Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1876)

berie, blieb er anfänglich noch der eingeschlagenen klassischen 
Lausbahn getreu, auf welcher er sicherlich nicht zu feinen Mi!- 
iionen gelangt wäre. - Als Lehrer deS Griechischen und Latei 
nischen Reichthümer zu sammeln, ist überall schwer, New-Aork 
im Jahre 1824 aber war für classische Gelehrsamkeit ein be 
sonders ungünstiger Boden. Hr. Stewart scheint dieß auch 
bald erkannt zu haben und vom commerciellen Geiste der neuen 
Welt erfaßt worden zu sein. Cr sing ein kleines Ellen« aaren- 
geschüft an, klein und unbedeutend seinen Mitteln gemäß, das 
er aber durch rastlosen energischen Fleiß und strenge Sparsam« 
feit bald auszudehnen verstand. Während unter seinen Con- 
«urrenten damals noch das Bestreben nicht ungewöhnlich war 
durch Uebervortheilung de? Kunden reich zu werden — ver 
mutlich ist eS in dieser Beziehung jetzt ganz anders geworden 
— suchte Stewart 'durch skrupulöse Ehrlichkeit sein Glück zu 
machen. und der Erfolg zeigt, daß 'er -den besseren Weg ge- 
. wählt hat. Dem einmal gewählten Geschäftszweige blieb er 
treu bis ans Ende; aber er betrieb ihn zuletzt im größten 
Maßstab und zugleich im vornehmen Quartier von New-Iork, 
wohin er das Detailgeschäst verlegte, und in der eigentlichen 
GeschäftSstadt, wo er seine EngroS-Vorräthe hatte. In der 
Fifth Avenue baute er sich einen Palast auS weißem Marmor, 
und mancher vornehme Gast auS Europa ist dort bewirthet 
Wördens AuS der Zeit seiner classtschen Studien bewahrte sich 
Hr. Stewart eine Vorliebe für die schönen Künste, insbesondere 
für die Malerei, und seine reiche Gemäldesammlung, wie den 
Marmorpalast, in dem er sie angelegt hat, soll er der Stadt 
Re'.v»Bork vermacht haben. Als im Zahr 1847 die HungerS- 
noth in Irland wüthete, schenkte der damals schon reich ge- 
wordene Sohn der grünen Insel seinen LandSleuten ein mit 
Getreide beladeneS Schiff Im Bürgerkrieg erwies er sich als 
eiftigen Anhänger der Union, die ihn jedoch nicht mit politi- 
schen Ehren belohnen konnte, denn seine Ernennung zum Fi- 
nanzminifter im Jahr 1869 mußte, in Folge eines Gesetzes, 
nach welchem die Theilnahme von Geschäftsleuten an Staats- 
ämtern verboten ist, aufgegeben werden. 
Räuberbande. Das „Berner Intelligenz-Blatt" erzahlt 
von einer schweizerischen Räuberbande folgendes: In der West- 
schweiz sind in jüngster Zeit an verschiedenen Orten Rauban- 
fälle und eine Reihe frecher Diebstähle vorgekommen. * Alle 
diese Brigantenstreiche fallen der vielleicht in unserm Jahr- 
hundert in der Schweiz einzig dastehenden Räuberbande Mi- 
chet, Arnold, Schenker und Bühler zur Last Die Zahl der 
Verbrechen, welche diese Bande verübt hat, läßt sich noch nicht 
genau bestimmen, dürfte aber eine sehr hohe Ziffer erreichen. 
Den Anstrengungen und der Vigilanz der Polizei von Genf, 
Lausanne und Bern ist eS nun gelungen drei Uedelthäter 
(Michel, Bühler und Schenker) zu verhaften. Michel und 
Bühler wurden in Genf, Schenker in Lausanne zur Hast ge- 
bracht. Schenker ist beschuldigt, in Bern den Einbruch und 
Mordversuch gegen zwei Landjäger bei der Militärdirektion 
verübt zu haben. Auch andere in Bern, St. Aubin u. a. 
Orten verübte Einbrüche und Diebstähle rühren unzweifelhaft 
von der genannten Bande her. Die DiebSgefellschast führt 
eine wahre Mustersammlung von Mord- und Einbruchswerk- 
zeugen, Revolvern und Instrumenten aller Art mit sich, selbst 
Dynamit zur Sprengung von eisernen Geldschränken, sowie 
BetäubungSlaternen wurden den Strolchen abgenommen. Der 
bevorstehende Kriminalprozeß dürfte einen der interessantesten 
Beiträge liefern zur neuesten schweizerischen Kriminalgeschichte 
* Lehrermangel in Preußen. Welche ungeheure Auödeh- 
nung der Lehrermangel in Preußen in rapiden Steigerungen 
in den letzten Jahren angenommen hat, davon gibt das „Cen- 
tral-Schulblatt für die gesammte Unterrichts-Verwaltung" Zeug- 
niß. Im Jahrgang 1874 findet sich folgendes Verzeichnis: 
In der Provinz Preußen sind von 6505 Lehrerstellen 302, in 
Berlin von 877 Lehrerstellen keine, in der Provinz Branden 
bürg von 4820 Lehrerstellen 252, in der Provinz Posen von 
2871 Lehrerstellen 174, in der Provinz Pommern von 3734 
Lehrerstellen 161, in der Provinz Schlesie:! von 6469 Lehrer- 
stellen 609, in der Provinz Sachsen von 5033 Lehrerstellen 
213, in der Provinz SchleSwig-Holstein von 2833 Lehrerstel 
len 223, in der Provinz Hannover von 4825 Lehrerstellen 393, 
in der Provinz Westphalen von 3113 Lehrerstellen 163, in 
der Provinz Hessen-Nassau von 3160 Lehrerstellen 214^ in der 
Rheinprovinz von 7599 Lehrerstellen 799 und in Hohenzollern 
von 474 Lehrerstellen 13, also in ganz Preußen von 52,043 Leh- 
verstellen 3616 d. h. 7 Prozent vakant. Von diesen Stellen 
werden 1747 d. h. 3,3 Prozent Lehrerstellen durch ungeprüfte 
Lehrkräfte und 1720 d. h. ebenfalls 3,3 Prozent Stellen durch 
Lehrer anderer Schulklaffen verwaltet, während für 149 Leh- 
rerstellen jede unterrichtliche Versorgung mangelt. 
Unter den 18% Millionen Greußen, über 10 Jahre alt, 
konnten nach einer Zusammenstellung vom Jahre 1871 2,260277 
entschieden nicht, 277,472 wahrscheinlich nicht lesen und 
schreiben. 60j Proz. von diesen sind Frauen. Nach der 
Konfession: 1,018,517 Evangelische, 1,150,290 Katholische 
und 23,624 Israeliten. 
* Rohe oder gedüngte Kartoffeln zur Mast. Das Stärke- 
wehl der Kartoffel ist von einer ziemlich festen Zellwand ein- 
geschloffen, die den Verdauungssäften Widerstand leistet, weß- 
halb einzelne Stärkezellen leicht unverdaut ausgestoßen werden 
können. Besonders ist dies der Fall, wenn rohe Kartoffeln in 
größerer Quantität verfüttert werden. Durch das Dämpfen 
und Kochen werden die Zellwände aber in Folge des Auf- 
quellenS des Stärkemehles zerrissen und dieses den Berdauungch- 
säften zugänglicher gemacht. Das Stärkemehl muß aber durch 
das Secret der Speicheldrüsen erst in Zucker übergeführt wer- 
den, um von den Gefäßen deS MagenS ausgenommen und 
dem Blute zugeführt zu werden. Wenn diese Umänderung 
nun bereits vor der Verfütterung geschehen kann, so tvirfr eS 
dadurch am verdaulichsten und am vollkommensten assimila- 
tionSfähig gemacht. DieS geschieht nur dadurch, wenn die 
gedämpften Kartoffeln gequetscht und mit etwas Malz einge» 
maischt werden. Nach etwa 2 Stunden hat die Zuckerbildung 
genügend stattgefunden und kann dann zur Verfütterung ge- 
schritten werden. Diese Vorbereitung der Kartoffeln ist tnU 
schieden die zweckmäßigste, besonders bei der Verfütterung an 
Mastochsen. 
Thau und Reif. 
Zu allen Zeiten hat die Erscheinung deS ThaueS die Auf 
merksamkeit der Beobachter angeregt. Schon im Alterthume, 
bei Aristoteles findet sich die vollkommen genaue Beobachtung, 
daß der Thau sich in ruhigen und heiteren Nächten reichlich 
niederschlägt, während sich keiner bildet, wenn der Himmel mit 
Wolken beoeckt oder lue Luft etwas stärker bewegt ist. Im 
Mittelalter erhoben sich unter den Physikern lebhafte Erör- 
terungen über den Ursprung deS ThaueS; einige von ihnen 
behaupteten, er falle vom Himmel wie der Regen, andere, er 
komme aus dem Innern der Erde hervor. Die Alchymisten 
sammelten den Thau mit der größten Sorgfalt; sie betrachteten 
ihn als eine sehr feine, von den Gestirnen destillirte Flüssigkeit, 
und waren der Meinung, man könne himmlische Grund- 
Stoffe daraus ziehen, die zum Goldmachen geeignet seien. 
In einer Abhandlung vom Jahre 1651, die im Drucke er- 
schien, wird gesagt, „daß man das Regenwasser acht Tage 
vor oder nach der Frühlings-Tag- und Nachtgleiche fanuneln 
müsse, weil in jener Zeit die Luft mit wahrem Himmels- 
samen ganz angefüllt sei; daß man den Thau, noch vor- 
züglicher, als daS Regenwasser, im Monate Mai einzuheim 
sen habe, weil er alSdann den Univ ersal geist in viel 
reicherem Maße enthalte und jenes geistige Salz in sich 
trage, welches zur Erzeugung, zur Nahrung und zum Unter-
	        

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