Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1876)

fügen, dem Ruin nahe brachten. Ferner wird eine Rechnungs 
kontrolle von Seite des Landtages mehr Regelung und Orb- 
nung in die Gemeindebuchführung bringen und eine strengere 
und geschäftliche Handhabung derselben bedingen. Die Vorlage 
eineS Boranschlages wird natürlich damit auch nothwendig, 
ebenso die Forderung, daß der Voranschlag im Ganzen einge- 
halten lvird. Die Rechnungskommission in der Gemeinde selbst, 
die den Boranschlag und die Schlußrechnung prüft, wird da, 
mit nicht überflüssig, sondern ihre Thätigkeit nur mehr ange- 
spornt zur genauen und eingehenden Prüfung. DaS Bedürf, 
niß, Gemeindekassiere zu haben, die nicht nur tüchtige ehren, 
werthe Männer find, sondern auch im Stande sind, eine streng 
geschäftliche Buchordnung zu führen, ist damit natürlich von 
selbst gegeben und eS ist nur zu wünschen, daß auch in dieser 
Beziehung sich eine günstige Entwicklung Bahn breche. Die 
Vorschläge, die wir hier angedeutet haben, bezwecken, wie leicht 
ersichtlich ist, eine genauere Fühlung zwischen den Gemeinden 
und dem Landtage, eine gründlichere Einsicht von Seite der Land- 
tagsabgeordneten in die finanzielle Gebahrung der Gemeinden, 
und endlich eine strengere geschäftliche Ordnung in der Ge 
meindebuchführung. ES wäre sehr zu wünschen, daß in dieser 
Beziehung Maßregeln ergriffen würden, umsomehr, alS eS sich 
seit den letzten Jahren besonders in den Rheingemeinden um 
enorm große Summen handelt, deren Insichthaltung mindestens 
so nothwendig ist, als die verfassungsmäßige Behandlung des 
Landesbudget. 
Wir baben diese Andeutungen auch vorführen wollen, weil 
nach unserer Ansicht eine wenn auch einfache Statistik über die 
verschiedenen finanziellen und volkswirtschaftlichen Verhältnisse 
der einzelnen Gemeinden durchaus nothwendig zur Kenntniß 
gelangen sollte, wenn man sich über unser Steuerwesen ein 
gründliches Bild schaffen will. Wir hoffen daher auch, daß 
sich der Landtag mit der Inangriffnahme der Steuerrevision in 
erster Linie die genaue Einsicht in die Verhältnisse der einzel- 
nen Gemeinden und die gesetzliche Competenz der Controle über 
die finanzielle Gemeindegebarunq verschaffen wird. 
Ausland. 
Deutschland feierte am 22. März den 80. Geburtstag 
feines Kaisers. Bei der Gratulation der Generalität in Ber- 
lin hielt Feldmarschalt Wrangel folgende Ansprache: „Ew. 
Majestät wollen in Gnaden gestatten, daß ich im Namen der 
hier versammelten Offieiere zu Allerhöckstdero heutigem Ge- 
burtStag unsere ehrfurchtsvollen Glückswünsche in aller Unter, 
thänigkeit darbringe. Ew. Majestät sind der kühne Lenker der 
Schlachten, der nie besiegte Feldherr in Europa. Vereint flehen 
wir zum Allmächtigen er wolle Ew. Majestät auch fernerhin 
in voller Lebensfrische und Thatkraft bis in die fernsten Zeiten 
zum Heil und Segen für Deutschland gnädiglich erhalten." 
Der Kaiser erwiederte: „Nehmen Sie meinen Dank für die 
Wünsche, welche Sie, Herr Feldmarschall, im Namen aller hier 
Versammelten ausgesprochen. Damit könnte ich selbst für den 
heutigen Tag endigen, wenn Sie in ihrer Anrede nicht eine An< 
deutung gemacht hätten, die ich nicht annehmen möchte, die ich 
aber auch nicht abzuweisen vermag, da meine brave Armee 
durch ibre Thaten sie zu einer Wahrheit gemacht hat; Sie 
haben mir somit Gelegenheit gegeben, ja die Pflicht auferlegt, 
Ihrer Andeutung gegenüber allen Generalen meiner Armee 
zunächst durch die heute hier Anwesenden, welche früher schon 
zur rechten Zeit bereit gestanden und jetzt noch mit Rath und 
That bereit stehen, meinen Dank für ihre Leistungen zu sagen 
— ein Dank, der sich am besten in der Hoffnung,' ja in 
meiner Ueberzeugung ausspricht, daß eS durch Ihre Hülfe fer 
ner auch so bleiben wird." 
Am 2t. Marz fand in Cannstatt das feierliche Leichenbe- 
gängniß des Dichters Ferdinand Freiligrath unter großartiger 
Betheiligung statt. Ein langer Zug bewegte sich vom Trau 
erhauS über die Neckarbrücke nach dem Friedhofe. Der Sarg 
war mit Kränzen, Palmzweigen, Blumen dicht bedeckt. Am 
Grabe sprachen außer dem Helfer Härle, Ludwig WaleSrode 
und Karl Mayer, welcher NamenS der Volkspartei einen 
Kranz auf das Grab legte. Weitere Kränze wurden nieder« 
gelegt Namens der Eotta'schen VerlagShandlung, der Redaktion 
der „Allgemeinen Zeitung", der „Frankfurter Zeitung", der 
„Gartenlaube", deS Frankfurter IournalistenvereinS, der Wie- 
ner „Concordia", der Wiener deutschen Studentenschaft, deS 
Freien Deutschen HochstiftS in Frankfurt a. M, deS Polytech 
nikums in Stuttgart u. a. Außerdem liefen zahlreiche Beileids- 
Telegramme ein: von der Fortschrittspartei in Berlin und an- 
dern Korporationen und Privaten aus allen Gegende/i Deutsch- 
lands. Pie Grabrede Karl MayerS, welche den tiefsten Ein- 
druck hervorrief, lautete: „Verehrte Trauerversammlung! An 
diesem Grabe steht mit unö das trauernde Vaterland. Soweit 
die Kunde von diesem Tode gedrungen ist, überall wo deutsche 
Herzen schlagen, erweckte sie das gleiche Gefühl, daß unser 
Volk einen von denen verloren hat, welche seinen Namen ver- 
herrlichen unter allen Nationen, die mit uns arbeiten, am Aus 
bau der ganzen schönen Menschheit. Nicht bloS die Deutschen, 
die im alten Stammland wohnen, auch die drüben, welche ein 
zweites deutsches Volk geworden sind, jenseits des großen 
WasserS, heute sind sie im Geiste mit uns versammelt um diese 
Stelle schwäbischer Erde, der wir eben die irdischen Reste deS 
theuren Mannes anvertrauen. Wenn hier schon die Klage zu 
verhatten beginnt um den Hingegangenen, dann wird nochein- 
mal im fernen Westen ihre Stimme sich erheben und unsern 
Schmerz erneuernd, zu uns an die Stätte herüber tönen. Diese 
Übereinstimmung aller ist eS was uns hier so feierlich die 
Herzen schwellt; durchschauert doch jeden einzelnen von unS, 
die wir dieses Grab umstehen, daS Gefühl, daß Tausende und 
Hunderttausende, die wir nicht kennen, eben jetzt mit uns in 
einer Empfindung tiefen LeideS, und in einer Begeisterung für 
die Größe des Volkes verbunden sind, dem der Geist dieses 
Todten angehört. Alle Parteien, in die wir uns während 
unserer gemeinsamen Kulturarbeit scheiden, einig und brüderlich 
sind sie bei der heiligen Handlung, da wir die Hülle deS Dich- 
terS der Erde übergeben. Auch von der Partei in deren Ra- 
men ich hier rede, liegt dort der Lorbeer mit den alten Frei- 
heitSfarben, welche dem Todten in den Kämpfen des Lebens 
die geweihten waren und die er alS ihr Sänger mit seiner 
mächtigen Harfe gepriesen hat. In den Iahren seiner männ- 
lichen Kraft hat er für unsere Ziele mitgekämpft und vorge- 
kämpft und alle Bitterkeit der Verfolgung, welche die deutschen 
Republikaner zu erdulden halten, auch ihm war es nicht er- 
spart sie bis auf die Hefe zu kosten. Und wenn jetzt nach 
seinem Tode seines Lebens Geschichte ausgeblättert wird, werden 
wir uns der Beweise erfreuen dürfen, daß er bis ins Alter 
und bis in den Tod treu und unerschüttert in seiner Gesinnung 
und in seinen Hoffnungen derselbe geblieben ist. Aber wir sind 
nicht gekommen um denjenigen einseitig alS den unserigen zu 
beansvruchen, der Allen gehört. Das sei ferne von uns! Um 
ihm zu danken, sind wir hier, und um mit der ganzen Nation, 
die ihn schon bei Lebzeiten anerkannt und geehrt hat, unser 
Herz zu erheben, durch den Gedanken, daß aus ihr ein solcher 
Geist entsprungen, so frei, so wahr, so rein und so hoch! Ein 
Mann und ein Held, fest wie die Eichen seiner cheruskifchen 
Heimath, ein Former und Meister der Sprache, ein Bildner 
neuer Gestalten und ein Entdecker neuer Zonen, welche er 
siegreich der deutschen Poesie erobert hat. O daß alle Lorbee- 
ren mit welchen die Völker ihre Lieblinge schmücken, so rein 
wären wie der seine, an welchem kein Tropfen BluteS klebt! 
Dann könnte bald jener Völkerftühling kommen von dem er 
gesungen und geweissagt: jener Frühling der Freiheit an den 
fein Herz geglaubt hat. Dann könnten Orient und Occident 
sich brüderlich umarmen, und Süd und Nord könnten einträch-
	        

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