Vertheidigung 
deS Sultans Abdul Aziz. Was er als Privatmann gefehlt 
haben mag, dürfte nunmehr, wo sich daS Grab über ihm ge« 
schlössen hat, der Vergessenheit übergeben werden; aber über 
seine Handlungen alS Souverän, als absoluter Monarch über 
36 Millionen Unterthanen, wird die unerbittliche Weltgeschichte 
ihr Richteramt antreten. 
Ueber seine letzten Regierungshandlungen erfahre ich fol- 
gendes. Eine Denkschrift deS Kriegsministeriums legte dar, 
daß zur Bestreitung der dringendsten Bedürfnisse der im Felde 
gegen die Aufständischen befindlichen Truppen eine Summe 
von 60,000 Liren erforderlich wäre, weßhalb um Auszahlung 
dieser Summe durch das Finanzministerium ersucht wurde. Der 
Sultan genehnu'gte t>ieß, ließ sich aber die Hälfte dieser Summe, 
30,000 Liren, nach dem Palast bringen und die andere Hälfte 
nach dem Kriegsministerium schicken. Auf erhobene Reklamation 
deS letzteren sah sich der Sultan doch genöthigt für 30,000 
Lire Zwieback, Reis und andere Bedürfnisse kaufen zu lassen, 
um sie für die Armee zu verwenden; die übliche Speichellecke- 
rei wußte aber auch dieses Faktum auszubeuten, indem man 
aussprengte der Sultan habe diese Vorräthe aus semer Privat- 
kasse bezahlt. Am Montag, 29. Mai, d. h. an dem Tage 
vor seiner Absetzung, gegen Abend, schickte er einen Adjutan- 
ten zum Großwessier um ihm das Staatssiegel abnehmen zu lassen, 
welches der verblendete Monarch wieder dem allgemein als 
Landesverräther stigmatisirten Mahmud Pascha übergeben 
wollte! Der Großwessier aber verweigerte es, worauf der Sul- 
tan zum KriegSnunifter Hussein Avni Pascha schickte, der aber 
nicht kam. Da beide Männer (nebst Midhat Pascha) die lei 
tenden Männer der Umwälzung waren, hielten sie es für an- 
gezeigt aus dieser Ursache, sowie in Betracht einiger anderwei- 
tigen verdächtigen Vorgänge, die Ausführung ihrer Absichten 
zu beschleunigen und keine Minute länger zu säumen. Spater 
hat sich freilich herausgestellt, daß, trotz der großen Anzahl der 
in das Geheimniß Eingeweihten, sich kein Verräther gefunden 
hat — ein abermaliger Beweis wie sehr der abgefetzte Monarch 
Gegenstand des allgemeinen Hasses war. 
Um jeden Verdacht eines unfreiwilligen TodeS deS Ex - 
Sultans zu beseitigen, ließ der Sultan Murad sofort so viele 
Aerzte als nur möglich in maller Eile nach dem Palaste be- 
rufen, um eine Autopsie anzustellen. Bei der ungemeinen 
Wichtigkeit dieses Dokuments gebe ich Ihnen hier eine wört- 
liche Übersetzung desselben: 
„Protokoll aus der Leichenschau. 
„Im Jahr Ein Tausend Achthundert SechSundsiebzig, am 
23. Mai (4. Juni) 11 Dschemazi-ül ewel 1293. Sonntag 
um 11 Uhr Vormittags. Wir Doktoren der Arzneikunde 
„Marko Pascha, Nun Pascha, Julius Millingen, Kara- 
theodo»y, Sotto, Dickson, Marroin. Nuridschian, Eduard Spa- 
daro. Vitalis, Spagnolo, Mark Marke!, Jatropulo, MiltiadeS 
Bey. Abdinur Effendi, Mustafa Effendi, Servet Bey, Mehe- 
med Bey und Jakob de Castro, unterzeichnete, 
„Wurden auf Befehl Sr. kaiserl. Maj. vom Ministerium 
requirirt, um die Ursache deS Todes des Ex-SultanS Abdul 
Aziz zu konstatiren, und wir verfügten uns nach dem Wacht- 
gebäude neben dem kaiserlichen Palast von Tscheragan. 
„Dort führte man unS in ein Gemach deS Erdgeschosses, 
wo wir einen Leichnam sahen der auf einer Matratze auf dem 
Fußboden lag. Dieser Körper war mit einem neuen Leinen 
bedeckt. AlS dieses Leinen abgenommen wurde, erkannten wir 
den Ex-Sultan Abdul-Aziz.- 
„Alle Theile des Leichnams waren kalt und blutlos, bloß 
oder mit geronnenem Blute bedeckt. 
„Die Leichenstarrheit existirte nicht; die Augenlider waren 
halb geöffnet; die Hornhaut leicht verdunkelt; der Mund halb 
geöffnet.
	        

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